Komponist der "St. Pöltener-Messe"
Johann Pretzenberger – ein Prälat an der Orgel

Johann Pretzenberger am Spieltisch der "alten" Domorgel. | Foto: Bildarchiv Kirche bunt
2Bilder
  • Johann Pretzenberger am Spieltisch der "alten" Domorgel.
  • Foto: Bildarchiv Kirche bunt
  • hochgeladen von Kirche bunt Redaktion

Der Todestag Johann Pretzenbergers, eines der prägendsten Kirchenmusiker unserer Diözese, jährt sich am
15. November zum 50. Mal. Noch heute singt man in der Liturgie oft Melodien aus der Feder dieser großen Musikerpersönlichkeit. Ein Blick auf eine außergewöhnliche musikalische Karriere, die ihren Ausgang in der Not der Nachkriegszeit nahm.

Warum sind sie so ein Musicus?! Das entscheidet vielleicht Ihren ganzen Zukunftsweg, es ist jedenfalls voluntas Dei [der Wille Gottes], ergo kommen Sie ohne Widerrede, ja gehen Sie gerne und willig, es ruft Sie Ihr Bischof“, prophezeite Ordinariatskanzler Karl Forstner dem jungen Priester Johann Pretzenberger, als er diesem in einem Brief mitteilte, dass er sein geliebtes Ybbstaler Gebirge gegen die Bischofsstadt St. Pölten eintauschen musste. Tatsächlich war es aber weniger das musikalische Talent des Kaplans, sondern vielmehr die Not der Nachkriegszeit, die Pretzenberger eine unvergleichliche kirchenmusikalische Karriere ermöglichte.

Die St. Pöltner Dommusik war durch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen schwer geschwächt: Das Sängerknabeninstitut musste aufgrund von Geldmangel geschlossen werden, die Chorsänger beendeten aufgrund der geringen Gehälter ihren Dienst und 1923 streikte schließlich auch der Domorganist und wurde deshalb entlassen. Kurz darauf ging noch dazu der Chorleiter in Pension, was mehr oder weniger das Aus für die Dommusik bedeutete. Aufgrund der misslichen finanziellen Lage konnte man keinen neuen dauerhaften Organisten fest anstellen. Als einzige Möglichkeit erschien die Bestellung eines des Orgelspiels fähigen Priesters, der gleichzeitig noch eine andere, besoldete Tätigkeit in der Diözese übernehmen sollte. Die Wahl fiel auf den jungen Kaplan Johann Pretzenberger, den man mit 1. Jänner 1924 offiziell als Domorganisten und zugleich als Mitarbeiter im Bischöflichen Ordinariat anstellte.

Pretzenberger wurde am 18. November 1897 in Purgstall als Sohn eines Handwerkers geboren. Er besuchte das Stiftsgymnasium Seitenstetten und wurde 1916 noch als Schüler zum Militärdienst einberufen. Schon dort konnte er seine musikalischen Fähigkeiten als Organist in diversen Garnisonskirchen sowie in der Militärmusik unter Beweis stellen. Nach seiner Heimkehr absolvierte er 1918 die Kriegsmatura und trat ins St. Pöltner Priesterseminar ein. Schon damals versah er aushilfsweise Orgeldienst in der Domkirche. 1922 wurde er zum Priester geweiht und diente als Kaplan zuerst in Ulmerfeld und später in Hollenstein. Den Wunsch, nach Göstling an der Ybbs zu wechseln, lehnte man aufgrund seiner Berufung als Domorganist ab.

Herausforderungen für einen Neueinsteiger

Angekommen in St. Pölten galt es sogleich große Herausforderungen zu meistern: Dompfarrer Michael Memelauer, der erst seit 1917 im Amt war, hatte bereits vor dem Eintreffen Pretzenbergers mit den Planungen für die Errichtung eines Dommusikvereins, der die finanziellen Missstände ausgleichen sollte, begonnen. Mit der Unterstützung des neuen Organisten konnte die Konstituierung des Vereins schließlich am 8. März 1925 vorgenommen werden. Im April 1924 war auch der Chorleiter der Dommusik ausgeschieden, weshalb Pretzenberger zusätzlich das Amt des Domkapellmeisters übertragen wurde.

Neben dem Dom- und Kanzleidienst belegte Pretzenberger außerdem ein Studium an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst beim Klosterneuburger Stiftsorganisten Vinzenz Goller. Dieser hatte sich ganz der volksliturgischen Bewegung des Chorherrn Pius Parsch verschrieben, die die Beteiligung des Volkes in der Liturgie durch stärkere Verwendung der deutschen Sprache sowie den Ausbau der liturgischen Volksgesänge anstrebte.

