Mutworte - Christa Carina Kokol
Brille mit Herz
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O, Schreck, die Brille ist weg! Ausgestreut, vermutlich beim Griff zum Handy. Den ganzen Weg retour? Zahlt sich das aus? Bestimmt sind die Gläser bereits klirrend unter die Räder gekommen. Oder die Fassung hat auch anderen gefallen … Dennoch trotte ich zurück. Und es hat sich ausgezahlt. Auf einem Baumstumpf am Wegrand platziert, leuchtet mir meine entschwundene Brille entgegen. Mir Unbekannte haben sie achtsam an einen gut sichtbaren Ort gelegt. Und ich bin ihnen dankbar dafür. Sie haben nicht nur meine Brille, sondern auch mein Herz berührt.
Angesichts des unbegreiflichen Amoklaufs in Graz schrieb Martin Gasser in der Kleinen Zeitung: „Solche Tragödien bringen das Schlimmste und das Beste des Menschen hervor. Man sollte vor allem auf das Zweitere – die Anteilnahme, die Tröstungen, die Solidarität nicht vergessen.“
In Wolfgang Herrndorfs Reiseroman „Tschick“ erzählt der Protagonist, dass er von seinem Vater immer nur gehört habe, dass die Welt und der Mensch zu 99 % schlecht sind. Nun ist er überrascht, dass er auf seinen Reisen fast ausschließlich dem einen Prozent begegnet ist.
Wie ich mit meiner Brille. Und Achtsamkeit macht Schule.
Christa Carina Kokol in Dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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