Interview mit Bischof Dr. Alois Schwarz
„Wir dürfen den Lobpreis der Schöpfung nicht vergessen“

Bischof Dr. Alois Schwarz: „Was Hoffnung gibt, ist, dass wir erkennen, wie schön unsere Schöpfung ist und dass sie uns so vieles bietet.“ | Foto: Moritz Schell
  • Bischof Dr. Alois Schwarz: „Was Hoffnung gibt, ist, dass wir erkennen, wie schön unsere Schöpfung ist und dass sie uns so vieles bietet.“
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Am 1. September, dem Tag der Schöpfung, beginnt die „Schöpfungszeit“. Wir baten aus diesem Grund Bischof Alois Schwarz, der in der Bischofskonferenz für den Bereich „Umwelt und Nachhaltigkeit“ zuständig ist, zum Interview.

Das Weltklima ist in Bedrängnis und niemand scheint ausgenommen. Nehmen wir den Klimawandel immer noch zu wenig ernst?
Bischof Alois Schwarz: Wir haben entdeckt, dass das Klima ein Gemeinschaftsgut ist und an keiner Grenze halt macht. Im Grunde leben wir derzeit in einer Welt, die brennt. Es brennt über­all – in Afrika, an den Küsten des Mittelmeers, in Amerika... Das ist die eine Sache und die andere Sache ist, dass es so viele Klimakatas­trophen gibt – klein- und großräumig. Das ist heuer in einer anderen Qualität wahrnehmbar und die Leute spüren deutlich: Da hat sich etwas verändert, denn so bedrohlich wurde es früher nicht wahrgenommen. Man merkt, dass Klima ein Gemeinschaftsgut ist und keine nationalstaatlichen Grenzen kennt.

Auch bei uns in Österreich gibt es immer mehr Menschen, die regelrecht Angst bekommen, wenn wieder ein Gewitter, Starkregen oder Sturm prog­nostiziert werden. Wie kann man da den Betroffenen helfen? Wie kann man trösten?
Bischof Schwarz: Wenn man solche Bilder, wie heuer nach den Unwettern sieht, dann kann man diese Sorgen verstehen. Wichtig ist, dass da den Betroffenen kurzfristig geholfen wird. Gott sei Dank sind unsere Blaulichtorganisationen gut gerüstet und stark aufgestellt, wie z. B. die Feuerwehren, die Rettung, die Polizei oder das Bundesheer. Wir haben auch gut funktionierende Notfalleinrichtungen und Kriseninterventionsstellen. Ich habe auch beobachtet, dass die Verwandtschaft, aber auch die Nachbarschaft, in solchen Notfällen sehr hilfsbereit ist. Die Nachbarschaftshilfe funktioniert in unserem Land wirklich gut. Darüber bin ich froh und dankbar.

Wird Familien- und Nachbarschaftshilfe wieder wichtiger in Zukunft? In den letzten Jahren konnte man mitunter sogar in ländlichen Gegenden beobachten, dass die Nachbarschaftshilfe zurückgeht.
Bischof Schwarz: In der Corona-Zeit ist mir aufgefallen, dass viele besonders im ersten Lockdown einander geholfen haben. Da wurde innerhalb der Familien und von Nachbarn nachgefragt, wer was braucht. Auch in den Pfarren geschahen viele Initiativen. Es ist nachgefragt bzw. geholfen worden. Ich glaube, dass diese Solidarität bei uns im Land nach wie vor sehr stark präsent ist.

In der Corona-Krise hat die Regierung grundsätzlich schnell und effektiv reagiert. Wäre das jetzt in der Klimakrise nicht auch möglich?
Bischof Schwarz: Der Klimawandel betrifft vor allem das Konsumverhalten jedes Einzelnen, aber auch das Mobilitätsverhalten und dann das Energieverhalten. Da geht es schon um sehr persönliche Fragen, mit denen die Menschen konfrontiert sind. Ein Eingriff der Regierung kann da schon als Eingriff in die Freiheitsrechte empfunden werden. Deshalb braucht es andere Formen der Motivation, um die Leute zu bewegen, dass sie hier etwas tun. Wir Menschen sollen merken, dass Konsumverzicht auch ein Gewinn sein kann – und nicht nur eine Last oder ein vorgeschriebenes Sich-Zurücknehmen. In jedem Fall geht es um Veränderung und die braucht bekanntlich viel Beweggründe und Motivation.

