Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit
Suche nach einer Antwort auf den Schrei der Armut

Armut hat viele Gesichter, aber ist selten in der Öffentlichkeit sichtbar. In Österreich sind besonders alleinerziehende Frauen, Familien mit mehreren Kindern und Mindestpensionisten von Armut betroffen.  | Foto: penyushkin– stock.adobe.com
  • Armut hat viele Gesichter, aber ist selten in der Öffentlichkeit sichtbar. In Österreich sind besonders alleinerziehende Frauen, Familien mit mehreren Kindern und Mindestpensionisten von Armut betroffen.
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Am zweiten Sonntag der Osterzeit, am 16. April, begeht die Kirche den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Barmherzigkeit, im lateinischen misericordia, bedeutet wörtlich übersetzt, das Herz bei den Armen haben. Mit der Caritas hat die Diözese St. Pölten ihr Herz bei den Armen, den Kranken, den Einsamen, den Leidenden ... Caritas-Direktor Hannes Ziselsberger schreibt in diesem Beitrag über die verschiedenen Gesichter der Armut in unserer Zeit und was die Gesellschaft gegen Armut tun kann.

Wer in den vergangenen Monaten Medien konsumiert hat, wurde mehrmals auf die Auswirkungen der Teuerung der letzten Monate aufmerksam. Armut ist seit jeher Bestandteil fast aller Gesellschaften und die Caritas ist seit über einem Jahrhundert eine Antwort der katholischen Kirche auf die Fragen von Armut und Ausgrenzung.
Barmherzigkeit – also die tätige Nächstenliebe – kann und soll aber nicht die einzige Antwort auf eine Gesellschaft sein, die Armut zulässt oder sogar verstärkt. Wie kann Caritas heute auf den Schrei der Armut Antwort geben? Welchen Herausforderungen stehen wir gegenüber und welche Möglichkeiten der Armutsbekämpfung sehen wir als Caritas?

„Armut, die uns tagtäglich begegnet“

Armut ist ein vielfacher Begriff. Ich möchte mich hier auf materielle, unfreiwillige und krankmachende Armut beziehen, die uns tagtäglich in den Caritas-Sozialberatungsstellen begegnet.

Materielle Armut bedeutet, dass das Geld nicht ausreicht, um alle Verpflichtungen des Alltags bestreiten zu können. Dafür gibt es einen Richtwert, der als „Armutsgefährdungsschwelle“ bekannt ist. Es handelt sich dabei um 60 Prozent des Median-Einkommens und betrug in Österreich für 2021 den Betrag von 1.371 Euro monatlich (12mal). Weitere erwachsene Personen im Haushalt werden mit 50 Prozent, Kinder mit 30 Prozent dieses Wertes berechnet. Wer weniger verdient, gilt als armutsgefährdet. Besonders schwierig wird es, wenn bestimmte Ausgaben, wie die Reparatur einer Waschmaschine, Mietkosten oder Energiekosten nicht mehr bezahlt werden können. Als unterstes Sicherheitsnetz dient diesen Menschen die Sozialhilfe, die im Jahr 2023 monatlich einen Betrag von 632,18 Euro für Lebenskosten und 421,46 Euro für Wohnungskosten bereitstellt. Mit der Anzahl der Personen sinkt der Betrag. Besonders Kinder leiden hier oft sehr und kinderreiche Familien sind besonders gefordert. In großen Familien wird pro Kind nur noch 126,44 Euro Unterstützung geleistet. Kinderarmut senkt aber deren Zukunftschancen beträchtlich.

Wir Christen glauben an einen Gott der Befreiung, einen Gott, der sich den Armen zuwendet, barmherzig ist und zum Heil der Menschen beitragen möchte.

Unfreiwillige Armut belastet. Wir finden in unserer Gesellschaft auch selbst gewählte Formen von Armut. Bescheiden zu leben wird immer mehr zu einem Trend der Zeit und es ist vielen wichtig, Ressourcen schonend zu nutzen.

Klöster sind beispielsweise Lebensorte von Frauen und Männern, die Armut geloben und in der Gemeinschaft für ihre materielle Absicherung sorgen. Diese freiwilligen Formen von Armut sind kostbar und werden oft bereichernd erlebt. Aber unfreiwillige Armut kennt diese positiven Aspekte nicht. Unfreiwilligkeit schränkt ein, macht Angst, fördert Ohnmacht und reduziert Handlungsspielräume. Unfreiwillige Armut ist eine Belastung und schreit nach Befreiung. Wir Christen glauben an einen Gott der Befreiung, einen Gott, der sich den Armen zuwendet, barmherzig ist und zum Heil der Menschen beitragen möchte. Die Geschichte der Beziehung zwischen Gott und den Menschen ist immer eine Geschichte der Befreiung aus Unterdrückung. Befreiung hat hier einen doppelten Sinn, nämlich die Befreiung des konkreten Menschen von Hunger, Existenzangst oder Ausgrenzung und die Befreiung der Gesellschaft von den Ursachen der Armut.

