Glauben verstehen - von Dr. Piotr Kubasiak
Karsamstag: Der Tag des vermissten Gottes

Karsamstag: Die Erfahrung des toten Gottessohnes und des totenstill schweigenden Gottvaters ist unerträglich. | Foto: eyetronic  – stock.adobe.com
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Warum schweigt Gott? Es ist eine der bittersten Fragen eines glaubenden Menschen: Es bricht ein Unheil über mich, meine Familie oder, wie wir das gerade erleben, über die ganze Welt herein – und Gott schweigt. „Aus den Tiefen, rufe ich, Herr, zu dir“ (Ps 130,1) und – man könnte fortschreiben – du schweigst. Gott erinnert so oft eher an den „unbewegten Beweger“ als an den „guten Hirten“. Der Glaube von so vielen ist an diesem Schweigen zerbrochen – und dies verständlicherweise, war ihr Gebet doch oft der letzte Hoffnungsschrei, der nicht erhört wurde. Und wenn das Schweigen in Grenzsituationen den Glauben auch nicht zerbricht, weckt es zumindest Zweifel.

Auch Jesus kannte diese Erfahrung: „Mein Gott, mein Gott, wozu hast du mich verlassen“ (Mt 27,46) ist der Schrei eines Nicht-Geretteten. Und auch die Bitte Jesu „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ (Mk 14,36) scheint eher eine offene Frage widerzuspiegeln: Ist das wirklich notwendig? Wie auch die Antwort ausfallen mag: Am Karsamstag ist Jesus tot. Der Gekreuzigte ist gestorben, wurde begraben und befindet sich im Reich der Toten. Und Gott schweigt.

Der Karsamstag ist kein Brückentag, damit wir zu den „drei Tagen“ kommen. Der Karsamstag ist auch kein leises Schweigen, bevor das große Happyend kommt, mit dem man die Erfahrung des Freitags schnell vergessen kann. Die Erfahrung des toten Gottessohnes und des totenstill schweigenden Gottvaters ist unerträglich.
Diese Erfahrung muss ernstgenommen werden. Nicht, weil man gerne zweifelt, sondern weil der Gott der Chris­ten ein schwieriger Gott ist: Er ist kein Garant eines glücklichen und gelungenen Lebens, kein Kuschelgott. Er ist ein unverständlicher Gott. Der Glaube an ihn hat einen Zwillingsbruder: den Zweifel. Wenn der Zweifel zu viel Raum bekommt, kann er den Glauben verdrängen. Wenn er aber neben dem Glauben steht, ist er ein Geschenk: Denn er ist der Erzfeind jedes Fundamentalismus und gleichzeitig der Mahner, der darauf hinweist, dass das Christentum keine Siegerreligion, sondern eine Hoffnung ist.

Abraham wird als Vater des Glaubens bezeichnet, denn „wo keine Hoffnung war, hat er auf Hoffnung hin geglaubt“ (Röm 4,18). Mit einem Hoffnungsruf endet auch der eingangs zitierte Psalm: „Ja, er wird Israel erlösen“ (Ps 130,8). Erst diese drei: Glaube, Zweifel und Hoffnung spiegeln den Charakter des Exodus wider und lassen Ostern nicht als ein banales Happyend, sondern als die wunderbare Nacht, als ein Wunder eben, erscheinen.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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