Interview mit Isabella Bruckner
"Gebet ist unnütz, aber es hilft"

Isabella Bruckner wuchs in Ferschnitz bei Amstetten auf. Beim Auswahlverfahren für die Professur an der päpstlichen Benediktinerhochschule Sant'Anselmo war die Theologin die einzige Österreicherin und überhaupt die jüngste Kandidatin. | Foto: Klaus Gasperi
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  • Isabella Bruckner wuchs in Ferschnitz bei Amstetten auf. Beim Auswahlverfahren für die Professur an der päpstlichen Benediktinerhochschule Sant'Anselmo war die Theologin die einzige Österreicherin und überhaupt die jüngste Kandidatin.
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2022 war für die junge Theologin Isabella Bruckner aus Amstetten (31) ein sehr erfolgreiches Jahr. Für ihre Dissertation über das Gebet wurde sie von der Universität Innsbruck mit dem renommierten „Karl-Rahner-Preis“ ausgezeichnet. Gleichzeitig erhielt sie ihre erste Professorenstelle in Rom. Wir haben Isabella Bruckner in Rom besucht.

Frau Bruckner, was waren Ihre Motive, sich für die Stelle in Rom zu bewerben?

Isabella Bruckner: Ich habe in Linz als Assistenzprofessorin gelehrt, aber ich wollte noch einmal weiter weg. Amerika hätte mich interessiert, und dann eben Rom, wo man mittendrin ist im Zentrum dieser Weltkirche. Auch, um diese Institution Kirche besser zu verstehen.

Sie sind in der Nähe von Amstetten, in Ferschnitz, aufgewachsen. Was hat Sie eigentlich zur Theologie geführt?

Bruckner: Ich komme aus einer eher säkularen Familie, aber ich hatte von Kindheit an eine gewisse religiöse Ader. Nach der Firmung mit 13 Jahren habe ich dann begonnen, regelmäßig in die Kirche zu gehen, und ich wurde Leiterin bei der Katholischen Jungschar. In der Oberstufe besuchte ich das Gymnasium im Stift Melk, das für mich eine Atmosphäre der Gastfreundschaft ausstrahlte. Dieser entspannt offene religiöse Geist und gleichzeitig die Treue zu dieser spirituellen Tradition, das hat mir viel mitgegeben. Auch Fahrten nach Taizé oder zu einem vom Stift betreuten Sozialprojekt in Saniob in Rumänien, wo ich auch ein paar Monate lang als Freiwillige arbeitete, hatten einen gewissen Einfluss.

Wie erleben Sie die Atmosphäre an der Benediktinerhochschule Sant’Anselmo?

Bruckner: Die Gemeinschaft hier ist sehr interkulturell. Klöster aus der ganzen Welt schicken ihre Mitbrüder hierher. Laien hingegen gibt es nur wenige, das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zu Österreich. Hier in Sant’Anselmo kommen die Studierenden oft noch aus einer ungebrochen religiösen Umgebung. Ich hingegen bin es gewohnt, dass mein Gesprächspartner ein nicht oder nicht mehr religiös geprägter Mensch ist. Für die Studierenden ist es daher manchmal überraschend, wie ich meine Fragen stelle.

Worin besteht Ihre konkrete Aufgabe hier in Rom?

Bruckner: Mir ist es ein Anliegen, Begriffe der christlichen Spiritualität aufzunehmen und sie in ihrer Bedeutung für den Menschen heute zu beleuchten. Es ist wichtig für die religiösen Studenten hier, zu sehen, dass die Begriffe, die sie verwenden, schon von anderswoher kommen, aber auch außerhalb des Religiösen eine Bedeutung haben. Vielleicht lässt sich von diesem Außerhalb auch etwas lernen fürs Eigene. Das hilft, den Horizont zu weiten auf den Anderen hin.

Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

Bruckner: Der Begriff der Freundschaft spielt zum Beispiel in der mittelalterlichen Tradition eine zentrale Rolle. Schon Thomas von Aquin verwendet ihn, um die Beziehung zwischen Gott und Mensch zu denken. Der Begriff war aber bereits in der Antike wichtig, ebenso wie in der Philosophie der Gegenwart, bei Hannah Arendt oder Jacques Derrida etwa. Unsere eigene Tradition bietet da ein Potenzial, das wir auch anderen wieder anbieten können. Und ich möchte schauen, wo sich Gesprächsmöglichkeiten mit zeitgenössischen Vorstellungen bieten.

