Wort zum Sonntag - von Gerrit Schulte / KNA
Der Hirte – Urbild liebender Fürsorge

Das Bild des guten Hirten ist verständlich, weil es schon immer in uns liegt – als tiefe Sehnsucht und als Hoffnung. Bild: Ein Wanderschäfer in der Eifel. | Foto: Erika Rebmann/KNA
  • Das Bild des guten Hirten ist verständlich, weil es schon immer in uns liegt – als tiefe Sehnsucht und als Hoffnung. Bild: Ein Wanderschäfer in der Eifel.
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Ich bin der gute Hirt.“ Das Wort, das Jesus im Johannes-Evangelium nennt, ist ein Bild für seinen Dienst, das wir auch heute noch auf Anhieb verstehen. Obwohl wir Hirten – wenn überhaupt – nur noch im Urlaub zu Gesicht bekommen, ist uns dieses Bild vertraut. Psychologen sagen, es liegt in uns, es ist ein Urbild des Menschen, ein archetypisches Bild: Geborgenheit und Sicherheit, liebende Fürsorge klingen darin an.

Der mit so viel Sympathie, mit naturverbundener Fürsorge und Gelassenheit in Verbindung gebrachte Beruf spielt in der gesamten Bibel eine große Rolle. Die Urväter Israels werden als Hirten bezeichnet. König David wird von der Herde weg zum Hirten seines Volks berufen: „Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über mein Volk Israel wirst.“ Und Amos wird vom Schafzüchter zum Propheten berufen. Von guten und schlechten Hirten lesen wir bei Ezechiel und Jesaja: „Weh den Hirten Israels, die nur sich selbst weiden“, heißt es da warnend. Und so spricht Gott, der Herr: „Wie ein Hirt sich um die Tiere seiner Herde kümmert an dem Tag, an dem er mitten unter den Schafen ist, die sich verirrt haben, so kümmere ich mich um meine Schafe und hole sie zurück von all den Orten, wohin sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben.“ Das zu erwartende messianische Heil wird von den Propheten in das Bild des Hirten gekleidet.

Nicht zu vergessen ist auch der Psalm 23. Kein anderes Gebet wird von Menschen in Not und Trauer mit solcher Intensität gebetet wie dieses tröstende Wort von Gott, der mit uns ist: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen.“ Ein Bild vom Vertrauen, auf den Pfaden des Lebens und gerade auch in den Wüsten des Leidens nicht allein gelassen zu sein. Der gute Hirte findet nicht nur die fetten Weideplätze, er gibt auch Halt und Zuversicht auf den Durststrecken des Lebens, den dunklen und schmalen Wegen, ja sogar in todesfinsterer Schlucht. Und was wäre die Weihnachtsgeschichte ohne die Hirten auf dem Felde, die im Lukasevangelium als Erste die frohe Botschaft erfahren: „Ich verkünde euch eine große Freude. Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren.“

Die Lämmer und Schafe sind Gottes Eigentum

Als Hirten werden im Neuen Testament auch die Leiter der Gemeinden genannt. Der Auferstandene erteilt Petrus im Johannes-Evangelium den Auftrag: „Weide meine Schafe!“ Das macht deutlich: Lämmer und Schafe bleiben Eigentum Gottes. In der Abschiedsrede des Paulus in Milet ist zu lesen: „Gebt Acht auf euch und auf die ganze Herde, in der euch der Heili­ge Geist zu Bischöfen bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Kirche Gottes sorgt.“ Und Paulus ahnt auch schon, was nach seinem Weggang folgt: „Reißende Wölfe werden bei euch eindringen und die Herde nicht schonen.“

Das Bild des guten Hirten ist verständlich, weil es schon immer in uns liegt – als tiefe Sehnsucht und als Hoffnung. Unser Leben, unser Alltag, unser Leiden, unsere Erfahrungen mit unseren Mitmenschen, auch mit denen in der Kirche, sind leider oft vom Gegenteil geprägt. Da wird der Mensch nicht zum Hirten, sondern zum natürlichen Feind des anderen Menschen. Thomas Hobbes brachte diese Erfahrung vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Kriegs auf den Punkt: „Homo homini lupus“ („der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“). Der Mensch steht im ständigen Krieg aller gegen alle – „bellum omnium in omnes“.

Das Wort vom guten Hirten ist zu dieser negativen und hoffnungslos tödlichen Erfahrung, die keinen Raum zum Leben und keine Luft zum Atmen lässt, der Gegenentwurf Gottes. Ein österliches Bild, das in unserer oft dunklen Welt das Reich Gottes aufleuchten lässt: Liebende Fürsorge statt eines rücksichtslosen Egoismus, Mitfühlen an Stelle von Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Leid. Sorge um die Schwachen und Verlorenen statt Herrschaft und Arroganz. „Ich kenne die Meinen“, sagt Jesus. Jesus kennt mich persönlich. Welch eine Botschaft!

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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