Bildung
Die Verbindung mit sich selber wachsen lassen

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Pater Anselm Grün, Jan-Uwe Rogge und Walter Prügger berührten am 1. und 2. März bei zwei Veranstaltungen des Bildungsforums Mariatrost im Kulturzentrum bei den Minoriten existenzielle Fragen des Menschseins. Im Fokus standen Selbstwerdung und spirituelle Erziehung.

Was unterstützt Menschen im Prozess des Wandels, im Prozess der Selbstwerdung? Große Fragen brauchen tragfähige Antworten. P. Anselm Grün, OSB., der erfolgreichste deutschsprachige Autor spiritueller Werke, versteht es, solche zu geben. Davon zeugte der ausverkaufte Große Minoritensaal, den am Abend des 1. März auf Einladung des Bildungsforums Mariatrost mehr als 300 Zuhörerinnen und Zuhörer füllten, und der von 150 Personen besuchte Bildungsvormittag am nachfolgenden Samstag.

„Im Wandel wachsen. Wie wir freier, gelassener und hoffnungsvoller werden können“ lautete der Titel des Vortrags- und Gesprächsabends mit P. Anselm Grün. Basierend auf seinem gleichnamigen Werk legte der Referent dar, dass ein Leben ohne Wandlung Stagnation bedeute. Erst das Annehmen des ständigen Wandels ermögliche es, immer authentischer zu werden, aus der eigenen Mitte heraus zu leben, so wie Gott den Menschen eigentlich gedacht habe.

Wandlung geschieht oft durch Krisen
Pater Anselm Grün

Dieser lebenslange Prozess, der mit der Geburt beginne und mit dem Tod die letzte große Stufe erreiche, bedeute nicht Selbstoptimierung. Es gehe nicht darum, die Erwartungen anderer zu erfüllen oder eine Rolle zu spielen. Wandel – christlich gesprochen Verwandlung – befähige dazu, das eigene Selbst Schritt für Schritt zum Vorschein zu bringen. P. Anselm ermutigte dazu, den Satz „Ich bin ich selbst“ immer wieder bewusst zu memorieren.

Pater Anselm Grün betonte die Kraft von Ritualen. Erziehungsexperte  | Foto: Gerd Neuhold - Sonntagsblatt für Steiermark
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Leben ist Verwandlung
Sich zu wandeln, sei eine Herausforderung für jeden Menschen. Oft würden Lebenskrisen, etwa eine Krankheit oder Trennung, einen Anstoß für inneren Wandel bieten. Wenn es gelinge, aus der Opferrolle herauszugehen und die Herausforderung, die das Leben stellt, anzunehmen, könne Neues aufblühen, so P. Anselm. Drei Aspekte könnten den Prozess der Verwandlung unterstützen: Begegnung – mit Gott und den Menschen, Schönheit – die Ausrichtung auf etwas außerhalb von mir, und Rituale – diese würden eine heilige Zeit schaffen und Sicherheit geben.

Kathrin Karloff (r.), Leiterin des Bildungsforums Mariatrost mit Walter Prügger (l.), Leiter des Ressorts Bildung, Kunst & Kultur. | Foto: Neuhold
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Verstehen statt bewerten
Wie alles im Leben seien auch Partnerschaften beständig im Wandel. Sie benötigten Verwandlung, um lebendig zu bleiben. Damit Beziehungen gelingen, brauche es die Bereitschaft, Vorstellungen davon, wie der Partner bzw. die Partnerin sein sollte, loszulassen. Aus der Wertung, etwa im Hinblick auf ein bestimmtes Verhalten, herausgehen und ins Verstehen hineingehen – dies ist nach P. Anselm das Erfolgsrezept jeder gelingenden Partnerschaft.

