Wort zum Sonntag von P. Vitus Weichselbaumer OSB
Damit das Öl nicht zur Neige geht

An alten Domportalen wie hier in Erfurt sind oft die „klugen“ und die „törichten“ Jungfrauen dargestellt – in der Erwartung, zum Hochzeitsmahl zu kommen. Was für Gesichter! Hier das heitere, erlöste Lachen der klugen, die mit dem Bräutigam ziehen… | Foto: Von Autor unbekannt - Mylius, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12359106
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  • An alten Domportalen wie hier in Erfurt sind oft die „klugen“ und die „törichten“ Jungfrauen dargestellt – in der Erwartung, zum Hochzeitsmahl zu kommen. Was für Gesichter! Hier das heitere, erlöste Lachen der klugen, die mit dem Bräutigam ziehen…
  • Foto: Von Autor unbekannt - Mylius, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12359106
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Abgehetzt, atemlos und schwere Koffer in beiden Händen kommen wir zum Bahnsteig, freuen uns, dass der Zug, den wir unbedingt erreichen müssen, noch da steht, aber – die Tür rührt sich nicht, trotz ungefähr hundertmaligen Drückens auf den Knopf zum Öffnen. Der Zug ist schon abgefertigt, nichts geht mehr und hilflos können wir nur mehr zuschauen, wie er sich langsam in Bewegung setzt und gemeinsam mit unseren Plänen, einen Termin noch rechtzeitig zu erreichen, abfährt.

Manchen kommen dabei Tränen, manchen die Wut, da sind wir verschieden. Wer regelmäßig Zug fährt, hat so etwas aber wahrscheinlich schon erlebt. Wenn nicht: Hut ab vor so viel Organisiertheit. Danach fängt das zornige Nachdenken an: Wenn der nicht noch ange­rufen hätte … Wenn die mir nicht auf dem Weg begegnet wäre … Wenn der Bus schneller gewesen wäre … doch das ganze Nachdenken hilft nichts. Wenn das Gemüt etwas ausgekühlt ist, stellen wir sehr häufig fest: Eigentlich sind wir selber schuld. Wären wir nur fünf Minuten früher weggegangen, wäre das alles kein Problem gewesen.

Rechtzeitig Öl kaufen:
Das heißt, Erfahrungen mit Christus zu sammeln.

Was in solchen Situationen eventuell noch helfen kann, wird den törichten Jungfrauen im teils nach ihnen benannten Gleichnis zum Verhängnis: die Verspätung.

Anders als beim Zug ist die Verspätung des Bräutigams bei einer Hochzeit zur Zeit und in der Gegend Jesu sozusagen vorprogrammiert. Es gehört beinah zum guten Ton. Denn die Verspätung kam zustande, indem die Familie der Braut den Brautpreis noch nachzuverhandeln versuchte. Für uns heute klingt das anstößig, aber versuchen wir es mit den Augen von damals zu sehen: Je später der Bräutigam kam, desto „wertvoller“ war die Braut. Die törichten Jungfrauen hatten so gesehen nicht mit so einem großen „Brautwert“ gerechnet.
Der Bräutigam ist Christus, der sich mit seiner Braut, dem Volk Gottes, das heißt der Kirche, vermählt. Töricht ist, wer den Wert der Kirche unterschätzt.

Das Gleichnis steht in einer ganzen Reihe anderer, die das richtige Verhalten während der Zeit des Wartens zum Thema haben. So können wir auch verstehen, welches Problem der Bräutigam hat, als die Jungfrauen zu spät kommen und anklopfen. Er kennt sie nicht, weil sie diese Zeit der Erwartung nicht damit verbracht haben, den Bräutigam Christus kennenzulernen. Das ist das Öl, das sie im Vorfeld nicht besorgt haben – die Zeit, die sie mit Christus nicht verbracht haben, um ihn kennenzulernen. Und jetzt ist es zu spät, der Zug fährt ab – ohne sie.

Tun, was die klugen Jungfrauen tun

Dass im Gleichnis der Bräutigam um Mitternacht kommt, zeigt an, dass die Stunde vollkommen im Dunkeln liegt, also dass wir überhaupt nicht erahnen können, wann es so weit ist. Das soll uns aber nicht abhalten, das zu tun, was die klugen Jungfrauen tun, denn dazu will Jesus uns mit seinem Gleichnis natürlich führen.
Rechtzeitig Öl kaufen: Das heißt, Erfahrungen mit Christus zu sammeln im Gebet, in der Lesung der Heiligen Schrift, in der Begegnung mit anderen Gläubigen und mit den Ärmsten und Bedürftigsten.
Genug Öl kaufen: Das heißt, alles in großer Wertschätzung gegenüber der Kirche zu tun, weil wir als Einzelne auf die Gemeinschaft des Volkes Gottes angewiesen sind, wo Sakramente gespendet werden, wo eine solche Gotteserfahrung gemacht werden kann, die man nur gemeinsam machen kann. Und weil auch die Gemeinschaft des Volkes Gottes auf alle Einzelnen angewiesen ist, auf jede einzelne persönliche Gotteserfahrung und auf die Bereitschaft, sich zum Dienst an Gott zur Verfügung zu stellen.

Diese Erfahrungen, die das Öl sind, kann man nicht in dem Sinn teilen, dass man die Hälfte davon hergeben kann. Man kann sie aber mitteilen, und das sollen wir großzügig tun, weil wir damit helfen, dass Menschen Christus kennenlernen und so fähig werden, in die wunderschöne Hochzeitsfeier des Bräutigams Christi mit seiner Braut, der Kirche, hinein­genommen zu werden.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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