Mutworte - Christa Carina Kokol
"Schwimmen" im unendlichen Mehr

Wo ist Gott, wenn wir verlassen, enttäuscht, mit unseren Kräften am Ende sind? Wir können ihn weder sehen, noch hören – oft nicht einmal spüren. Die Aufmerksamkeitsstörung Neglect zeigt: Es kommt nicht nur darauf an, was wir sehen, hören oder spüren, sondern auf das, was unser Gehirn daraus macht. Auch gesunde Menschen nehmen nur den geringsten Teil des Lebens bewusst wahr. Gehen drei Menschen durch dieselbe Straße, erkennt jeder andere Aspekte. Das, was wir mit Realität meinen, ist unsere subjektive Interpretation der Dinge. Und wie sollen wir dann menschlich Unbegreifbares – da jenseits von Zeit und Raum – erfassen können?
In einer Universum-Doku waren Wasservögel zu beobachten – auch Baumbrüter. Noch bevor alle Küken geschlüpft sind, verlässt die Mutter das Nest und entschwindet den Blicken der Jungen. Während sich die Kleinen – der Mutter nach – verzweifelt in die Tiefe stürzen, stockt mir als Zusehende der Atem. Was ich nicht sehe: Die Mutter lässt ihre Küken nicht aus den Augen. Sie landen dort, wo sie sofort schwimmen, tauchen und Fische fangen können. Bliebe die Mutter im Nest, müssten die Vögel mit der Zeit verhungern und würden die Freude und Schönheit ihres eigentlichen Daseins nie erfahren.
Mariä Himmelfahrt, Fest des Vertrauens, dass wir in aller Ungewissheit der Zeit in einem letzten Sinn zu unserer einzigartigen Ganzheit gelangen, um in einem unendlichen Mehr zu „schwimmen“.

Christa Carina Kokol
ist dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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