Braucht es also nicht mehr Vorschriften und Regeln seitens der Bundesregierung?

Bischof Schwarz: Ich weiß nicht, ob die Regierung die wichtigste Motivationsgeberin sein kann. Der Staat lebt von Voraussetzungen, die er nicht selber schaffen kann. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf den Klimawandel. Der Klimaschutz lebt von Voraussetzungen, die man durch eine Lebensumstellung herbeiführen kann. Letztlich hängt es davon ab, ob der einzelne Mensch die Schönheit der Schöpfung in Zukunft mitgestalten möchte. Schlussendlich wird uns die Schönheit unserer Landschaft, die wir erhalten wollen, motivieren! Die Pflege unserer Kultur gehört da dazu, denn ich bin überzeugt, dass Kunst und Kultur Motivation zum Umweltschutz bieten können. Es geht darum, dass sich Menschen eine andere Lebenseinstellung gönnen wollen. Wenn da z. B. auf den Bühnen in unserem Land die Schönheit der Schöpfung angesprochen wird, dann kann das die Menschen auch motivieren. Ich glaube auch, dass unsere Leute eine große Begabung haben, die Schöpfung zu erhalten und zu gestalten. Man merkt das jetzt im Sommer z. B. am Blumenschmuck der Häuser. Der Blumenschmuck der Häuser ist faszinierend. Es ist berührend, wie viele Leute sich Mühe geben, ihr Zuhause schön zu gestalten – und niemand ordnet das an. Die Menschen zeigen so: Wir haben eine Freude an der Schöpfung – und das motiviert wahrscheinlich mehr als jeder Aufruf zum Verzicht und jede vorgegebene Regel.

Also soll es keinen Verzicht geben?
Bischof Schwarz: Das Wort Verzicht ist negativ besetzt und wird als Einschränkung wahrgenommen, anstatt als Chance eine andere Form von Lebensqualität zu gewinnen. Ich würde daher auch nicht von Verzicht sprechen, sondern von einer Lebensumstellung. Man verzichtet auf das eine, gewinnt aber etwas anderes. Natürlich kann nicht jeder Pendler gerade im ländlichen Raum auf das Auto verzichten, aber vielleicht finden sich doch Möglichkeiten, dass man z. B. nur bis zum nächsten Bahnhof fährt und dann das öffentliche Verkehrsmittel nutzt. Vielleicht entdeckt man, dass z. B. das Bahnfahren auch Lebensqualität schenken kann.

Für Papst Franziskus ist die Schöpfung ein ganz wichtiges Thema, das zeigt sich u. a. in seiner Enzyk­lika Laudato si. Was kann man da noch erwarten?
Bischof Schwarz: Der Papst weiß, dass es beim Thema Schöpfung und Umwelt um eine Bewährungsprobe für die Menschheit geht. Er betrachtet das aber nicht als bloß innerkirchliches, katholisches Thema. Er hat ja bei Laudato si die orthodoxe Kirche, die Muslime, ... alle Andersgläubigen mit hinein genommen. Papst Franziskus versteht sich als Dialogpartner mit Leuten, denen das gemeinsame Haus ein Anliegen ist. Von daher ist seine Stimme ganz wichtig, weil er ein Vernetzer ist. Er weiß, dass die Kirche als „Global player“ viel beitragen kann, dass es noch eine nächste Generation gibt und wir nicht die letzte Generation sind, die die Erde ausplündern darf.

Hat Laudato si etwas gebracht?
Bischof Schwarz: Laudato si hat sehr viel gebracht, weil es im Jahr 2015 inmitten wichtiger globaler Konferenzen und vor allem kurz vor dem Klimagipfel in Paris veröffentlicht wurde. Das Erscheinungsdatum war ganz bewusst gewählt. Die Stimme des Paps­tes wurde gehört – vor allem auch weltweit von Wissenschaftlern, weil die Enzyklika wissenschaftlich so gut abgesichert ist und in vielen Details eine Orientierung gibt. Sie wird bis heute auf den verschiedensten Ebenen diskutiert und ist nach wie vor ein Standardwerk, das Wissenschaftler zitieren und ernstnehmen.

