Vatikan
Großes Kulturerbe

Christine Maria Grafinger zeigt Illustrationen von Werken des Kaisers Maximilian I. | Foto: Neuhold
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  • Christine Maria Grafinger zeigt Illustrationen von Werken des Kaisers Maximilian I.
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Die päpstliche Bibliothek. Ihre Bestände sind weltweit wertvoll.

Mit über 180.000 Handschriften, 1.600.000 Druckwerken und etwa 9000 Inkunabeln zählen die Bestände der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek zu den wertvollsten der Welt. Auch die weltgrößte Münzen- und Medaillensammlung befindet sich dort. In einem Gastvortrag am 2. Mai an der Grazer Theologischen Fakultät, zu dem das Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte mit dessen Leiterin Michaela Sohn-Kronthaler eingeladen hatte, erschloss Univ.-Doz. Christine Maria Grafinger das Werden und die Bedeutung dieser Sammlung. Die Gmundnerin war seit 1986 als erste Frau an der Vatikanischen Bibliothek tätig und zuletzt Leiterin des Archivs der Präfektur dieser Bibliothek.

Bestand. Zum Bestand der Bibliothek gehören vor allem wertvollste Handschriften. Mit dem Codex Vaticanus (oder Codex B) ist eine Bibelhandschrift aus dem 4. Jahrhundert darunter. Noch älter sind Papyri mit den Petrusbriefen aus dem 3. Jahrhundert und mit Texten von Lukas und Johannes aus dem 2./3. Jahrhundert. Das Spektrum reicht insgesamt von liturgischen, theologischen, kirchenrechtlichen und juridischen Werken bis hin zu naturwissenschaftlichen und medizinischen Werken sowie Landkarten und Stichen.

Vorläufer. Schon im Mittelalter gab es eine Bibliothek der Päpste, die sich hauptsächlich am damaligen Papstsitz im Lateran befand. Ein Bestand aus dem 13. Jahrhundert befand sich in Perugia und später in Assisi. Während der Residenz der Päpste in Avignon (1309–1376 und darüber hinaus) entstand aus dem Nullpunkt eine der größten Bibliotheken des Abendlandes; vieles davon kam später an die Französische Nationalbibliothek.
Gründung. Eigentlicher Begründer der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek ist der humanistisch gebildete Papst Nikolaus V. (1447–1455). Er wollte eine öffentlichere Bibliothek als bisher. Lateinische und griechische Handschriften bildeten die Grundlage; bis heute sind Sprachen das Einteilungsprinzip geblieben.

Papst Sixtus IV. ernannte den Humanisten Bartolomeo Platina zum ersten Bibliothekar. Vier Räume gehörten zur Bibliothek: ein lateinischer, ein griechischer, ein privater (heute das Vatikanische Apostolische Archiv) und ein päpstlicher. 1587 beauftragte dann Papst Sixtus V. den Architekten Fontana mit einem Neubau mit prunkvollen Lesesälen und einem großen Bibliothekssaal.

Erweiterungen. Im Lauf der Zeit flossen verschiedene Sammlungen in die Vatikanische Bibliothek ein. 1623 kam nach kompliziertem Transportweg die „Palatina“ aus Heidelberg an. 1689 kam die Sammlung der schwedischen Königin Christina dazu. Als „häretisch“ (irrgläubig) aussortierte Bücher wurden meist an die Indexkongregation weitergegeben. Einen oft vermuteten „Giftschrank“ mit „verbotenen“ Büchern kennt Grafinger in der Vatikanischen Bibliothek nicht.

Katalogisierung und Digitalisierung. Ende des 19. Jahrhunderts ließ der Jesuit Franz Ehrle als Präfekt der Bibliothek die erste Buchrestaurierungswerkstätte der Welt einrichten, bis heute auf höchstem Niveau. Außerdem wurde mit der Faksimilierung wichtiger Handschriften begonnen. Die heutige Aufgabe der Digitalisierung startete mit langer Suche nach geeigneter Software. Mit Japanern wurde ein Projekt zur besseren Lesbarkeit von Palimpsesten (ein Text wurde mit einem anderen überschrieben) gestartet.
Die „Vaticana“ bleibt eine Fundgrube für Wissenschaft und Forschung, sicher mit weiteren Überraschungen.

Herbert Meßner

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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