Krankmachende Armut bedroht die Integrität der Betroffenen. Wir haben es hier mit unterschiedlichen Begleiterscheinungen von Armut zu tun. Im Gespräch mit Fachkräften höre ich oft, dass Armut zu Aggression in Familien führt. Die finanzielle Belastung führt zur psychischen Überforderung und mündet in Gewalt. Aber auch nach innen gerichtete Gewalt wird sichtbar. Antriebslosigkeit, Depression oder gesellschaftlicher Rückzug sind Folgen von Armut. Von Armut betroffene Menschen sind kränker und leiden öfter daran, dass ihre Gesundheit dauerhaft angeschlagen ist. Sie nehmen weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch und leiden länger.

Im Spannungsfeld zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

Als Caritas stehen wir im Spannungsfeld zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit: Einerseits leisten wir tätige Nächstenliebe, wir beraten betroffene Menschen, analysieren mit ihnen ihre Situation und versuchen Wege aufzuzeigen, wie sich das Leben finanziell wieder ausgehen kann. Wir helfen mit kleinen Beträgen, wo es am dringendsten ist: Wir übernehmen eine Monatsmiete, wir unterstützen bei den Energiekosten, wir geben Lebensmittel- und Bekleidungsgutscheine aus. Eine wichtige Hilfe ist die Beratung bei der Antragstellung für Sozialleistungen oder für die Befreiungen von Gebühren. Neben den von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Unterstützungen, wie etwa der „Wohnschirm“ oder die „Energieberatung“, sind es vor allem unsere zahlreichen Spenderinnen und Spender, die diese Hilfe durch ihre Sach- oder Geldspende ermöglichen. An dieser Stelle auch dafür Danke.

Andererseits treten wir für eine Gesellschaft ein, in der Armut durch ausreichende Sozialgesetze bekämpft wird. Hier leitet uns ein Wort aus dem Dekret Apostolikcam Actuositatem (1965): „Zuerst muss man den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist. Man muss die Ursachen der Übel beseitigen, nicht nur die Wirkungen. Die Hilfeleistung sollte so geordnet sein, dass sich die Empfänger, allmählich von äußerer Abhängigkeit befreit, auf die Dauer selbst helfen können.“

„Brich mit dem Hungrigen dein Brot, führe den armen Obdachlosen in Dein Haus“(Jesaja 58,7).

Vatikanische Texte sind voll von Aufrufen zu Solidarität und Gerechtigkeit und das Wort aus Jesaja 58,7 „Brich mit dem Hungrigen dein Brot, führe den armen Obdachlosen in Dein Haus“ ist gemeinsam mit Matthäus 6,33 „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazu gegeben“ ein Hinweis, wie dieses Spannungsfeld aufgelöst werden kann. Wir müssen daran arbeiten, das Reich Gottes zu verwirklichen und solange dieses nicht gelungen ist, mit tätiger Hilfe für den Nächsten in Not eintreten.

Ich möchte Sie einladen, beide Aufgaben der Caritas zu unterstützen. Helfen Sie uns, Menschen in Armut Hilfe geben zu können und stehen Sie mit ein für eine Gesellschaft, in der Armut strukturell und nachhaltig bekämpft wird. Wenn wir im Vaterunser beten „Dein Reich komme“, so ist damit auch für diese Welt schon eine Gesellschaft gemeint, die Not und Elend vermeidet, und von Zuwendung und Wertschätzung, von Respekt und Gerechtigkeit, von Barmherzigkeit und Freiheit geprägt ist.

Helfen

Sie selbst oder jemand, den Sie kennen, benötigen Hilfe und Unterstützung angesichts von Teuerung und Inflation? Die Sozialberatung der Caritas erreichen Sie unter Tel. 02742/841 390 oder online unter www.caritas-wegweiser.at

Falls Sie die Arbeit der Caritas unterstützen wollen:
Caritas Spendenkonto, Kennwort:
Inlandshilfe. IBAN: AT28 3258 5000 0007 6000
Online-Spenden: www.caritas-stpoelten.at/spenden

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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