Durch den tiefsinnigen Vortrags- und Gesprächsabend führte die langjährige ehemalige Referentin des Bildungshauses Mariatrost, Ingrid Zechner. Kathrin Karloff, die Leiterin der Nachfolgeinstitution Bildungsforum Mariatrost, würdigte Ingrid Zechner für ihr mehr als 35-jähriges Wirken in der Erwachsenenbildung. Die Eröffnungsworte sprach Walter Prügger, Leiter des diözesanen Ressorts Bildung, Kunst & Kultur und des
Bischöflichen Amtes für Schule und Bildung.

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Spiritualität und Erziehung
Unter diesem Motto stand der zweite Teil der Veranstaltung am 2. März, durch den Kathrin Karloff die 150 Besucherinnen und Besucher moderierend begleitete. P. Anselm eröffnete den Vormittag mit einem Vortrag unter dem Titel „Wie spirituelle Erziehung Kinder und Eltern stärkt“. Drei Grundhaltungen bzw. Kraftquellen erachtet er für das Gelingen einer spirituell ausgerichteten Erziehung als wesentlich: Glaube – an Gott und an das Gute im Kern jedes Menschen, Hoffnung – darauf, dass jedes Kind seinen Weg finde jenseits aller Erwartungshaltungen, und Liebe – die sich in Verbundenheit ausdrücke, die Selbstfürsorge mitbedenke und die jeden Tag eingeübt werden wolle.

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Unter dem Titel „Spirituelle Erziehung mit Herz, Humor und Vertrauen“ stand der Vortrag des Erziehungsexperten und Familienberaters Jan-Uwe Rogge. Die Ermunterung zum gemeinsamen Lachen in der Familie und darüber hinaus blieb nicht nur theoretischer Natur. Rogges humorvoll zur Sprache gebrachten Denkanstöße und Praxisbeispiele brachten das Publikum immer wieder zum Schmunzeln und herzhaften Lachen.

Kinder sind Weisheitslehrer.
Jan-Uwe Rogge

Erziehung ist nach Jan-Uwe Rogge nicht Vorbereitung auf das Leben, sondern Begleitung der Kinder ins Leben. Sie sei zudem eine Haltung, die Dankbarkeit und Demut umfasse. Am treffendsten kommt für Rogge diese Haltung im neutestamentlichen Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. barmherzigen Vater zum Ausdruck (Lk 15,11–32): Aus diesem spreche Herzensweisheit, der Grundsatz ‚Umwege erhöhen die Ortskenntnis‘ und Vertrauen in Gott.

Jan-Uwe Rogge ermunterte zum gemeinsamen Lachen in der Familie.
 | Foto: Neuhold
  • Jan-Uwe Rogge ermunterte zum gemeinsamen Lachen in der Familie.
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Religionssensible Bildung
Ein auf aktuelle Entwicklungen eingehendes Podiumsgespräch, an dem die beiden Referenten sowie Walter Prügger teilnahmen und das von Kathrin Karloff moderiert wurde, rundete die Veranstaltung ab. Wie Prügger in seinem Eingangsstatement betonte, sei es Anliegen des Schulamtes, Kindern eine religionssensible Bildung mitzugeben, die es heute individuell und neu zu buchstabieren gelte. Rogge wies darauf hin, wie wesentlich das Wissen um Entwicklungsdynamiken und die Einzigartigkeit jedes Kindes sei. P. Anselm strich die heilsame Kraft von Ritualen für Kinder, etwa eines Segensrituals am Morgen, heraus.

Stille und Geschichten
Momente der Stille in den Schulalltag zu integrieren, erachtet Prügger als wesentlich für spirituelle Erziehung. Darüber hinaus wiesen die Referenten darauf hin, welch große verwandelnde Kraft Geschichten für Kinder besäßen, gerade in Zeiten der Krise.

Nachdenklich Machendes, Stärkendes, Humorvolles und vor allem die spirituelle Verbundenheit, die das Ritual P. Anselms am Vortragsabend erspüren ließ, klingen weiter in mir nach.

Edith Petschnigg

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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