Glaube
Was Beten sein kann

Das Empfinden für den Raum, in Gottes Gegenwart zu leben, eröffnet das Beten. | Foto: Goda
  • Das Empfinden für den Raum, in Gottes Gegenwart zu leben, eröffnet das Beten.
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Prominente und ihr Zugang zum Spirituellen.

Der britische Musiker und Komponist Sting, katholisch erzogen, meditiert und betet oft. Dazu brauche er nicht die Kirche. „Immer wenn ich Musik spiele, nähere ich mich einem Zustand der spirituellen Erfüllung an. Das ist meine Religion.“ Allerdings liebt es der Brite, in Kirchen aufzutreten. Gern würde er auch einmal im Kölner Dom oder in Notre Dame spielen.

Eine für manche gewöhnungsbedürftige Art des Betens beschreibt der italienische „Neujahrskonzert-Dirigent“ Riccardo Muti, für den Musizieren wie Beten ist. Die Italiener, so berichtet er, sprächen direkt zu Gott und den Heiligen – wie zu realen Personen und auf Augenhöhe. „Wir beleidigen sie auch.“
Die Zeitung „Welt am Sonntag“ hat zum Osterfest zwölf prominente Personen zu ihrem Verständnis vom Beten befragt. Und zeigt dabei, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sind. Der emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes braucht feste Rituale: „Ich merke an mir, dass ich mich festlegen muss. Wenn ich mich auf meine Spontaneität verlasse, unterbleibt das Gebet.“ Die Franziskanerin Katharina Ganz betont zugleich das spontane Gebet im Alltag, zwischen Tür und Angel: „vor einer wichtigen Sitzung, vor einer schwierigen Besprechung, wenn ich eine Treppe steige, bevor ich eine Tür öffne“. Für den Münchner Kardinal Reinhard Marx gehört „Beten zu meinem Leben wie Essen und Trinken oder wie Atmen“.

Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist das Gebet nach dem Tod seiner Mutter wieder fester Bestandteil seines Lebens geworden. TV-Nachrichtensprecher Constantin Schreiber tut sich dagegen schwer mit der Vorstellung, über Gebete eine Verbindung zu Gott aufzubauen. „Für mich sind Momente der Spiritualität bisher vor allem bestimmte Naturerlebnisse.“

Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe würde sich selbst nicht als stille Beterin bezeichnen. Sie bevorzugt eher das – aus voller Kehle mitgesprochene – gemeinschaftliche Gebet oder den Gesang. Vertraut ist der Büchnerpreisträgerin allerdings das Stoßgebet als Hilferuf oder Bannformel: „Ich bin klaustrophobisch, und wenn ich in einem Fahrstuhl steckenbleibe, hilft nur noch Beten“, sagt sie. „Ein Arzt würde sagen: Einatmen, ausatmen, bis Hundert zählen. „Ich dagegen bete das Vaterunser, bis der Techniker kommt.“

„Es versteht sich von selbst, dass ich nicht mit Jeans und offenem Hemd vor Gott trete – weder in der Kirche, noch zu Hause.“ Der Textilunternehmer Wolfgang Grupp wahrt auch beim Beten die modische Etikette. Jeden Morgen zieht er sich in die hauseigene Kapelle unterm Reetdach zurück, um sich zu besinnen, Dank zu sagen und der Verstorbenen seiner Familie zu gedenken.

Einig sind sich die meisten Befragten: „Das Gebet ist kein Freifahrtschein“, wie Söder formuliert. Daher sollte man damit auch keine konkreten Erwartungen an Gott verknüpfen. Und auch Kardinal Marx betont: Gott dürfe nicht als Problemlöser oder Talismann herhalten. Das Gebet öffne den Raum für das Empfinden, in Gottes Gegenwart zu leben.

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, empfindet durchaus, dass er beim Beten eine Antwort bekommt. Gottes Gegenwart könne über Ratlosigkeit hinaushelfen. „Für andere zu beten hilft, sich in die Schuhe des anderen zu stellen.“

Christoph Arens

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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