Interview zu Laudate Deum
Bischof Schwarz: „Die Lage ist ernst geworden“

Bischof Alois Schwarz betont als Umweltbischof: „Wir Menschen tragen eine erhebliche Verantwortung für die gegenwärtige Klimakrise.“ Und er sagt: „Es geht beim Schutz unserer Erde nicht nur um ökologische Aspekte, sondern um eine tiefgreifende spirituelle Verpflichtung, die sich ebenso in sozialen Belangen manifestiert.“ | Foto: Moritz Schell/Diözese St. Pölten
  • Bischof Alois Schwarz betont als Umweltbischof: „Wir Menschen tragen eine erhebliche Verantwortung für die gegenwärtige Klimakrise.“ Und er sagt: „Es geht beim Schutz unserer Erde nicht nur um ökologische Aspekte, sondern um eine tiefgreifende spirituelle Verpflichtung, die sich ebenso in sozialen Belangen manifestiert.“
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Bischof Alois Schwarz, zuständiger Referatsbischof für Umwelt und Nachhaltigkeit in der Österreichischen Bischofskonferenz, sieht im päpstlichen Mahnschreiben Laudate Deum eine Vertiefung zur Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si‘, mit dem Papst Franziskus eine energischere Position zur Klimapolitik bezieht. Im Interview verrät der Bischof auch, wie er „Klimawandelskeptikern“ begegnet und er plädiert für einen Weg der Versöhnung mit der Welt, die uns beherbergt.

Papst Franziskus hat ein neues Mahnschreiben – Laudate Deum – herausgegeben. Was ist die Hauptbotschaft dieses Apostolischen Mahnschreibens? Wer sind die Hauptadressaten?

Bischof Dr. Alois Schwarz: Die Hauptbotschaft erkenne ich im Aufruf des Papstes, auf die globale Klimakrise verantwortungsvoll zu reagieren. Dieses Schreiben richtet Papst Franziskus an alle Machthaber der unterschiedlichen globalen Gesellschaften, an alle katholischen Gläubigen und er spricht auch eine Einladung an alle Menschen in den anderen Religionen aus.

Das Mahnschreiben gilt als Nachschärfung zur Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si’, die 2015 veröffentlicht wurde. Wie notwendig ist dieses Schreiben?

Bischof Schwarz: Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, auf die es gilt, rasch und effektiv zu reagieren. Wenn Papst Franziskus die Enzyklika Laudato si’ vor acht Jahren geschrieben hat und wir die letzten acht Jahre in unseren Gedanken vorbeiziehen lassen, dann erkennen wir, wie viel sich in dieser Zeit verändert hat. Es gab vor acht Jahren keine Pandemie, keinen Krieg, der uns so nahegekommen ist, wie der in der Ukraine. Alleine diese beiden Tatsachen fordern zu einem Reflektieren und Überarbeiten des damals Geschriebenen auf. Zudem ist auch zu beobachten, dass sich die Dinge in Bezug auf die Klimapolitik nur – wenn überhaupt – ganz langsam verändern. Vermutlich möchte Papst Franziskus deshalb erneut eine energischere Position beziehen, um die Menschen wachzurütteln, wie ernst die Situation ist.

Auch in Laudate Deum benennt der Papst präzise und kenntnisreich die menschengemachten Ursachen des Klimawandels. Wo sehen Sie den großen Unterschied zwischen Laudato si’ und Laudate Deum?

Bischof Schwarz: Für mich lässt sich hier kein Unterschied, sondern eine Vertiefung erkennen. Im Laufe der Jahre hat Papst Franziskus mit vielen Menschen, Bischöfen, Politikerinnen und Politikern, aber auch Regentinnen und Regenten Gespräche geführt und mit großer Sicherheit auch über die Auswirkungen des Klimas auf unserer Erde gesprochen. Dass es zu seiner Präzisierung und Vertiefung gekommen ist, erkenne ich in der Reflexion aus diesen Informationen und Gesprächen. Einmal mehr betont der Papst, dass wir Menschen unseren Umgang mit der Macht überdenken sollten. Der Papst fokussiert erneut die Position des Menschen. Während er in Laudato si’ die Umkehr „vom Konsum zum Opfer, von der Habgier zur Freigebigkeit, von der Verschwendung zur Fähigkeit des Teilens“ einfordert, betont er beispielsweise in Laudate Deum, dass der Mensch kein Außenstehender, kein von seiner Umwelt losgelöster Faktor ist, sondern als „Teil der Natur betrachtet“ werden muss. Er spricht in Laudato si’ vom Denken eines gemeinsamen Hauses und vertieft dies in Laudate Deum, indem er schreibt: „Deshalb ist eine gesunde Umwelt auch das Ergebnis der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt.“

In Laudate Deum sagt der Papst, dass für ein funktionierendes Miteinander die menschliche Macht, ihr Sinn und ihre Grenzen neu bedacht werden müssen. Was genau meint er damit?

