15. Sonntag: P. Martin Leitgöb CSsR
Sehen und Handeln mit dem Herzen

Es gehört zur menschlichen Kultur schlicht dazu, dass man jenen Menschen hilft, die keine oder kaum eine Möglichkeit zur Selbsthilfe haben. Sonst würden wir in einer ziemlich kalten und dunklen Gesellschaft leben. | Foto: Halfpoint – stock.adobe.com
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Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, das Jesus im Evangelium dieses Sonntags erzählt, ist ein immaterielles Weltkulturerbe, ohne dass es jemals mit diesem Titel versehen wurde. Hier wird in trefflicher Weise eine Haltung geschildert, ohne die unser menschliches Zusammenleben auf dieser Welt armselig wäre. Die praktische Hilfe für Notleidende kann zwar durchaus herausfordernd sein, weil sie Zeit, Mühe und Kraft kostet. Wir wissen das aus unserem Alltag. Doch wer mag sich eine Welt vorstellen, in der diese Haltung nicht gelebt und praktiziert würde? Es gehört zur menschlichen Kultur schlicht dazu, dass man jenen Menschen hilft, die keine oder kaum eine Möglichkeit zur Selbsthilfe haben. Sonst würden wir in einer ziemlich kalten und dunklen Gesellschaft leben.
Aber ja, die Herausforderung bleibt, und weder als Einzelne noch als Gesellschaft sind wir ihr immer gewachsen. Jesus schildert im Gleichnis das Verhalten zweier Personen, die durchaus edler Gesinnung waren und wussten, wie wichtig es ist, einem in Not geratenen Menschen zu helfen. In der konkreten Situation haben sie allerdings versagt. Der Priester und der Levit gingen an dem Mann, der von den Räubern schlimm zugerichtet wurde, vorbei. Ich persönlich kann und will mir nicht vorstellen, dass sie es „mir nichts, dir nichts“, aus Sorglosigkeit getan haben. Vielleicht hatten sie Termine, die sie für sehr wichtig erachteten. Vielleicht warteten unerfüllte Aufgaben auf sie. Vielleicht hatten sie sonstigen Stress, oder sie waren ganz einfach in Beschlag genommen von ihrem Ziel. Jedenfalls gingen sie, ohne zu helfen, weiter.

Anders der Samariter. Er gehörte weder zur gesellschaftlichen, noch zur religiösen Elite des Landes. In Juda galten die Samariter nämlich als Fremde und als Irrgläubige. Von diesem heißt es, dass er den Mann, der unter die Räuber gefallen war, sah und Mitleid mit ihm hatte. In aller Ausführlichkeit beschreibt Jesus im Gleichnis, wie der Samariter dem Schwerverletzten geholfen hat. Er leis­tete nicht bloß Erste Hilfe, sondern kümmerte sich auch um eine längerfristige Versorgung, indem er den Mann in eine Herberge brachte, selbst eine Nacht dort verbrachte und schließlich noch Geld für die weitere Pflege zur Verfügung stellte. Nichts anderes war für den Samariter in der konkreten Situation wichtiger, als dem Mann in dessen Notsituation beizustehen und zu schauen, dass er wieder auf die Beine kommt.

Ausdrücklich erwähnt Jesus, dass der Priester und der Levit „sahen“, aber vorübergingen. Es war wohl bloß ein äußerliches Sehen. Das Sehen des Samariters hatte demgegenüber eine andere Qualität. Er sah mit dem Herzen auf den notleidenden Mann. So kam es, dass in ihm Mitleid geweckt wurde. Wir können von daher sagen: Mitleid kommt vom Sehen mit dem Herzen. Mir fällt dazu einmal mehr der bekannte Spruch von Antoine de Saint-Exupéry ein: „Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Durch das Sehen mit dem Herzen wurde der Samariter zum solidarischen Handeln motiviert. So brauchte er offensichtlich nicht lange überlegen, sondern hat mit großer Selbstverständlichkeit getan, was zu tun war. Er hat menschlich gehandelt.

Gott sei Dank gab und gibt es zu allen Zeiten Menschen, die zum Sehen mit dem Herzen fähig und zum solidarischen Handeln bereit sind. Die großen Heiligen der Nächstenliebe sind Musterbeispiele dafür, wie sie auch immer heißen: der heilige Martin, die heilige Elisabeth, die heilige Mutter Teresa von Kalkutta oder der heilige Kamillus von Lellis, dessen Gedenktag die Kirche demnächst, am 14. Juli, feiert. Von ihm stammt das Wort: „Legt euer Herz in eure Hände.“ Genau das hat der barmherzige Samariter getan. Das ist auch unser Auftrag im Hier und Heute – immer wieder neu!

Es gehört zur menschlichen Kultur schlicht dazu, dass man jenen Menschen hilft, die keine oder kaum eine Möglichkeit zur Selbsthilfe haben. Sonst würden wir in einer ziemlich kalten und dunklen Gesellschaft leben. | Foto: Halfpoint – stock.adobe.com
P. Martin Leitgöb | Foto: zVg
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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