29. Sonntag: P. Leopold Kropfreiter
Glaube berührt das Innerste unserer Existenz

Ein Kreuz mit brennenden Kerzen steht vor dem Kolosseum in Rom, einem Ort blutiger Christenverfolgungen in der Antike. Damals wie heute finden Menschen im Glauben eine Quelle der Kraft und der Hoffnung, die sie auch nicht vor Gewalt und vor dem Tod resignieren lässt.
 | Foto: Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA
  • Ein Kreuz mit brennenden Kerzen steht vor dem Kolosseum in Rom, einem Ort blutiger Christenverfolgungen in der Antike. Damals wie heute finden Menschen im Glauben eine Quelle der Kraft und der Hoffnung, die sie auch nicht vor Gewalt und vor dem Tod resignieren lässt.
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Das Evangelium dieses Sonntags provoziert, gibt keine einfachen Lösungen, lässt uns zurück mit einer Frage, die für uns eigentlich unbeantwortbar scheint: Hört uns Gott? Vielleicht sind wir zu weit weg, zu klein und unbedeutend, als dass er sich um unsere Probleme kümmern würde.

Glaube ist eine „Super-Kraft“

In der stalinistischen Ära wurden hunderttausende Menschen in die endlosen Steppen Kasachstans deportiert. Nur mit den nötigsten Habseligkeiten wurden sie in Viehwaggons verladen und wochenlang unter schlimmsten Bedingungen immer weiter nach Osten transportiert. Unter den wenigen Habseligkeiten befanden sich fast immer die Bibel und ein Gesangs- und Gebetbuch. Viele diese Bücher befinden sich jetzt in unseren Pfarreien. Sie sind vergilbt, die Seiten fast durchsichtig und abgegriffen, jede Seite „durchbetet“. Die Menschen wurden gezwungen, in selbstgegrabenen Erdhöhlen die grausamen Steppenwinter zu überleben, bis zu minus 50 Grad unter Ungeziefer, Schmutz, Eis und Kälte. Zahllose Menschen starben unter diesen schlimmen Bedingungen. Sie hatten nur einen tief verwurzelten Glauben, der ihnen Hoffnung über dieses Leben
hinaus gab.

Glaube geht über unsere eigenen menschlichen Fähigkeiten hinaus. Übermenschliche Fähigkeiten werden heute in zahllosen Filmen in den verschiedensten Variationen thematisiert. Superhelden haben Fähigkeiten, Kräfte, die über das normal menschliche Maß hinausgehen. Unser Glaube ist ebenfalls eine „Superkraft“: Sie geht über das normal menschliche Maß hinaus, kann Berge versetzen. Wir erlangen diese „Superkraft“ durch die Berührung und Berufung mit Christus in der Taufe, der Firmung und im gläubigen Annehmen und Mitwir­ken mit der Gnade Gottes.
Der Glaube, von dem das Evangelium heute spricht, ist kein theoretischer „Kopfglaube“, sondern berührt und bindet uns im Innersten unserer Existenz.

Im tiefsten Dunkel ist Gott bei mir. Egal, was mit mir passiert, diese Konstante bleibt: „Ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,28f.).

Wird Gott helfen?

Das heutige Evangelium sagt das verheißungsvolle Wort: unverzüglich. Dieses Wort weckt uns auf, spornt uns an, lässt kein Wenn und Aber zu. Damit aus der Verheißung Realität wird, drückt Gott nicht einfach nur auf einen „Wunderknopf“. So wie der Glaube kein mechanisches Erfüllen von Formeln ist, sondern Ruf Gottes und Antwort des Menschen, so auch seine Verheißung: Sie geht in Erfüllung, aber nicht ohne den Menschen. Gott lässt uns in seinem Heilsplan mitwirken. Wir haben zahlreiche Beispiele dafür in der Bibel. Im Richterbuch findet sich zum Beispiel die Berufung des jungen Mannes Gideon: Der jüngste Sohn einer unbedeutenden Familie des kleinsten Stammes klagt Gott, wie schlimm und scheinbar hoffnungslos die Lage ist: „Wo sind alle seine Wunder, die uns unsere Väter erzählten?“, fragt er deprimiert. Die Antwort Gottes ist frappierend: „Siehe, ich habe dich gesandt!“ (vgl. Ri 6,13-14).

Die Antwort Gottes auf die Herausforderungen unserer Zeit ist unsere Berufung: Er sendet dich, du bist auserwählt! „Ich rufe dich“, sagt er uns im Hier und Jetzt. Wenn er uns ruft, gibt er auch Kraft, Ideen und Durchhaltevermögen.

Der ungerechte Richter

Das Bild, das Jesus im Evangelium verwendet, schreckt uns zunächst ab: Ein ungerechter Richter, dem die Not der Einfachen und Benachteiligten egal ist. Auf das beständige Bitten der Witwe reagiert er nicht, um Recht und Gerechtigkeit wiederherzustellen, sondern nur, um endlich seine Ruhe zu haben.

Um das Gleichnis Jesu zu verstehen, dürfen wir nicht übersehen, dass Christus uns hier sagt: Genau so ist Gott nicht. Das unterstreicht er auch mit den Worten: „seine Auserwählten“ und „unverzüglich“. Wir sind ihm nicht gleichgültig, sondern die, auf die er seinen liebenden Blick geworfen hat: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“, sagt er zu seinen Jüngern.

Zugleich dürfen wir verstehen, dass Gott nicht einfach etwas gibt. Er gibt uns immer mehr, als wir bitten und uns auch vorstellen könnten. Er gibt sich selbst. Im Gebet bauen wir nicht nur ein Verhältnis von Geben und Empfangen auf, sondern zuallererst öffnet Gott sich uns selbst, nimmt uns hinein in sein Leben. Bitten wir den Heiligen Geist, damit wir wirklich verstehen, was uns Not tut und worum wir bitten sollen!

Autor

P. Leopold Kropfreiter SJM stammt aus Arbesbach im Waldviertel. Er gehört der Gemeinschaft Diener Jesu und Mariens (SJM) in Blindenmarkt an. Nach der Priesterweihe im Jahr 2008 kam er nach Kasachstan. Heute betreut er im Norden des Landes die Pfarren Korneewka und Tonkoschurowka und arbeitet kasachstanweit in der Jugendarbeit. 2018 übernahm er auch die Leitung der Schule „St. Lorenz“ in Korneewka. Seit 2015 ist er Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Kasachstan.

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Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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