Gesundheit
Trauma - der verkörperte Schrecken der Seele

Niemand ist sicher vor traumatischen Erlebnissen. Ein junger Syrer und eine Psychotherapeutin geben Einblick in Symptome und Heilung eines Traumas.

Irgendetwas brodelte in meinem Körper“, berichtet der junge Syrer Jad Turjman von der Zeit, die er in einer Flüchtlingsunterkunft in Radstadt verbrachte. Er sei zwar für psychische Erkrankungen sensibilisiert gewesen, hätte aber nie gedacht, selbst davon betroffen zu sein, schreibt er in seinem Buch „Wenn der Jasmin Wurzeln schlägt“: „Ich hatte immer eine starke und vitale Psyche gehabt und konnte ziemlich einfach stressige Situationen eigenständig und effizient bewälten.“ Auch über seine dramatische Flucht von Syrien nach Europa dachte er: „Ich habe es überlebt und das Leben geht weiter.“
Jad leidet in dieser Zeit unter Alpträumen, kann schlecht einschlafen oder durchschlafen, bemerkt Antriebslosigkeit, Apathie, Verschlossenheit, Selbstvorwürfe, Taubheit in bestimmten Körperteilen. Als er für den Arbeiter-Samariter-Bund als Asylbetreuer zu arbeiten beginnt, soll er eine Ausbildung „Basisqualifikation Psychotraumatologie“ absolvieren, lernt Methoden zur Traumabewältigung kennen und merkt: „Traumata werden unter anderem in bestimmten Körperregionen abgespeichert, in denen der Impuls während des traumatischen Erlebnisses nicht zum Ausdruck gebracht werden konnte und dadurch verharrt.“

Regina Resch, Psychotherapeutin in Waidhofen/Ybbs mit Schwerpunkt Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung, erklärt: „Trauma bezeichnet eine seelische Wunde, die einem Menschen durch traumatische Ereignisse zugefügt wurde, und geht immer mit Kontrollverlust und Überforderung der menschlichen Schutzmechanismen einher.“ Auslöser für ein Trauma können nicht nur Flucht, Krieg und Gewalt, sondern auch der Verlust eines geliebten Menschen, Unfälle oder Naturkatastrophen sein. Auch lebensbedrohliche Krankheiten oder Mobbing zählen zu den möglichen auslösenden Faktoren. „Wie selbstsicher wir auch sein mögen“, meint Jad Turjman, „es besteht keine Garantie, von traumatischen Ereignissen verschont zu bleiben.“
Ein Gefühl des ,neben sich Stehens‘
Und was passiert genau bei einer Traumatisierung? „In einer traumatischen Situation reagiert das biologische System des Körpers mit einem Notprogramm: Flucht, Kampf oder Erstarrung“, so Regina Resch. „Der Schutzmechanismus bewirkt ein Gefühl des ,neben sich Stehens‘, wodurch die Verarbeitung des Traumas und die Integration in das eigene Leben erschwert wird.“
Jad Turjman nähert sich über die Therapieform des „Somatic Experiencing“ seiner Traumatisierung an, durch die im Körper gespeicherte Erinnerungen zugänglich werden. Zunächst bleibt es bei einer vorsichtigen Annäherung an den Schrecken der Vergangenheit, denn es sei wichtig, sich „im ersten Stadium nicht direkt damit zu konfrontieren, bis wir gestärkt und sicher genug sind“. Seinen Weg zur Heilung beschreibt er so: „Je öfter der Betroffene die Erfahrung macht, wenn ihn die Traumafolgen heimsuchen, sein körperliches Unbehagen eigenständig auflockern zu können und anwesend zu bleiben, desto eher lockert sich auch der Griff des Traumas.“ Erst durch Aufmerksamkeits-Übungen habe sein Gehirn gelernt, dass das Geschehene schon vorbei ist. So verliere das Trauma Schritt für Schritt seine Macht, der Körper aktiviere seine Selbstheilungsfähigkeit.

„Für Betroffene ist es wichtig zu lernen, in der Gegenwart zu leben, und zu erkennen, dass es nicht die Schuld der eigenen Person ist“, erzählt die Psychotherapeutin, die selbst mit „Somatic Experiencing“ arbeitet, aus ihrer Praxis. Im Fokus der therapeutischen Bearbeitung stehe die Integration des Traumas in den eigenen Lebensfluss. Die begleitende Stärkung von Ressourcen wie Hobbys, Sport, Kunst, Bewegung in der Natur oder die Pflege von sozialen Kontakten sei wichtig und hilfreich.
Als Jad Turjman lernt, seinen Körper wieder wahrzunehmen, muss er auch lernen, „dem Körper den Raum zu geben, das zu tun, was er tun möchte und was er zu tun weiß: zittern, beben, vibrieren, heulen, schreien oder zucken, aber auch tanzen und jubeln“. Er spürt die Wut und die „eingefrorene Lebensenergie“ wieder und bringt sie zum Ausdruck. „Nach jeder Therapieeinheit fühlte ich mich (...) erleichtert und gegenwärtig. Ich konnte sogar die Farben in meiner Umgebung klarer und greller sehen und verspürte eine gewisse Unternehmungslust.“

Weiterführend: www.somaticexperiencing.at

Buchtipp: "Wenn der Jasmin auswandert" und "Wenn der Jasmin Wurzeln schlägt" von Jad Turjman, Residenz Verlag 2023, Broschur, Preis 25 Euro.

Autor:

Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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