Frankl-Schülerin Dr. Elisabeth Lukas
Auferstehung neu interpretiert

Der Sprung ins tiefe Wasser – für die Logotherapeutin Dr. Elisabeth Lukas ein Gleichnis für die Überwindung von Angst und die Erfahrung von Getragen-Sein. | Foto: kerkezz - stock.adobe.com
  • Der Sprung ins tiefe Wasser – für die Logotherapeutin Dr. Elisabeth Lukas ein Gleichnis für die Überwindung von Angst und die Erfahrung von Getragen-Sein.
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Die bekannte Buchautorin, Psychotherapeutin und Frankl-Schülerin Dr. Elisabeth Lukas weiß, dass es im Leben oft die Einwilligung in Schmerz und Tod braucht, um aus Krisen „erlöst“ zu werden. Dazu haben wir ein grandioses Vorbild.

Zu den geheimnisumwitterten Aspekten des christlichen Glaubens gehört die Frage, warum ein Erlösungswerk nicht auch ohne vorherige Einwilligung in Schmerz und Tod zu vollenden gewesen wäre. Die Antwort darauf liegt wohl jenseits menschlichen Begreifens.

Allerdings gibt es eine erstaunliche Parallele dazu aus dem Erfahrungsschatz der Psychotherapie. Eine Reihe von seelischen Krankheiten und Exzessen ist nur heilbar über die Inkaufnahme von äußerst schmerzlichen Unterfangen. Ein bisschen „Sterben“ hat jeder hinter sich, der aus panischen Gemütsverstimmungen, schweren Abhängigkeiten oder fürchterlichen Konflikten „erlöst“ wieder ins normale, gesunde Leben zurückgekehrt ist. Benützen wir ein Gleichnis, um diesen Sachverhalt zu veranschaulichen:

Trotz Angst in die Tiefe springen?

Ein junger Mann steht im Schwimmbad hoch oben auf einem drei Meter hohen Sprungbrett, von dem seine Kameraden lachend ins Wasser hüpfen, und bebt vor Angst. Nun wendet sich das Lachen seiner Kameraden gegen ihn; sie höhnen ihn, ein Feigling zu sein. Welche Möglichkeiten stehen dem jungen Mann offen? Erstens kann er die Stufen vom Sprungturm wieder hinunterklettern. Er kann kapitulieren. Aber „erlöst“ ist er damit von seinen Ängsten nicht, und der Spott der anderen wird hinter ihm her hallen. Zweitens kann er eine Weile hoch oben auf dem Sprungbrett verweilen, aber das Zögern und Warten wird ihn nicht sicherer, sondern noch unsicherer machen. Vom Warten allein geht die Angst nicht weg, sie bauscht sich eher auf. Drittens kann er – und das ist der spannende Moment! – mitsamt Angst und trotz Angst springen.

Überlegen wir uns im Detail, was in diesem Fall passiert. Es passiert genau dasjenige, was der junge Mann gefürchtet hat: Er geht unter. Er versinkt tief im Schlund des Wassers. Es ist, als ob er abstiege ins Reich des Todes. Aber dann geschieht etwas Überraschendes. Ganz ohne sein Zutun hebt ihn das Wasser wieder hoch, trägt ihn an die Oberfläche, lehrt ihn, dass „alles gut ist“, dass er nichts mehr zu fürchten braucht, dass er fröhlich sein darf wie seine Kameraden, die ihm applaudieren. Lehrt ihn, dass es selbst bei einem Fall ins scheinbar Bodenlose etwas gibt, das uns Menschen hält und trägt und aufhebt und emporhebt und zum Frohsein begnadet.

