Erzählung
Ein schwerer Stein

Foto: emaria – stock.adobe.com

Es war nur eine kleine Unachtsamkeit – ein hastiger Schritt zu nahe am Bordstein, und schon schlingerte Petra, strauchelte und stürzte auf die Straße. Zum Glück griffen viele helfende Hände beherzt zu und zogen sie zurück auf den sicheren Weg. Als sie sich etwas erholt hatte, hörte sie eine fragende Stimme: „Petra?“

„Gabi?“ Es war ein ganz und gar unerwartetes, frohes Wiedersehen nach so vielen Jahren. Gemeinsam strebten die Schulfreundinnen zum nächst gelegenen Café. Gabi bemühte sich, die noch etwas unsicher gehende Freundin zu unterstützen. Nach einer ersten wärmenden Tasse Kaffee taute Petra sprichwörtlich auf. Sie erzählte von ihrer schwierigen, belastenden Situation: Die kranke Mutter brauche Pflege und Aufmerksamkeit. „Dabei gibt es zu Hause genug eigene Probleme. Jürgen ist viel auf Geschäftsreisen. Da ich auch berufstätig bin, sind die Kinder oft sich selbst überlassen. Sie suchen sich Freunde, die nicht gut für sie sind. Sie vernachlässigen ihre Haus­aufgaben. Oft fühle ich mich ausgelaugt, erschöpft und ehrlich gesagt ziemlich ratlos.“

Gabi hatte geduldig zugehört. „Was du erzählst, beschreibt ein Füllhorn an Überforderungen und belastenden Situationen. Mit so vielen Schwierigkeiten kannst du unmöglich alleine fertig werden. Sie rauben dir deine ganze Energie.“

„Weißt du einen Ausweg?“

„Ich werde dir eine kurze Geschichte erzählen, die mir gut gefällt: Ein kleiner Bub versuchte unter Aufbietung aller Kräfte einen gewaltigen Stein vorwärts zu schieben. Trotz vieler Versuche und größter Anstrengung gelang es ihm nicht. Sein Vater schaute ihm eine Weile geduldig zu. Dann fragte er den Sohn: ,Hast du wirklich alle Kräfte eingesetzt, die dir zur Verfügung stehen?‘ – ,Ja, das siehst du doch‘, antwortete der Bub. ,Das glaube ich dir nicht‘, antwortete der Vater. – ,Warum glaubst du es nicht?‘ – ,Weil du mich noch nicht um Hilfe gefragt hast.‘“
Petra saß ganz still. Dann nickte sie. „Ich verstehe, was du meinst. Früher hatte ich diese Kraftquelle. Doch im Laufe der Jahre ist sie irgendwann verloren gegangen. Es wird höchste Zeit, diese hilfespendende Verbindung wieder aufzunehmen.“

Ursula Berg

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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