Religion heute | Teil 4
Den Glauben weitergeben

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Eine „religiöse Welterklärung“ gehört durchaus zu einer ganzheitlichen Erziehung dazu.

In der pluralistischen Gesellschaft haben die traditionellen Institutionen wie vor allem die Kirche zunehmend an Glaubwürdigkeit und Stellenwert verloren. Ihre Botschaften sind in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, etwa über die Massenmedien, überhaupt nur mehr selten – und wenn, dann oberflächlich, schwer verständlich und nicht mehr zeitgemäß – auszumachen.

Die katholische Kirche selbst hat eine mühevolle Entwicklung von der traditionellen „Klerikerkirche“ über eine mitgliederstarke „Volkskirche“ zur zahlenmäßig geschrumpften, dafür aber auf der persönlichen Überzeugung beruhenden „Bekennerkirche“ durchgemacht. Heute wird niemand gezwungen, am kirchlichen Leben teilzunehmen oder einen Glauben zu haben. Diese Entscheidung trifft jeder Mensch für sich, ganz im Sinne der Individualisierung. Dabei wäre es gerade in Fragen des Glaubens durchaus notwendig, überhaupt erst ein Verständnis für Religion vermittelt zu bekommen.

Eine zeitgemäße Glaubensvermittlung muss jedenfalls die „Zeichen der Zeit“ erkennen, um sich mit diesen auseinanderzusetzen und Antworten aus der Perspektive des Glaubens zu finden. Diese Meinungsbildung muss mitten in der Gesellschaft in einer verständlichen Sprache geschehen. Denn die religiöse Sprache ist in unserer Zeit für viele Menschen eine Fremdsprache.

Deshalb ist die große Aufgabe der Kirche, den Inhalt des Evangeliums in die heutige Lebenswelt zu übersetzen und dem modernen Menschen mit seinem Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung den Sinnhorizont eines selbstständigen und reifen Glaubens zu erschließen.

Das beginnt schon in der Familie, wenn es darum geht, Kindern den eigenen Glauben als Lebensperspektive weiterzugeben und sie mit ihren Fragen nach Gott nicht allein und ahnungslos zu lassen. Denn eine religiöse Welterklärung gehört durchaus zu einer ganzheitlichen Erziehung dazu. Den meisten Eltern ist es gar nicht bewusst, dass sie, auch wenn sie selbst nicht (mehr) den Glauben haben, ihren Kindern damit die Chance zu einer bewussten Entscheidung geben könnten.

Ziel christlicher Verkündigung kann jedenfalls nur ein von moralischer Bevormundung befreiter und lebensbejahender Gottesglaube sein, der gerade dadurch zu Gemeinschaftlichkeit, solidarischem Handeln und Nächstenliebe frei macht. Ein solches Zeugnis gelebten Glaubens, etwa mit einem sozialen Engagement in Kirche und Gesellschaft, kann nicht nur Sinnerfüllung und Lebenszufriedenheit geben, sondern wird auch von einer religiös indifferenten Außenwelt nicht unbemerkt bleiben.

3 FRAGEN AN

Andreas Kresbach ist in Graz aufgewachsen, in Wien als Jurist im Bereich Kinderrechte und als Autor (kirchen-)politischer Themen tätig.

Warum gelingt die Weitergabe des Glaubens auch in kirchlich geprägten Familien immer weniger?
Oft sind Eltern an religiösen Fragen uninteressiert, weil sie selbst wenig wissen, den Glauben für unzeitgemäß halten oder unter der Last ihrer eigenen veralteten Gottes- und Glaubensbilder leiden. Es heißt dann, man will die Kinder religiös nicht beeinflussen.

Wie reagieren Kinder darauf?
Ihre neugierigen Fragen nach Gott und dem Sinn religiöser Feste bleiben dann oft unbeantwortet. So wird die eigene fehlende Wertschätzung für den Glauben an die Kinder weitergegeben, die sich dann bei allerlei Religionsersatz umschauen.

Es gibt aber auch eigene Glaubenserfahrungen …
Wenn junge Menschen nicht beim Kinderglauben stehen bleiben, sondern mit Gleichaltrigen die Sinnhaftigkeit gelebten Glaubens entdecken, kann das schon ein „Aha-Erlebnis“ auslösen.

BUCHTIPP
Andreas Kresbach: Ein neuer Geist für den Glauben in der Welt von heute. Religion in Zeiten von
Pluralismus und Individualismus.
LiT Verlag 2023, ISBN: 978-3-643-51146-1, 218 Seiten, broschiert,
29,90 Euro.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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