Domkapellmeister Kunert
Kirchenmusik ist eine Art "spirituelle Tankstelle"

Valentin Kunert studierte Dirigieren und Kirchenmusik an den Hochschulen für Musik in Köln, Detmold und Stockholm. Nach Engagements als musikalischer Leiter während des Studiums begann der gebürtige Rheinländer 2015 seine Laufbahn als Kapellmeister, die ihn als Stellvertretenden Musikdirektor an den Friedrichstadt-Palast Berlin führte. Von 2019 bis 2022 war 
er als Domkantor am Dom zu Wetzlar tätig. Seit 1. September 2022 ist er als Domkapellmeister am Dom zu Sankt Pölten ätig. 
		      | Foto: zVg
  • Valentin Kunert studierte Dirigieren und Kirchenmusik an den Hochschulen für Musik in Köln, Detmold und Stockholm. Nach Engagements als musikalischer Leiter während des Studiums begann der gebürtige Rheinländer 2015 seine Laufbahn als Kapellmeister, die ihn als Stellvertretenden Musikdirektor an den Friedrichstadt-Palast Berlin führte. Von 2019 bis 2022 war
    er als Domkantor am Dom zu Wetzlar tätig. Seit 1. September 2022 ist er als Domkapellmeister am Dom zu Sankt Pölten ätig.
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Vor einem Jahr – am 1. September 2022 – übernahm Valentin Kunert sein Amt als Domkapellmeister von St. Pölten. Im Interview mit „Kirche bunt“ zieht er eine erste Bilanz und schaut voll Vorfreude auf das Musikfestival Musica Sacra, dessen Intendanz Kunert mit 2024 übernimmt.

Sie haben am 1. September 2022 – fast genau vor einem Jahr – das Amt des Domkapellmeisters in St. Pölten übernommen. Wie fällt Ihr Resümee nach einjähriger Tätigkeit aus?

Domkapellmeister Valentin Kunert: Schon mit dem Vorstellungsverfahren vor dem Stellenbeginn habe ich einige Eindrücke der Dommusik sammeln dürfen. Die Vielfalt der Möglichkeiten und die Arbeit mit den Ensembles haben einen sehr guten Eindruck bei mir erweckt. Aus den positiven Erfahrungen sind musikalische Pläne entstanden, welche Werke im vergangenen Jahr für die unterschiedlichen Ensembles in Frage kamen. Sehr erfreulich für mich ist, dass sich die Pläne in Gänze sehr gut realisieren ließen. Wir haben sehr schöne Konzerte und Liturgien gestalten können. Die intensive musikalische Arbeit, die die Dommusik leistet, schafft unmittelbar ein sehr offenes, persönliches Verhältnis zueinander. Durch die gute Zusammenarbeit haben wir uns auch gut kennenlernen können. So kann ich sagen, dass die Phase der Konsolidierung innerhalb der Ensembles in der kurzen Zeit weit vorangeschritten ist. Wir verzeichnen zudem Zuwachs bei den Sängerinnen und Sängern. Das ist ein wichtiges, positives Signal. Weitere Gesangsinteressierte sind in der Dommusik natürlich herzlich willkommen!

Was waren für Sie persönlich die Höhepunkte?

Kunert: Ein musikalischer Höhepunkt lässt sich für mich eher nicht auf einen Konzertabend festlegen. Vielmehr erlebe ich bei vielen Aufführungen besondere Momente an Intensität, Emotionalität und Verbundenheit. Höhepunkte erlebe ich auch, wenn die Besucher große Freude an unseren Aufführungen haben, diese im Applaus zum Ausdruck bringen und uns das auch anschließend mitteilen. Dann, glaube ich, setzen wir die Gestaltung richtig. Musik dient keinesfalls einem Selbstzweck, sie ist immer eine Botschafterin, mit der wir die Menschen erreichen und Gotteslob sein möchten.

„Das Festival Musica Sacra hat für St. Pölten, das Land Niederösterreich und darüber hinaus eine besondere Bedeutung, zumal es vor 50 Jahren das erste Festival im Land darstellte.“

Musica Sacra begeht heuer sein 50jähriges Bestehen. Auch wenn Sie erst seit einem Jahr in St. Pölten sind, haben Sie sich bestimmt mit dem ältesten Musik-Festival Niederösterreichs beschäftigt. Wie sehen Sie Musica Sacra?

Kunert: Der Begriff Festival ist heute eher mit den Genres Jazz, Pop, Rock, Klassik und Oper konnotiert. Ein Festival, das sich auf sakrale Musik konzentriert, ist eher außergewöhnlich und erlebt allein dadurch eine Aufmerksamkeit. Musica Sacra hat für St. Pölten, das Land Niederösterreich und darüber hinaus eine besondere Bedeutung, zumal es vor 50 Jahren das erste Festival im Land darstellte, als dieses Thema für viele Genres noch eher unentdeckt war. In 50 Jahren hat das Festival namhafte Künstler, teils weltberühmte Interpreten nach
St. Pölten einladen können. Maßgeblicher Dank gilt hier meinem Amtsvorgänger Otto Kargl, der nicht nur die Dommusik in bewundernswerter Weise aufgebaut, sondern auch Musica Sacra zu dem gemacht hat, was es heute ist: Ein weit über die Diözesangrenzen hinaus bekanntes und anerkanntes Festival.

Welche Bedeutung hat das Festival für unsere Diözese und unsere Kirche?

Kunert: Kirchenmusik ist eine Art „spirituelle Tankstelle“. Das kann im Rahmen der Liturgie und im geistlichen Konzert sein. Somit verfolgt das Festival auch einen pastoralen Auftrag: In musikalischen Meisterwerken werden dem Konzertbesucher biblische Themen auf ganz besondere Weise nahegebracht, die auch der persönlichen Spiritualität dienen.

