Niederösterreich | Kirche bunt - Serien

Beiträge zur Rubrik Serien

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 12
Abbé Pierre

Herrlichkeit und Elend der Kirche Wenn man einen Blick auf die lange Geschichte der Kirche wirft, auf die zwanzig Jahrhunderte, die seit Jesu Tod verflossen sind: Wie kann man da nicht zwei Linien unterscheiden, die einander völlig widersprechen? Einerseits einige skandalöse Päpste, Zwangsbekehrungen, die Scheiterhaufen der Inquisition, die Exzesse der Kreuzzüge, alle Kompromisse mit weltlichen Machthabern etc., doch anderseits eine leuchtende Botschaft, das Evangelium, das dank der Kirche...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 11
Abbé Pierre

Gott sei Dank sind doch viele, die behaupten, mit Religion nichts zu tun haben zu wollen, in Wirklichkeit „Söhne Gottes“, weil sie Machtlose vor den Machthabern in Schutz nehmen. Selbst wenn sie weder mit Pfarrern noch mit Kirche noch mit dem Credo etwas anzufangen wissen, aber ihr Leben für die Verteidigung der Würde und der Rechte der gesellschaftlich Schwächsten einsetzen, dann sind gerade sie es, die das Himmelreich auf Erden bauen. Das ist das Evangelium, und darin besteht alle christliche...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 10
Abbé Pierre

Wenn meine Gefährten auf den Glauben zu sprechen kommen, kommt es oft vor, dass sie mich fragen: „Was ist denn ‚Gott‘“? Gewöhnlich gebe ich ihnen in etwa zur Antwort: „Erinnere dich daran, wie du eines Tages todmüde zu uns heimkamst. Es war frostig kalt, du hattest nichts im Magen und brachtest für unsere Emmaus-Gemeinschaft auch gar nichts mit. Den ganzen langen kalten Tag hatten wir mit dem Tapezieren einer kläglichen Man­sarde verbracht, um für ein paar verlotterte Greise eine einigermaßen...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 9
Abbé Pierre

Nach meiner Priesterweihe durfte ich mehrere Monate am Institut Catholique in Lyon einige Kurse besuchen. Einer meiner damaligen Lehrer war Henri de Lubac. Er war es, der auch bei meiner Primiz assistierte, und er blieb bis zu seinem Tod, kurz nachdem er 1983 zum Kardinal erhoben worden war, mein Seelenführer. Im Jahr nach meiner Weihe wurde ich wieder von meiner Krankheit heimgesucht, und die Ärzte verschrieben mir Gebirgsaufenthalt. De Lubac und andere rieten mir, Rom um Dispens vom Orden und...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 8
Abbé Pierre

Bei den Pfadfindern gab man mir den Namen „Meditierender Biber“. Seltsam, dass junge Teenager, die um das Lagerfeuer hockten und vorgeschlagene Totemnamen guthießen oder verwarfen, genau diese beiden Bezeichnungen für mich wählten. Der Biber ist das Tier, das sich ein Haus baut, während ich ein Leben lang für menschenwürdiges Wohnen kämpfen sollte. Und Meditation war tatsächlich einer meiner Charakterzüge. Meditation und später Anbetung haben immer meine ganz praktische Handarbeit wie das Bauen...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 7
Abbé Pierre

Mit sieben oder acht Jahren aß ich einmal heimlich Konfitüre. Als der Mangel entdeckt wurde, verdächtigte man einen meiner Brüder, und ich hütete mich, mich als der wirkliche Täter zu stellen. Als man aber schließlich doch auf mich kam, wurde mir verboten, am nächsten Familienfest draußen am Fluss teilzunehmen. Dieses regelmäßige Treffen mit all unseren sehr wohlhabenden Cousins war immer eine äußerst tolle Sache, denn sie hatten stets die neuesten noch nie gesehenen Spielzeuge. Als am Abend...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 6
Abbé Pierre

Als ich damals jene Tafel an den Garteneingang hängte, konnte ich ja keine Vorstellung haben von dem, was daraus nach kurzer Zeit werden sollte. Denn anstelle der Jugend waren alsbald alle Betten, eins nach dem andern, von Leuten belegt, die von schlimmsten Enttäuschungen verbittert waren, von Leuten aus zerbrochenen Ehen und Familien, Strafentlassenen, im Stich gelassenen Müttern mit ihren Kindern, verbummelten Alkoholikern … Was für ein herrliches Wunder, in einem Haus Zuflucht zu finden, das...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 5
Abbé Pierre

Damals stellte ich etwas Eigenartiges im Leben dieser Jugendlichen fest: Sie alle freuten sich über das Ende des Weltkriegs, doch die tiefsinnigsten unter ihnen, ob von den Sieger- oder Verlierernationen, waren besorgt und zweifelten an einem Sinn des Lebens. Das war die Zeit, da man die Schrecken erregenden Konvois aus den Vernichtungslagern der Nazis zu Gesicht bekam. Ich erinnere mich an ein junges Mädchen, das als Freiwillige des Roten Kreuzes in einem großen Pariser Hotel, das als...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 4
Abbé Pierre

Welches war die erste Familie, für die ich eine Unterkunft baute? Eines Tages kommt eine Mutter mit drei Kindern, einem Großvater und – zwei Papas! Sie erklären mir, dass sie aus ihrer leer stehenden Wohnung geworfen wurden, wo sie bislang als Hausbesetzer in ständiger Unsicherheit gelebt hatten. Provisorisch brachte ich sie in meinem großen Haus unter, das ich in eine Jugendherberge verwandelt hatte. Es waren Weihnachtsferien und es schneite. Die Herberge war voller Deutscher, Engländer,...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 3
Abbé Pierre

Es war nach Kriegsende, als ich Parla­ments­abgeordneter war. Eines Morgens ruft mich jemand an: „Drei Kilometer von hier will sich einer das Leben nehmen. Kommen Sie sofort, sonst versucht er es ein zweites Mal!“ Ich fand einen total ruinierten Menschen. Er erzählte mir sein Leben. Es glich tatsächlich einem Roman. Seine Mutter war eine einfache Hausfrau gewesen. Eines Tages ruft sie ein Notar an und erklärt ihr: „Madame, ein alter Herr, dem Sie den Haushalt machen, hat Sie als Alleinerbin...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 2
Abbé Pierre

Eine weitere dramatische, wenn auch weithin bekannte Erinnerung: Im Zuge der Kampagne, die wir um menschenwürdige Behausungen führten, kämpften wir für einen Kredit von einer Milliarde alter Francs für den Bau von Notunterkünften im harten Frostwinter 1954. Die Regierung antwortete mit einer weiteren Vertröstung auf später. Noch am selben Tag erfror ein Baby und die Nacht darauf auf offener Straße eine alte Frau, die man abends wegen Nichtbezahlung der Miete aus ihrer Mansarde gejagt hatte. Das...

  • 17.01.20

Memoiren eines unbeugsamen Christen, Folge 1
Abbé Pierre

Freude unter Tränen Vergangenen Sommer erhielt ich von einem Unbekannten einen Brief: „Ich leide unter Suizidgedanken. Ich habe keinerlei Kenntnis von einer spirituellen Welt oder Realität. Bevor ich meiner Versuchung zum Opfer falle, möchte ich Sie um eine Begegnung bitten. Erzählen Sie mir einfach etwas von den Freuden Ihres Lebens.“ Groß war meine Verlegenheit. Gewiss hatte ich wie jedermann simple Freuden gekostet. Als man mich während der sechs Jahre meines Kapuzinerlebens aufforderte zu...

  • 27.12.19

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