„Häfentheater“-Gespräch
Entlang der Gefängnismauer

Zu einem „Häfentheater“-Gespräch luden Gefängnisseelsorger Josef Riedl (r.) und Kulturreferentin Gertraud Schaller-Pressler (Mitte) in die Justizanstalt Karlau. Theaterpädagogin Julia Gratzer (2. v. l.) hatte für dieses im Kulturjahr Graz 2020/21 umgesetzte Hörspiel Nestroys „Lumpazivagabundus“ ausgewählt. Die Arbeit mit Häftlingen, die mit dem Theaterstück „Judas“ begann, gehört für Karla Mäder, Chefdramaturgin am Schauspielhaus Graz (links), „zu den bewegendsten Ereignissen“ ihres Theaterlebens. Thomas Perle arbeitete an der Zusammenstellung der Texte mit, Tontechnikerin Elisabeth Frauscher („Vorgestellt“, S. 4) bereitete das Hörspiel auf, das noch ein halbes Jahr entlang der Gefängnismauern via QR-Codes und auf www.haefentheater.at zu finden ist. Justizanstaltsleiter Hofrat Josef Mock (2. v. r.) gab einen Einblick in diese „Stadt“ mit ihren 20 Betrieben, den Lehrwerkstätten und der Berufsschule, die in neun Handwerksberufen ausbildet.

Unsere kleine Stadt

Einen Einblick in die Justizanstalt Graz-Karlau gab es beim „Häfentheater“-Gespräch zum
Hörspiel „Acht liederliche Türmer“.

Das Wort „Häfen“ kommt vom mittelhochdeutschen „haven“ für „Umfassung, Ort, wo man etwas bewahrt oder birgt“ und meint unseren Kochtopf ebenso wie den Hafen oder umgangssprachlich das Gefängnis.
„Die Justizanstalt Graz-Karlau ist ein Hochsicherheitsgefängnis“, erklärt Hofrat Dr. Josef Mock, der Leiter der Justizanstalt Karlau: „Es werden Strafen verbüßt zwischen 18 Monaten und lebenslangen Freiheitsstrafen. Wir haben eine Belagskapazität von 560 Insassen, haben aber derzeit um 100 reduziert, weil wir eine Generalsanierung starten.

Ich habe 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Großteil sind Justizwachebeamtinnen und -beamte. Die übrigen setzen sich zusammen aus Ärzten, Sozialarbeitern, Handwerkern, Psychologen und vertragsbediensteten Personen in der Administration. Wir verfügen zudem über eine Berufsschule mit 10 Berufschullehrern, und wir bilden hier Insassen in neun verschiedenen Handwerksberufen aus – vom Schlosser, Tischler, Schuhmacher, KFZ-Mechaniker … mit Lehrabschluss und zu den gleichen Bedingungen, wie das auch in Freiheit passiert.

Wir haben eine Außenstelle in Maria Lankowitz mit 52 Haftplätzen, und dort betreiben wir Landwirtschaft. Das ist sozusagen eine Möglichkeit, die bedingte Entlassung, den gelockerten Vollzug zu fördern – von dort weg sind die Startbedingungen in die Freiheit besser.
Das ist die Welt, in der wir sind, umringt von hohen Mauern und mit wenig Einblick in die realen Verhältnisse, sodass die Phantasien der Menschen ganz stark beansprucht werden. Was Leute sich alles so vorstellen, ist unglaublich: dass jemand noch eine Kugel an den Beinen hat bis zum täglichen Wiener Schnitzel. Aber ich kann versichern, es ist relativ normal, wir haben ganz strukturierte Tagesabläufe.

Die Herausforderungen bei uns sind schon die, dass wir hier 40 Nationen untergebracht haben und dass es hier schon aufgrund kultureller, sprachlicher und religiöser Lebensanschauungsfragen teilweise sehr schwierig wird.
Wir haben auch eine große Gärtnerei, 20 Betriebe, Lehrwerkstätten, wir haben täglich an die 400 Beschäftigte, die immer zur Arbeit gehen und sehr, sehr gute Arbeit leisten und das Haus auch in Schuss halten. Das ist ein kleiner Überblick über unsere kleine Stadt, deren Bürgermeister ich vermutlich bin. Und es ist so, dass hier alles so passiert, wie in einer kleinen Stadt.“

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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