Otto Neubauer, Akademie für Evangelisation
"Jeder Mensch hat etwas zu geben"

Otto Neubauer, Jahrgang 1965, 
verheiratet und Vater von sechs Kindern, leitete eine internationale Missionsschule sowie die ersten 
katholischen Gemeindemissionen neuen Stils Anfang der 1990er-Jahre in Österreich und Deutschland. Heute führt er im Zentrum Wiens ein Ausbildungszentrum, die Akademie für Dialog und Evangelisation. Neben Vortrags- und Seminartätigkeiten in ganz Europa engagiert er sich für neue Dialogprojekte für junge Menschen.   | Foto: zVg
  • Otto Neubauer, Jahrgang 1965,
    verheiratet und Vater von sechs Kindern, leitete eine internationale Missionsschule sowie die ersten
    katholischen Gemeindemissionen neuen Stils Anfang der 1990er-Jahre in Österreich und Deutschland. Heute führt er im Zentrum Wiens ein Ausbildungszentrum, die Akademie für Dialog und Evangelisation. Neben Vortrags- und Seminartätigkeiten in ganz Europa engagiert er sich für neue Dialogprojekte für junge Menschen.
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Der Direktor der Akademie für Dialog und Evangelisation referierte im vergangenen Jahr auf der Priesterstudientagung in St. Pölten zum Thema Ehrenamt. Auch in diesem Jahr ist er in der Diözese St. Pölten zu Gast und bietet eine missionarische Weiterbildung für Pfarren an. Im Gespräch mit „Kirche bunt“ spricht er über sein Verständnis von Mission sowie über seine Vision von Kirche in der Zukunft.

Wenn man an Missionsländer denkt, hat man vermutlich nicht zuerst Österreich im Sinn. Sind wir schon zum Missionsgebiet geworden?

Otto Neubauer: Es ist wichtig, ehrlich hinzuschauen und wahrzunehmen, dass wir uns als Kirche schon längst in einer Minderheitensituation befinden. Das heißt aber nicht, dass durch diese breite kirchliche Entfremdung kein religiöses Leben mehr passiert; vor allem, dass es nicht wieder geweckt werden könnte.
Es ist für uns wirklich erstaunlich, zurzeit sogar eine so große Offenheit für den Glauben zu erleben wie schon lange nicht mehr – gerade in der sogenannt nichtkirchlichen Welt. Aber das wird nur dann sichtbar, wenn wir auch neue Brücken der Begegnung zu den Leuten bauen. Diese Herausforderung gilt es jetzt anzunehmen und sich nicht wieder drüber hinwegzuwurschteln: Wir brauchen den vollen Einsatz für neue Formen eines Dialogs über Gott und Welt. Und Menschen, die sich dem herzhaft annehmen.

Was verstehen Sie eigentlich unter Mission? An wen richtet sie sich in Ihrem Programm?

Neubauer: Ein junger recht kirchen-kritischer Geschichtestudent fragte mich nach eingehender Beobachtung unserer Missionsprojekte: „Verstehe ich richtig, dass ihr einfach das Glück, das ihr selbst erfahren habt, mit anderen teilt?“ Genau. Menschen erfahren lassen, dass Gott jede und jeden unendlich gerne hat, ausnahmslos! Dass sie an der Freundschaft Jesu teilhaben können, alle, nicht nur der übrig gebliebene Rest. Das ist möglich!
Einer unserer entscheidenden Lernprozesse beginnt wieder gemäß dem Beispiel Jesu „ganz unten“, von Angesicht zu Angesicht – beim Nachbarn, auf der Straße, beim Friseur, in den Gefängnissen usw., also mitten im Volk. Es geht vor allem um Gastfreundschaft und um ein neues herzhaftes Sich-Einlassen auf eine nicht-kirchliche Welt. Zu oft haben wir vergessen, dass wir eigentlich als Kirche für die da sind, die nicht da sind. Wir sind ja „Heilssakrament für die Welt“, sagt uns das zweite Vatikanische Konzil über die Kirche. Die Kirche ist kein Selbstzweck.

„Mission kann jeder“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Was meinen Sie damit?

Neubauer: Jeder Mensch hat etwas zu geben! Jede und jeder hat eine Mission, eine Aufgabe. Und genau diese gilt es zu entdecken. Alle können mitwirken. Kirche darf kein Eliteprogramm werden. Einerseits brauchen die Kirchgänger bzw. Gläubigen im Binnenraum in ihrer Freundschaft mit Christus eine echte Stärkung sowie Unterstützung, Ermutigung und Schulung, sprachfähiger über ihren Glauben zu werden. Andererseits gilt es Suchende oder Andersdenkende großherzig einzubinden, damit sie sich mit ihren Gaben in gemeinsame Projekte einbringen können. Alle sind eingeladen, sich einer großen „Solidarischen Karawane“ anzuschließen, wie Papst Franziskus solch eine offene und gastfreundliche Mission nennt.

Fällt ein missionarischer Aufbruch vielleicht angesichts einer strukturell noch stark in der Gesellschaft verankerten Kirche hier schwerer als anderswo?

Neubauer: Da ist was dran. In jedem Fall müssen wir uns aus unseren festgefahrenen und geschlossenen Systemen herausbewegen. Sonst ist kein neues freudiges Zeugnis mitten in säkularer Gesellschaft möglich. Andererseits können traditionelle Anknüpfungspunkte wie in der Sakramentenpastoral oder im Vereinswesen als Chance für eine Vernetzung und echte Begegnung genutzt werden.

