Franz Scheidl aus Neuhofen/Ybbs schreibt seit 65 Jahren täglich in sein Tagebuch
Der tägliche Begleiter

Foto: Foto: MarekPhotoDesign.com – stock.adobe.com

Ein Leben auf über 23.000 Seiten. Darauf kann Franz Scheidl aus Neuhofen an der Ybbs zurückblicken. Seit 65 Jahren schreibt er Tag für Tag sein Tagebuch – eine Seite pro Tag, penibel aufgeschlüsselt. „Der kunnt ohne Schreiben gar niet leben“, sagt sein Freund und Nachbar.

Es waren bewegte Zeiten, auf die Franz Scheidl zurückblicken kann. Der Anlass für sein Tagebuch war ganz einfach: In seiner Lehrzeit als Zimmerer musste er abends noch bei Arbeiten helfen. Doch der Meis­ter hat manchmal vergessen, diese Zeiten einzutragen. So kamen Minusstunden zusammen. „Das passiert mir nie wieder“, sagte sich Franz und begann, ein Tagebuch zu schreiben.

Seit damals, 1954, hat ihn das nicht mehr losgelassen. Zuerst war es ein kleines Büchlein, später große Kalenderbücher. Jeder Tag eine Seite. Schöne, aber auch dramatische Ereignisse sind darin aufgezeichnet. Das Buch ist ihm zum täglichen Begleiter geworden. Sogar ins Krankenhaus hat er es mitgenommen.
Franz war für seine Präzisionsarbeit bekannt. So stellte er in der Firma Muster für die Kunden her. Sein Arbeitgeber hat ihm gestattet, nur Frühschicht zu machen. So konnte er relativ selbstständig arbeiten und seine kleine Landwirtschaft betreiben.

Im Tagebuch zählt er alles auf, was passiert ist. Auch dramatische Situationen sind geschildert. So wäre ihm einmal beinahe die Trockenkammer zum Verhängnis geworden, hätte nicht eine aufmerksame Wachperson seine Hilfezeichen bemerkt. Markant in Erinnerung geblieben ist ihm der Unfall mit einem Eisensplitter im Auge. Dieser konnte bei einem längeren Krankenhausaufenthalt schließlich entfernt werden. „In diesen Tagen konnte ich kein Tagebuch schreiben“, bedauert er noch heute.

2018 erlebte Franz Scheidl dramatische Tage. Er stolperte, kam zu Sturz und brach sich den Oberschenkel. Er wurde operiert und ein paar Tage später – er lag noch im Spital – starb seine Frau, die er jahrelang aufopfernd gepflegt hatte. Seitdem ist er auf einen Rollator angewiesen.

Stolz ist er, dass er seit 47 Jahren nur ein einziges Mal später als um sechs Uhr morgens aufgestanden ist, wie es ebenso in seinem täglichen Begleiter, dem Tagebuch, vermerkt ist. Hans Pflügl

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