Zeit für meinen Glauben
Essensausgabe mit Mundschutz und Handschuhen

„Anders als sonst in der Wärmestube bekommt jetzt jeder Gast corona-bedingt einen Platz zugewiesen: Nur zwei Leute pro Heurigenbank ohne Gegenüber. Das Essen wird mit Schutzmaske und Handschuhen serviert.“   | Foto: Sandra Lobnig
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Kurt Roth bewirtet mit seinem Team der Pfarr-Caritas auch weiterhin – trotz Corona – Gäste der Wärmestube in der Pfarre Stadlau.

Wir konnten nicht einfach sagen, wir schließen. Also haben wir überlegt, was wir tun können. Denn irgendwas muss man doch tun.“ Als am 10. März die Caritas-Wärmestube in der Pfarre Stadlau coronabedingt ihren Betrieb einstellen muss, ist Kurt Roth fest entschlossen, mit seinem Team weiterhin für die da zu sein, die jede Woche zum essen und plaudern kommen.

Menschen, die obdachlos sind, die in Notunterkünften leben, die zu Hause nicht richtig heizen können, weil ihnen sonst kein Geld mehr für Lebensmittel bleiben würde. Statt einer ausgedehnten Wärmestube im eigens dafür eingerichteten Wohnzimmer der Pfarre organisiert Kurt, der seit 2017 die Pfarr-Caritas in Stadlau leitet, einen eingeschränkten Betrieb. „Bis Ende April haben wir jeden Dienstag von elf bis dreizehn Uhr dreißig geöffnet. Es gibt eine Essensausgabe im Freien, das Wetter hat bis jetzt super mitgespielt, alle fühlen sich wohl“, schildert Kurt.

Anders als im regulären Betrieb der Wärmestube bekommt jeder Gast einen Platz zugewiesen – nur zwei Personen pro Heurigenbank ohne Gegenüber. Das Essen wird serviert, die Helfer tragen Schutzmasken und Handschuhe. Kurt freut sich, dass sich viele junge Leute zur ehrenamtlichen Mitarbeit gemeldet haben. „Unsere Mitarbeiter in der Wärmestube sind sonst großteils über sechzig, also haben wir jüngere gesucht. Wir sind jetzt zwölf Leute mit einem Durchschnittsalter von fünfunddreißig“, erzählt Kurt, der mit knapp über sechzig einer der ältesten im Team ist.

Flüchtlingsbetreuung am Hauptbahnhof

Dass Kurt einmal die Verantwortung der Pfarr-Caritas übernehmen würde, hätte sich der pensionierte Bankangestellte nicht gedacht. In der Pfarre ist anfangs die Liturgie seine große Leidenschaft, bis er von der damaligen Caritas-Verantwortlichen angesprochen wird, ob er nicht einmal in die Caritas-Arbeit hineinschnuppern möchte. Er will.

Lebensverändernd ist für Kurt schließlich die große Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Er erinnert sich genau: „Wir waren damals auf Urlaub, sind am Sonntag heimgekommen, und am Montag hat es mich dann auf den Hauptbahnhof gezogen. Dort bin ich zur Caritas-Stelle und habe mich als Freiwilliger gemeldet.“

Zwei Wochen lang hilft Kurt in der Flüchtlingsbetreuung, ist beeindruckt von der guten Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Hilfsorganisationen und tief bewegt vom Schicksal der Menschen. „Ich habe gesehen, was für Auswirkungen der Krieg auf Menschen hat. Wir haben am Nachmittag mit den Kindern gespielt, es war lustig. Aber die Nacht war für die Leute die Hölle. Viele haben geschrien, hatten Schüttelfrost und haben erbrochen – es war fürchterlich.“

Setz’ mich gern dazu

Sein Engagement in der Pfarr-Caritas ist für Kurt „nicht irgendeine Arbeit, sondern eine der wichtigsten Sachen überhaupt.“ Was er an der Wärmestube besonders mag: sich mit denen unterhalten, die kommen. „Die Leute erzählen sehr gern, und ich bin einer, der sich gern dazusetzt.“

Ein Gespräch ist ihm in besonderer Erinnerung: „Ein Mann hat eine halbe Stunde geredet, viel über die Bibel geschimpft und dann gemeint: Aber an den Herrgott glaub ich trotzdem. Zum Schluss hat er noch gesagt: Ich weiß, dass ich viel Blödsinn geredet hab‘, aber mir hört halt sonst niemand mehr zu“.

Kurt weiß, dass die Gäste in die Wärmestube nicht nur wegen des guten Mittagessens, wegen Kaffee und Kuchen kommen, sondern auch weil sie sich wohl und angenommen fühlen. So soll es sein, sagt er: „Herzenswärme geben - das ist auch Wärmestube.“

„Anders als sonst in der Wärmestube bekommt jetzt jeder Gast corona-bedingt einen Platz zugewiesen: Nur zwei Leute pro Heurigenbank ohne Gegenüber. Das Essen wird mit Schutzmaske und Handschuhen serviert.“   | Foto: Sandra Lobnig
Kurt Roth: „Die Leute erzählen sehr gern, und ich bin einer, der sich gern dazusetzt – auch Herzenswärme ist wichtig.“
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Autor:

Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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