Kennen Sie ein Land, in dem Mission besonders gut funktioniert?

Neubauer: Da gäbe es viele Länder aufzuzählen. Beispielsweise beeindrucken mich die Anglikaner in England, wie sie mit dem Grundsatz „Belonging bevor believing“ (d. h. dazugehören, bevor ich glauben kann) seit Jahren unzählig viele neue christliche Gemeinden gegründet haben. Und das, einerseits mit stark geistlich geschulten Teams und andererseits mit großzügig gelebter Gastfreundschaft nach außen. Und überall, wo Kirche in der weiten Welt wieder wächst, steht der Dienst an den Ärmsten ganz vorne.
Jede und jeder hat eine Mission, eine Aufgabe.

Und genau diese gilt es zu entdecken. Alle können mitwirken. Kirche darf kein Eliteprogramm werden.

Ihr Kursprogramm richtet sich vor allem an Pfarrgemeinden. Welche Bedeutung haben die Pfarren in einer Zeit der schwindenden örtlichen Bindung noch?

Neubauer: Wir gehen tatsächlich davon aus, dass der Geist Gottes Frauen und Männer in den lokalen Pfarrgemeinden neu bewegen kann. Basierend auf einem intensiven Lernprozess von über 25 Jahren mit Pfarrgemeinden vor Ort haben wir ein Begleitungs- und Schulungs-Modell „Mission Possible“ für die Gemeinden entwickelt, das auf ihren je eigenen Stärken und Charismen aufbaut. Mit der Frage „Wo würde Jesus heute hingehen?“ entdecken Gemeinden aus sich heraus eine missionarische Perspektive und bekommen so den Mut, die schützenden Kirchenmauern zu verlassen und konkrete Initiativen zu setzen.
Die Basis wird gelegt mit dem Aufbau von kleinen Weggemeinschaften in der Kerngemeinde, die einerseits lernen, sich gegenseitig im Glauben zu stärken und in der Freundschaft mit Jesus Christus zu wachsen. Andererseits erwachsen aus dem Miteinander-Unterwegs-Sein Ideen, für andere Menschen da zu sein und den persönlichen Glauben zeugnishaft mit anderen zu teilen.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die zunehmende Uneinigkeit in theologischen Fragen für die Neuevangelisierung?

Neubauer: Prinzipiell ist das leidenschaftliche Ringen um theologische Fragen immer wieder ein natürlicher Prozess auf dem Weg der jeweiligen Aktualisierung der Botschaft gewesen. Das ist weiter nicht verwunderlich, aber mit aufgeblähten gegenseitigen Verwerfungen auf gremialer Ebene oder in den sozialen Netzwerken werden wir uns definitiv nicht retten können. Unsere Erfahrung in den Gemeinden ist vielmehr, dass überall dort, wo wir uns – aus welchem Meinungslager auch immer – gemeinsam in den Dienst der „Ärmsten“ und „Fernsten“ stellen, geschieht in langsamen Schritten echte Erneuerung und Trendumkehr in der Kirche.

In der Diözese St. Pölten finden dieses Jahr „Mission possible“-Workshops statt. Welche Erwartungen dürfen Pfarren, die dorthin ehrenamtliche Mitarbeiter entsenden, daran haben?

Neubauer: Erwarten Sie sich viel! Wir brauchen so dringend gegenseitige Ermutigung zu Neuanfängen, und wenn es noch so kleine Schritte sind. Es geht nicht um Wundermethoden, aber um viele konkrete erprobte Beispiele, wie wir heute neu mit den Menschen ins Gespräch über den Glauben kommen können.
Im Besonderen fragen wir uns, was uns so wichtig ist, dass wir es nicht für uns behalten möchten. Wie motivieren wir unsere eigenen Gemeindemitglieder? Wie können wir Missionsprojekte planen? Wie bilde ich Teams? Wie heben wir das Potential, das vor Ort schon da ist? Wie kann ich meine eigenen Gaben einsetzen und bei anderen fördern? Natürlich geht es auch um das große Ganze: das WARUM, WAS und WIE der
Mission.

Workshops zum Kennenlernen


Termin im Waldviertel

Fr, 26. Jänner 2024, 14:30-21:00
Pfarrsaal Waidhofen/Thaya
Pfarrhofplatz 1, 3830 Waidhofen
Kostenbeitrag: € 30,-
Anmeldeschluss: 16. Jänner

Termin im Mostviertel
Sa, 27. Jänner 2024, 9:00-15:30
Pfarrsaal Melk
Kirchenplatz 10, 3390 Melk
Kostenbeitrag: €30,-
Anmeldeschluss: 17. Jänner

Intensivworkshop in zwei Teilen

1. Teil
Fr, 8. März 2024, 14:30-21:00

2. Teil
Fr, 5. April 2024, 14:30-21:00
Pfarrsaal Melk
Kirchenplatz 10, 3390 Melk
Kostenbeitrag: € 50,- (beide Teile)
Anmeldeschluss: 16. Februar

Anmeldungen online unter:

www.dsp.at/portal/veranstaltungen

Autor:

Felix Deinhofer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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