Pretzenberger konnte das von Goller erhaltene volksliturgische Gedankengut verstärkt auch im St. Pöltner Dom verwirklichen – vor allem, da auch Dompfarrer Memelauer diesem gegenüber sehr aufgeschlossen war. Als Michael Memelauer dann im Jahr 1927 zum Bischof von St. Pölten ernannt wurde, nahmen die volksliturgischen Reformen in der Diözese einen rasanten Aufschwung: 1930 wurde ein neues Orgelbuch für die neuen musikalischen und liturgischen Erfordernisse herausgegeben, 1935 das neue Volksgebetbuch „Heiliges Volk“ erstellt, 1937 dazu passend das Volksandachtsbuch „Volk vor Gott“ sowie 1941 das „Deutsche Vesperbuch“. Einen volksliturgischen Meilenstein stellte die 1939 herausgegebene deutsche Fronleichnamsfeier dar, die erstmals 1938 in der St. Pöltner Domliturgie erprobt worden war. 1956 veröffentlichte Pretzenberger ein Heft für die Mitfeier der Gläubigen in der Karwochenliturgie, deren Ziel nicht in hergebrachten Formen der Volksfrömmigkeit lag, „sondern in der aktiven Mitfeier der weltumspannenden kirchlichen Liturgie“, wie der Herausgeber im Vorwort betonte.

„Pretzenbergers Orgelspiel war von der technischen Seite sicher nicht so professionell, wie das Spiel der Virtuosen, die heutzutage im kirchlichen Bereich Dienst tun, aber sein Spiel verführte.“

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 fürchtete man die Beschlagnahme des Kirchenvermögens. Daher konnte Pretzenberger Bischof Memelauer davon erzeugen, die liquiden Mittel – bevor sie konfisziert werden konnten – in einen Umbau der Domorgel zu investieren. Die 1902 errichtete Domorgel war ohnehin in keinem guten Zustand und bedurfte einer Restaurierung. Bei dieser Gelegenheit wurde außerdem zusätzlich zum Spieltisch auf der Empore ein zweiter im Chorgestühl des Domes eingebaut. Für Pretzenberger war die Möglichkeit, vom Altarraum aus die Orgel zu spielen, ein riesiger Fortschritt, denn für ihn gehörten Liturgie und Musik eng zusammen. Nachdem am 1. April 1964 der durch den Sturz eines Barockengels zerstörte Spieltisch auf der Empore durch den neueren Spieltisch ersetzt werden musste, bedauerte es Pretzenberger sehr, dass er nicht mehr im Altarraum spielen konnte.

Pretzenberger widmete sein Orgelspiel vor allem der liturgischen Improvisation. Der gebürtige St. Pöltner und spätere Organist der Wiener Schottenkirche, Richard Prilisauer, erinnerte sich im Jahr 1989: „Pretzenbergers Orgelspiel war von der technischen Seite sicher nicht so professionell, wie das Spiel der Virtuosen, die heutzutage im kirchlichen Bereich Dienst tun, aber sein Spiel verführte. [...] gar erst bei den bischöflichen Gottesdiensten, wenn Memelauer, wie damals üblich in der cappa magna durch das Kirchenschiff einzog, da verkündete Pretzenberger von der Orgel her jene Festtagsfreude, die wir heute [...] vermissen.“
Großen Wert legte Pretzenberger außerdem auf die Ausbildung der Kirchenmusiker in den Pfarren. 1932 gründete er deshalb eine Kirchenmusikschule, aus der später das heutige Diözesankonservatorium für Kirchenmusik hervorging.

Für sein Wirken wurden Pretzenberger zahlreiche kirchliche und zivile Ehrungen zuteil: 1935 Ernennung zum bischöflichen Konsistorialrat, 1942 zum päpstlichen Geheimkämmerer, 1951 Verleihung des Titels „Professor“ durch den Bundespräsidenten, 1961 Ernennung zum päpstlichen Hausprälaten.

Ende einer Ära

Johann Pretzenberger beendete 1967 seinen Dienst und verstarb am 15. November 1973, nur fünf Tage nach der Weihe der neuen Domorgel in St. Pölten, die nicht mehr im Sinne Pretzenbergers konzipiert war, da man sich inzwischen neuen Idealen verschrieben hatte. Die beiden Ereignisse – der Tod des Ausnahmemusikers sowie die Errichtung der neuen Domorgel – markierten gewissermaßen den Übergang in ein neues Zeitalter der Kirchenmusik in der Diözese St. Pölten.

Die kirchenmusikalischen Idealvorstellungen mögen sich seit der Ära Pretzenberger gewandelt haben, doch bleibt das Andenken an den großen Prälaten aufrecht: Noch heute erklingen in vielen Pfarren die Kompositionen des Meisters, von denen sich auch im neuen Gotteslob noch einige befinden – allen voran natürlich die im Volksmund „Pretzenberger-Messe“ genannte „St.-Pöltener-Messe“ (Gotteslob Nr. 713).  Felix Deinhofer

Johann Pretzenberger am Spieltisch der "alten" Domorgel. | Foto: Bildarchiv Kirche bunt
Johann Pretzenberger 1967 an seinem 70. Geburtstag | Foto: Diözesanarchiv St. Pölten
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