Europa
Keine Christen mehr?

In seiner Predigt beim Martinsfest in Eisenstadt betonte Kardinal Jean-Claude Hollerich, dass Gott alle Menschen liebe und Christus für alle gestorben sei, nicht nur für bestimmte Volksgruppen, „die uns ähnlich sind“. | Foto: Rupprecht
  • In seiner Predigt beim Martinsfest in Eisenstadt betonte Kardinal Jean-Claude Hollerich, dass Gott alle Menschen liebe und Christus für alle gestorben sei, nicht nur für bestimmte Volksgruppen, „die uns ähnlich sind“.
  • Foto: Rupprecht
  • hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion

Europa komme nur geeint durch den Winter, so Kardinal Hollerich.

Kardinal Jean-Claude Hollerich, Präsident der Kommission der katholischen Bischofskonferenzen in der Europäischen Union (ComECE), hat Europa eindringlich gemahnt, solidarisch zusammenzustehen, um gut über den Winter zu kommen.

Am Rande des Martinsfestes in der Diözese Eisenstadt, wo der Luxemburger Kardinal Ehrengast war, äußerte sich Hollerich im Interview mit Kathpress zum Krieg in der Ukraine, kirchlichen Friedensbemühungen und zu gesamteuropäischen Grundsatzfragen.

Die ComECE arbeite in der Ukraine-Frage sehr eng mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zusammen, in der alle nicht-katholischen Kirchen inklusive der Orthodoxie vertreten sind. „Zusammen versuchen wir, Wege des Friedens zu finden“, so Hollerich.

Klar sei: „Als Christen müssen wir Brücken bauen, und wir müssen uns als Frauen und Männer des Friedens erweisen.“ Auch wenn die Situation derzeit nicht sehr hoffnungsvoll sei. „Der Krieg ist so schrecklich, nationalistische Töne übertönen das Sterben der Leute, die alles verlieren. Das Engagement für den Frieden ist Aufgabe der Christen.“

Zur Frage, ob Europa solidarisch genug sei, um gemeinsam durch den nahen und schwierigen Winter – Stichwort Energiekrise – zu kommen, meinte Hollerich: „Ich hoffe es, dass wir moralisch so stark sind, dass wir nicht nur auf unser eigenes Wohlergehen schauen.“ In einem solchen Fall wäre Europa erpressbar und könnte seinen Wohlstand nicht mehr lange halten. Hollerich bekräftigte auch einmal mehr seine Position, wonach er einen EU-Beitritt der Ukraine sehr begrüßen würde. Nur eine solche Mitgliedschaft könne das Land auf Dauer schützen. Freilich müsse die Ukraine dazu gewisse wirtschaftliche Standards erreichen, „und nach dem Krieg muss auch die Korruption noch entschiedener bekämpft werden“.

Klares Urteil zur EU-Asylpolitik
Zur Frage, weshalb es die EU schlicht nicht schafft, eine gemeinsame faire Asylpolitik zu implementieren, fiel die Antwort des Kardinals so einfach wie hart aus: „Es funktioniert nicht, weil wir keine Christen mehr sind. Wir sind Kulturchristen geworden.“

Papst Franziskus betone immer wieder, „dass heute die Flüchtlinge unsere Nächsten sind, für die wir uns einsetzen müssen. Wenn uns das aber nicht mehr zu Herzen geht, dann wird deutlich, dass Europa postchristlich ist.“ Die Menschen auf der Flucht bräuchten aber die Hilfe Europas.

Er habe auch in seinem eigenen Bischofshaus in Luxemburg immer Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Religionen untergebracht, erklärte Hollerich. Das Zusammenleben und die Integration würden immer gut funktionieren. Menschenrechte und Nächstenliebe würden für alle Menschen gelten. Nicht nur Ukrainer, auch Syrer, Iraker oder Afghanen könnten eine Bereicherung für Europa sein. Integration brauche Engagement auf Seiten der Ankommenden und der Einheimischen, so der Kardinal. „Wenn uns die Menschlichkeit verloren geht, dann sollen wir aufhören, über das Christsein zu sprechen.“

Er habe keine Angst vor der wachsenden Zahl an Muslimen in Europa. Das Problem sei nicht das Erstarken des Islam, sondern die Schwäche des Christentums. „Und dafür sind nicht die Muslime zuständig.“

Kathpress

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