Hat das Christentum den Begriff der Freundschaft aus der Antike übernommen oder ihn auch neu interpretiert?

Bruckner
: In der Antike wurde Freundschaft in einer Gruppe von Gleichrangigen gepflegt. Im Christentum aber konnte man plötzlich mit jedem und jeder befreundet sein, man musste weder derselben Gruppe noch demselben Geschlecht angehören. Der Historiker Ivan Illich macht das am Gleichnis vom barmherzigen Samariter fest. Jesus zeigt damit die unerhörte Freiheit des Samariters, der sich des überfallenen Juden erbarmt. Für uns ist das heute selbstverständlich, aber damals widersprach das allen gesellschaftlichen Regeln! Der Samariter hält inne, weil es ihn „im Innersten traf“. Das Erbarmen hat ja biblisch mit dem Innerlich-angerührt-Werden, mit der Berührbarkeit zu tun. Diese Berührbarkeit ist auch eine Art Geschenk.

Da stellt sich die Frage nach der Berührbarkeit in unserem Alltag.

Bruckner: Und natürlich auch in der Kirche! Wo gibt es da diese Offenheit für den Anderen? Dieser Öffnung bedarf es immer wieder neu. Da hilft das Gebet zur Bewusstwerdung. Denn angesichts der Reizüberflutung unserer Gesellschaft können Stille und Gebet zu einem bewussteren Umgang mit sich selbst und mit der Umwelt führen.

Mit dem Gebet haben Sie sich ja intensiv in Ihrer Dissertation beschäftigt.

Bruckner: Der Dichter und Pfarrer Christian Lehnert sagt: „Gebet ist Taugenichtstun.“ Es ist zu nichts nütze, es geht nicht darum, was man erreicht, sondern um die Tätigkeit des Betens selber. Wir fragen ja oft: „Hilft das Gebet oder hilft es nicht?“ Aber vielleicht ist das schon die falsche Frage. Es geht darum, anzuerkennen, dass wir nicht alles aus uns selber haben. Unabhängig davon, ob wir das Ersehnte auch bekommen: Schon das Versprachlichen unserer Wünsche hilft! Das Sprechen, aber auch Gesten wie das Anzünden von Kerzen, das sind Prozesse, in denen wir lernen, besser mit unseren Gefühlen umzugehen, sie fassbar zu machen. Gebet und Liturgie öffnen Räume, wo sich der Mensch selbst entdecken kann, aber auch von sich selber wegkommt und so offen wird für das oder den Anderen.

Wir fragen ja oft: „Hilft das Gebet oder hilft es nicht?“
Aber vielleicht ist das schon die falsche Frage.

Das Gebet hilft uns auch, dass wir uns aus unseren Abhängigkeiten befreien?

Bruckner: Das Element des Glaubens verlangt immer eine gewisse Öffnung. Wenn es mir schlecht geht und ich einen Lobpsalm bete, dann komme ich vielleicht zu einer anderen Sicht der Dinge, die mich von meinen eigenen Vorstellungen befreit. Letztlich geht es um das Zulassen eines Anderen, den ich nie ganz durchschauen kann. Das ist ja auch in jeder menschlichen Beziehung so: Man versucht, dem Anderen Platz zu machen. Erst durch das Eingestehen unserer Schwäche schenkt sich das große Glück der Liebe: erfahren zu dürfen, dass mich ein Anderer gerade in dieser Schwäche annimmt und bejaht. Im Gebet können wir unsere Ohnmacht zum Ausdruck bringen, und das ist in gewisser Weise schon eine Befreiung, wenn man nicht mehr stumm leidet oder die eigenen Gefühle verdrängt.  Interview: Klaus Gasperi

Isabella Bruckner wuchs in Ferschnitz bei Amstetten auf. Beim Auswahlverfahren für die Professur an der päpstlichen Benediktinerhochschule Sant'Anselmo war die Theologin die einzige Österreicherin und überhaupt die jüngste Kandidatin. | Foto: Klaus Gasperi
Die päpstliche Benediktiner Hochschule Sant'Anselmo | Foto: Klaus Gasperi
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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