Das ist die wissenschaftliche und politische Seite. Aber was hat Laudato si den Gläubigen gebracht?
Bischof Schwarz: Für viele Gläubige war Laudato si nochmals ein Weckruf und die Botschaft, dass es so etwas wie eine Spiritualität der Ökologie gibt. In Laudato si gibt es ein Kapitel, das den spirituellen Umgang mit dem Thema Klima anspricht; da geht es nicht um Technik, sondern um Spiritualität. Der Papst hat in Laudato si geschrieben: „Wenn die ‚äußeren Wüs­ten […] in der Welt [wachsen], weil die inneren Wüsten so groß geworden sind‘, ist die Umweltkrise ein Aufruf zu einer inneren Umkehr“ (LS 217). Er spricht von spiritueller Motivation und davon, dass Grundeinstellungen durch die Spiritualität und weniger durch Appelle verändert werden können.

Wie wichtig wird in den Diözesen der Umweltschutz genommen? Was konkret geschieht in den Diözesen in Österreich?

Bischof Schwarz: Ich habe eine Österreich-Gruppe mit den Finanzkammer- und Baudirektoren aller Diözesen eingesetzt. In dieser Gruppe überlegen wir, was wir wie umsetzen können. So investieren wir das Geld, das wir später eigentlich als Energiesteuer bezahlen müssten, in eine nachhaltige Energiestrategie, indem wir z. B. an kirchlichen Gebäuden Photovoltaik-Anlagen errichten lassen. Wir sind auf einem guten Weg und haben in der Bischofskonferenz 2019 u. a. beschlossen, dass kirchliche Finanzmittel für keine zerstörerischen Auswirkungen verwendet werden dürfen. Die drei wesentlichen Ökologie-Ziele der österreichweiten Gruppe sind: eine ökosoziale Beschaffungsordnung, die Energiewende hin zu einem Totalausstieg aus fossiler Energie inklusive Klima- und Energiestrategien sowie die Energieeffizienz in den Pfarren und die auf diözesaner Ebene erarbeitete Leitlinien zur Nachhaltigkeit.

Und in unserer Diözese?
Bischof Schwarz: In der Diözese sind weitere Schritte geplant – in Zusammenarbeit mit den Pfarren und mit dem Land NÖ sind wir auch bei uns in der Diözese auf einem guten Weg. Unser Ziel ist, dass wir energieautark werden.

Soll Umweltschutz im katholischen Kirchenrecht verankert werden, wie es vor zwei Jahren der frühere Leiter der Vatikanbehörde, Kardinal Francesco Coccoplamerio, vorgeschlagen hat?
Bischof Schwarz: Eigentlich haben wir den Umweltschutz im Glaubensbekenntnis verankert. Das erste, was wir da beten, lautet: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, …“ Wir haben also die Schöpfungstheologie im Glaubensbekenntnis – da braucht es meiner Meinung nach keine Verankerung im Kirchenrecht.

Den Menschen ist in letzter Zeit viel zugemutet worden – was gibt ihnen Hoffnung?
Bischof Schwarz: Was Hoffnung gibt, ist, dass wir erkennen, wie schön unsere Schöpfung ist und dass sie uns so vieles bietet. Hoffnung geben uns vor allem auch die Kinder und Jugendlichen, die sehr schöpfungssensibel sind. Die jungen Menschen haben ein feines Gespür und eine neue Sensibilität für die Umwelt entwickelt. Alles zu erhalten ist dann sinnvoll, wenn es eine nächste Generation gibt. Kinder geben immer Hoffnung und das dürfen wir nicht übersehen. Das ist eigentlich das größte Potenzial für unsere Schöpfung, eine Nachhaltigkeit in den Generationen. Wir müssen auch junge Paare ermutigen, Kindern wieder das Leben zu schenken, aber auch Eltern und Großeltern ermuntern, an den eigenen Kindern und Enkelkindern Freude zu haben. Wir dürfen auch den Lobpreis der Schöpfung nicht vergessen. Wir sind so aktivitätsbezogen und sagen immer: Jetzt muss was geschehen, aber dabei ist das zweckfreie Loben unseres Gottes und die Anrufung des heiligen Josefs als Hüter der Schöpfung auch wichtig. Wir sind im Josefs-Jahr – und dürfen nicht übersehen, dass er Hüter des Lebens und Hüter der Schöpfung ist. Wir haben in ihm einen großen Fürsprecher.

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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