Bischof Schwarz: Papst Franziskus, so verstehe ich das, betont hier besonders den Umgang mit der Macht. Viele technische und wirtschaftliche Errungenschaften sind in der heutigen Zeit kaum mehr wegzudenken. Das ist auch nicht unbedingt erforderlich. Es ist allerdings wichtig zu überdenken, wo und in welchen Situationen? Geht es nicht mehr um die Sache, sondern nur mehr um die Macht? Wenn das bloße Ausüben der Macht zum Schlüsselfaktor der Menschheit wird und nicht mehr der sinnvolle wertschätzende Umgang mit Menschen, um gemeinsam zum Wohle für alle da sein zu wollen, dann sollte darüber reflektiert und entsprechend gehandelt werden.

Franziskus zitiert im Schreiben u. a. die afrikanischen Bischöfe, nach denen der Klimawandel „ein schockierendes Beispiel für eine strukturelle Sünde“ darstellt. Ist das Nicht-Einhalten von Umweltvorgaben eine Sünde im theologischen Sinne?

Bischof Schwarz:
Wenn der Mensch nicht auf das Wohl der Allgemeinheit schaut, sondern Entscheidungen trifft, um sich selbst in den Vordergrund zu drängen und seine Macht ausüben zu können, andere auszubeuten, dann verstehe ich den Satz der afrikanischen Bischöfe sehr gut. Dafür hat Papst Johannes Paul II. den theologischen Begriff der strukturellen Sünde geprägt.

Die nächste Weltklimakonferenz findet ab 30. November in Dubai statt. Welche Auswirkung hat das Päpstliche Schreiben auf den Gipfel? Wie ernst wird dort der Mahnruf des Papstes genommen?

Bischof Schwarz: Papst Franziskus formuliert klar und deutlich, was bei dieser Konferenz aus seinem Denken zu geschehen hat: „Wenn ein aufrichtiges Interesse besteht, die Weltklimakonferenz zu einer historischen Konferenz zu machen, (…), dann können wir nur auf verbindliche Formen der Energiewende hoffen, die drei Merkmale aufweisen sollten: dass sie effizient sind, dass sie verpflichtend sind und dass sie leicht überwacht werden können.“ (LD/59) Wie sich die Worte dieses Schreibens des Papstes auf den Gipfel auswirken, werden wir sehen.

Was sagen Sie, wenn Sie Skeptiker treffen, die den menschengemachten Ursprung des Klimawandels anzweifeln?

Bischof Schwarz: Nicht jeder Mensch ist in der Lage, die Dinge so sehen zu können, wie sie sind. Das kann viele unterschiedliche Gründe haben, wie z. B. Angst vor Veränderung, vor Bedrohung. Wenn ich Skeptiker und Skeptikerinnen treffe, dann respektiere ich ihre Meinung und bete dafür, dass sie zeitnah in der Lage sein können, auch einen anderen Blick auf den Klimawandel zu werfen. In der Bibel gibt es Beispiele dafür, dass sich Menschen auch verändern können. Ich erinnere an Saulus, der zu Paulus wurde.

Der Papst schreibt, dass einige Auswirkungen der Klimakrise bereits jetzt für mindestens Hunderte von Jahren unumkehrbar sind, wie etwa der Anstieg der globalen Temperatur der Ozeane oder das Abschmelzen des Kontinentaleises. Dürfen wir noch hoffen, dass alles gut wird hier auf Erden?

Bischof Schwarz: Hoffen und beten dürfen und sollen wir immer. Nachdem die Lage so ernst geworden ist, würde ich es noch schärfer formulieren: Wir Menschen MÜSSEN beten, dass es hier zu einem Weg der Versöhnung mit der Welt, die uns beherbergt, kommt. Alles Leben ist Wachstum und Veränderung. Wir Menschen brauchen die Haltung der Bereitschaft dazu.

Was raten Sie uns Christen in der Diözese und in Österreich, wie sollen wir mit den Herausforderungen umgehen? Mit der Sorge um das Klima und der Angst vor Klimakatastrophen? Mit der Angst vor der Zukunft?

Bischof Schwarz: Es ist höchste Zeit, dass wir Menschen unsere selbst gebauten Komfortzonen verlassen, um zu unserer Erde einen neuen Zugang und in der Folge einen klimafreundlichen Umgang zu bekommen. Dazu gehören die Urlaubsplanungen, die Müllverringerung, die Mobilität zum Arbeitsplatz und dergleichen. Wenn uns das gelingt, dann dürfen wir hoffen, dass alles gut wird.

Gestatten Sie mir noch eine Frage zur Weltsynode, die im Vatikan begonnen hat. Welche Erwartungen haben Sie an diese?

Bischof Schwarz: In einer Welt, in der es in unserer Zeit so scheint, als würde sie auseinanderbrechen, in der nichts mehr so ist, wie es früher war, treffen sich die Synodenteilnehmer und Synodenteilnehmerinnen in Rom. Die enormen gesellschaftlichen Herausforderungen, der Umgang mit der Armut, die klimatischen Veränderungen und vieles mehr erfordern es, dass wir neue Ideen, Perspektiven und Angebote für die Gläubigen finden. Ich erhoffe mir ein ermutigendes und hoffnungsvolles Ergebnis dazu, um die Menschen für Gott und die Kirche neu zu begeistern.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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