Den Auftakt des heurigen Festivals macht Haydns „Schöpfung“. Für viele gehört das Oratorium zu den wichtigsten Werken in der Musikgeschichte. Was bedeutet für Sie dieses Werk?

Kunert: Die „Schöpfung“ ist für mich in der Oratorien-Vielfalt von sehr besonderer Bedeutung. Das liegt nicht allein an der unwiderstehlichen Lebendigkeit des inhaltlichen Stoffs. Hinsichtlich der Tonsprache ist das Werk ein Wegweiser in eine neue Zeit. Haydn lässt nicht nur die Summe seiner lebenslangen schöpferischen Arbeit in der Fortführung des barocken Kontrapunkts, dem italienischen vokalen Erbe und dem instrumentalen Satz der Wiener Klassik meisterlich verschmelzen. Er greift vor in die musikalische Welt der Romantik. Allein die „Vorstellung des Chaos“ zu Beginn ist ein genialer Aspekt des Ganzen. Die abwartende Themen-Wahl und Destabilisierung der Harmonik, die die Sonatenform in diesem Satz nahezu gänzlich verschleiern, erzeugen ein beklemmend düsteres Gefühl. Der Zuhörer sehnt sich den Zustand einer gewünschten Ordnung herbei. Vor diesem Hintergrund entfaltet die anschließend entstehende Welt in ihrer musikalischen Gradlinigkeit einen besonderen Glanz. Im gesamten Werk bleibt es z. B. auch nicht bei tonmalerischer Nachahmung von hörbaren Naturphänomenen, es geht um musikalische Nachempfindung eines schöpferischen Wunderwerks, in dem wir leben dürfen.

Es gibt wieder eine Reihe von großen Konzerten und musikalisch gestalteten Gottesdiensten im Rahmen von Musica Sacra. Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten?

Kunert: Mit der „Schöpfung“ das Festival eröffnen zu dürfen, ist mir eine große Freude. Darüber hinaus bietet jedes der folgenden Konzerte seinen eigenen Reiz. Werke Johann Sebastian Bachs als Zentrum des Festivals aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und Interpretationen erleben zu können, ist in dieser Konzentration eine seltene Gelegenheit. Daher empfehle ich allen Festival-Interessierten die Abo-Karte zum Besuch aller Konzerte.

Auch Musica Sacra fällt mit nächstem Jahr in Ihre Ägide, Sie übernehmen das Festival ab 2024 als Intendant. Haben Sie schon Pläne im Blick auf Musica Sacra? Wohin geht die Reise?

Kunert: Auf die künstlerische Leitung des Festivals freue ich mich schon jetzt. Das Programm für 2024 ist bereits sehr konkret und bedeutende Künstler haben ihre Mitwirkung zugesagt. Für den Auftakt ist die Aufführung eines spannenden Oratoriums geplant: Die dramatische Erzählung des französisch-schweizerischen Komponisten Arthur Honegger um die Lebensgeschichte von „König David“ steht auf dem Programm; ein Werk in kurzweiliger Tonsprache mit orientalischen Klängen, über Bach-Anleihen bis hin zu impressionistischer Lautmalerei. Auch für Familien und Kinder wird es im nächsten Jahr einen Programmpunkt geben. Mehr wird heute noch nicht verraten.

MUSICA SACRA-PROGRAMM

10. Sept., 18 Uhr: Es werde Licht, und es ward Licht, Joseph Haydn „Die Schöpfung“; Konzert im Dom St. Pölten. Mit: Christina Gansch, Johannes Bamberger, Günter Haumer, Valentin Kunert, Domkantorei, L’Orfeo Barockorchester; Werkeinführung: 17 Uhr im Sommerrefektorium.

17. Sept., 10 Uhr: Missa in honorem B.M.V. de Loreto; Vinzenz Goller; Gottesdienst in der Stiftsbasilika Lilienfeld. Mit: Stiftschor Lilienfeld, Karen de Pastel, Florian Pejrimovsky.

17. Sept., 19.30 Uhr: Gloria, Johann S. Bach, Antonio Vivaldi. Konzert in Stiftsbasilika Lilienfeld. Mit Cappella Nova Graz, Otto Kargl. Werkeinführung: 18.30 Uhr im Dormitorium.

24. Sept., 19 Uhr: Herz und Mund und Tat und Leben, Improvisationen und Re-Kompositionen nach Kantaten von Johann S. Bach; Konzert in der Stiftskirche Herzogenburg. Mit: Wolfgang Mitterer, Wolfgang Puschnig, Roland Schueler, Prandtauer-Ensemble, Ludwig Lusser.

1. Okt., 9.30 Uhr: Missa in G, Antonio Caldara. Gottesdienst in der Stiftskirche Herzogenburg. Mit: Motettenchor, Orchester Stiftskirche, Johannes Zimmerl, Otto Schandl.

1. Okt., 18 Uhr: Jauchzet Gott in allen Landen, Petr Eben, Johann S. Bach, Jean Langlais, Georg Philipp Telemann; Konzert im Dom zu St. Pölten. Mit: Gábor Tarkövi, Ludwig Lusser und Christina Gansch.
8. Okt. 10.30 Uhr: Ragtime-Messe, Johann S. Kreuzpointner; Gottesdienst im Dom St. Pölten. Mit: Jugendensemble, L. Lusser, V. Kunert.

8. Okt., 18 Uhr: Nicht Bach, Meer sollte er heißen; Johann S. Bachs „Orgelwerke“; Konzert im Dom St. Pölten. Mit: Pieter Van Dijk. Werkeinführung am 7. Okt., 15 Uhr im Festsaal Konservatorium St. Pölten.
Tickets: https://oeticket.com

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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