Angststörungen lassen sich einzig beheben über einen Vorschuss an Mut. Indem sich jemand „mit Todesverachtung“ in die angstbesetzte Situation hinein begibt und solcherart erlebt, dass sie in Wirklichkeit harmlos und zu bewältigen ist. Es geht hierbei nicht um eine Aufforderung zum Leichtsinn, sondern darum, dasjenige, was Unseres ist, weil es unseren Talenten und Fähigkeiten entspricht, ungehindert leben zu können.
Analoges gilt für die Suchtkrankheiten. Welches Therapiekonzept man immer sich ausdenken mag, letztlich muss auch der Süchtige „springen“, hineinspringen in die Abstinenz, und dies von einem extrem ho-hen „Turm“. Entsprechend tief fällt er in die Entzugserscheinungen, die ihn schütteln und beuteln. Laut übereinstimmenden Aussagen von Betroffenen ist die Entgiftungs- und Entwöhnungsphase „schlimmer als der Tod“. Dennoch ist sie der einzige Weg zur „Erlö-sung“ von einem ganz und gar menschenunwürdigen Dasein in ständigem Drang nach dem Suchtmittelkonsum.

Einem „Bösewicht“ die Hand reichen

Ein weiteres Beispiel liefern uns jene Personen, die mit anderen Personen verfeindet sind. Feindschaft und Hass zermürben die Seele und münden stets ein in Elend und Gewalt. Feindschaft erzeugt ungeheure Leidspiralen, weil jeder der Beteiligten seine Widersacher, von denen er Leid empfängt, wiederum leiden lässt. Jeder ist dann Opfer und Täter zugleich, und keiner kommt von diesen Bürden mehr frei – es sei denn, er „springt“. Wo hinein? In die Liebe. In die Güte. In die Barmherzigkeit. Vielleicht ist dies das tiefste Wasser, in das ein Mensch sich überhaupt hinein wagen kann, wider alle Vernunft und gegen jegliches Gefühl. Es ist völlig unlogisch, einem „Bösewicht“ die Hand zu reichen. Es ist gegen jedes Gerechtigkeits- und Rachegefühl in uns, zu vergeben. Die Vorleis­tung, die zu erbringen wäre, ist so gewaltig, dass uns der Atem stockt. Und dennoch beinhaltet sie die einzige nachhaltige Chance zur Erringung eines dauerhaften Friedens.

Wer auf das „Wie du mir, so ich dir“ verzichtet und dem Gegner mit aufrichtiger Wertschätzung begegnet, wird aus dem dunkelsten Grund des Malstroms, von dort, wo fast alle kulturellen und sozialen Werte bereits zersplittert sind, wieder geborgen und emporgetragen ans Licht. Es gibt zwar keine Garantie, dass sein Gegner mitmachen wird, aber die Leidspirale ist aufgebrochen und der Hass entmachtet. Eine Seele, die nicht mehr hasst, ist „erlöst“.

Einen geistigen „Sprung“ vollführen

Fragen wir, was uns Menschen instand setzt, dergleichen Heldentaten zu vollbringen? Was erlaubt uns, unseren Ängsten zu trotzen, unseren Süchten zu entrinnen, unsere Feinde zu achten, kurz, unser Leben mitsamt seinen vielen Schwierigkeiten dennoch sinnvoll zu gestalten? Nun, uns wohnt der Geist inne, wie der weltweit anerkannte Wissenschaftler, Psychiater und Neurologe Viktor Frankl sich nicht gescheut hat, zu betonen. Wir sind Tiere und zugleich unendlich viel mehr als Tiere. Wir sind von äußeren Umständen und inneren Prägungen bedingt, und zugleich die Wesen, die sich ihren Bedingungen stets „irgendwie“ entziehen können. Und wir sind nicht ohne Weisung, wann es gilt, sich zu „entziehen“ und einen geistigen „Sprung“ zu vollführen, weil alles andere Kapitulation oder Stagnation wäre. Wir haben ein grandioses Vorbild. Ein divines Vorbild. Ein Vorbild, auf das wir in den Ostertagen – besonders – schauen. Dr. Elisabeth Lukas

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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