MEME-KULTUR AUF SOCIAL MEDIA

Foto: Neuhold

Sind augenzwinkernde Social-Media-Memes über Religion, Politik und Krieg mehr als nur eine kurze Flucht in gewitzte bis wahnwitzige Netzwelten? Sind sie ein gesellschafts- und diskursprägender Faktor? Wie kann die wild wuchernde Meme-Kultur im Netz mit der christlichen (Bild-)Erzählung verknüpft werden? Läuten die Internetglocken gar einen Ironic Turn, eine „ironische Wende“, ein? Der Kulturwissenschaftler und Medientheoretiker Wolfgang Ullrich hat sich im KULTUM Graz diesen Fragen gestellt.


Humorvolles Spiel mit Bildern


KULTUM. Das ironische Läuten der Internetglocken. Wolfgang Ullrich über „Memes“ auf Social Media.

Bei seiner kurzweiligen Einführung in die „Mem-Archäologie“ der letzten zehn Jahre arbeitete der freie Publizist Wolfgang Ullrich am 20. Juni im KULTUM in Graz in Folge heraus, dass es „noch nie […] so leicht und so preiswert [war], Bilder zu machen“ und „seinen Senf“ medial dazuzugeben. Ob jedoch ein im Internet neu interpretiertes, „allegorisches“ Bild tatsächlich zu einem „Meme“ wird, hängt für Ullrich von der Netzgemeinde ab: Bedeutung erlangten diese Bild-Text-Montagen vor allem dadurch, dass viele Menschen sich damit emotional beschäftigen.

Durch Memes sei es möglich, sich „mit den Mitteln der Parodie […] von der Gewalt des ‚Ausgangsbilds‘ ein Stück weit zu befreien“ und damit ein Schmunzeln aufs Gesicht der UserInnen zu zaubern.
Besonders goutierte das Publikum das bekannte Beispiel einer spanischen Seniorin, deren „Glaube größer war als das künstlerische Talent“ und die ein Jesus-Fresko auf handwerklich eigenwillige Art restaurierte. Sei solche Laienkunst gerne Ziel viraler „Sommerspäße“, so könnten die Macherinnen und vielen weiteren Bearbeiter von Internet-Memes aber auch dem als abgehoben empfundenen Kunstmilieu eins auswischen, meinte Ullrich: etwa indem man sich an hochkulturellen Werken in satirischer Form abarbeitet.

Bildersturm und Emotion
Doch ginge es bei Memes, so der Vortragende, nicht nur um mehr oder weniger sanften Spott, sondern auch um eine emotionale, oft „empowernde“ Entlastung. Viele Memes würden wiederum ikonoklastische – also bilderzerstörende – sowie polemische oder gar verschwörungstheoretische Züge aufweisen.

In der anschließenden, auch vom Publikum engagiert geführten Diskussion mit Ullrich und Moderator Traussnig meinte der in der Katholischen Hochschulgemeinde lebende studentische „Meme-Lord i. R.“ Lukas Pucher: „Für meine Generation sind Memes etwas Selbstverständliches.“ Und: „Ein gutes Meme hat eine emotionale Komponente“, so Pucher, der anhand eines Film-Memes die Ängste und Anspannungen seiner studentischen Peers vor einer harten Prüfung in ein befreiendes Lachen umwandeln konnte. „Man kann das niedliche Katzenbild im Internet anschauen und vergessen, dass man heute Prüfung hat“, ergänzte Wolfgang Ullrich. „Andererseits könnte ich genau durch den ‚Meme-Lord‘ auf so eine Prüfung hingewiesen werden“, das sei Emotionsmanagement.

Florian Traussnig

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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