Sr. Monica Mary Ncube:
Mission heute: Sein Leben am Evangelium ausrichten

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Anlässlich des Beginns des Missionsmonats Oktober sprach der "Sonntag" mit Sr. Monica Mary Ncube CPS, Generaloberin der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut:

Sie sind die Generaloberin eines weltweit agierenden Missionsordens. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Ordens vor allem auch im Hinblick auf regionale Unterschiede?
Sr. Monica-Mary: Es gibt eine ganz klare Altersgrenze: In der südlichen Hemisphäre sind die Schwestern jünger, im Norden deutlich älter. Was wir jetzt versuchen, ist ein Durchmischen der Schwestern. So haben wir etwa in Toronto/Kanada ein Seminar, wo jüngere Schwestern aus Afrika und Asien ausgebildet werden. Innerhalb der EU haben wir größere Probleme, weil es schwieriger ist, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Wir würden gerne jüngere Schwestern nach Österreich oder in die Niederlande entsenden, aber das ist wirklich schwierig geworden.

Wie viele Schwestern gibt es weltweit?
Sr. Monica-Mary: Wir sind derzeit etwa 730 Schwestern, davon leben die meisten in Europa. Dann haben wir große Niederlassungen in Afrika, aber auch in Asien – etwa auf den Philippinen oder in Papua-Neuguinea.

Sie sind Generaloberin eines Missionsordens. Was bedeutet heute „Mission“?
Sr. Monica-Mary: Ich denke, es bedeutet noch immer in erster Linie Evangelisierung. Daran hat sich nichts geändert. Aber die Art und Weise der Evangelisierung ist heute eine andere. In manchen Regionen bedeutet Missionierung einfach nur, da zu sein. Im Norden behaupten die Menschen, sie seien schon evangelisiert. Aber ihr Leben hat mit dem Evangelium überhaupt nichts zu tun. So ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die einen anderen Lebensentwurf vorzeigen, der sich am Evangelium orientiert. Daher ist Mission auch eine wichtige Aufgabe der Schwestern in Europa.

Ihr Orden ist ja auch in ganz besonders herausfordernden Regionen aktiv. Wie geht es den Schwestern dort?
Sr. Monica-Mary: Unsere Mission ist es, mit den Armen zu sein. Dies führt uns eben in Regionen, wo es gefährlich sein kann. Einige Schwestern wirken etwa im Sudan an der Grenze zwischen Nord- und Südsudan in den Nuba-Bergen. Sie arbeiten dort als Lehrerinnen oder Krankenschwestern. Derzeit ist die Situation etwas leichter. Aber noch bis vor Kurzem berichteten die Schwestern von schweren Bombardierungen, denen sie ausgesetzt waren. Die Menschen leben daher in Erdlöchern und sind ständig auf der Flucht. Das heißt, die Schwestern ziehen auch von einem Ort an den anderen mit. Uns geht es einfach darum, dass wir mit diesen armen Menschen sind und sie nicht im Stich lassen.

Wie spüren Sie die Corona-Krise?
Sr. Monica-Mary: Vor allem in Südafrika, wo wir direkt mit den Kranken in den Krankenhäusern zu tun haben, trifft uns diese Krise schwer. Es sind schon einige Schwestern an Covid verstorben.

Sie sind in Simbabwe geboren, wurden Ordensschwester, lebten einige Jahre in Kanada und sind nun in Rom. Sie kennen also die Weltkirche. Wo liegen die größten Unterschiede?
Sr. Monica-Mary: In Afrika sind die Menschen materiell arm. Aber sie leben in großen Familienverbänden und niemand ist dort einsam, fühlt sich verlassen oder fallengelassen. Die Familie gibt Halt und die Gewissheit, dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist. Im Westen sind die Menschen materiell reich. Aber es gibt eine große seelische Armut. Sie finden hier Menschen, die tatsächlich niemanden haben. Das war für mich einfach unglaublich, als ich es das erste Mal erlebte. Dazu kommt im Westen, dass für viele Religion überhaupt keine Rolle spielt. Auch das ist für mich eine Form von Armut. Das sind für mich die größten Unterschiede zwischen dem Süden und dem Norden.

Was kann der Norden vom Süden lernen?
Sr. Monica-Mary: Eine ältere Mitschwester hat es einmal auf den Punkt gebracht, als sie von Kanada erzählte: Was hier fehlt, ist das Gefühl der Zusammengehörigkeit. In einem Dorf in Afrika kennt jeder jeden. Im Norden kennt man nicht einmal den Namen des Nachbarn. Es braucht also mehr Nähe, mehr Zusammengehörigkeit und auch mehr Verantwortungsgefühl füreinander. Denn gegen Einsamkeit hilft auch nicht der größte Reichtum.

Und was kann der Norden für den Süden tun?
Sr. Monica-Mary: Eine schwierige Frage. Ich weiß, dass die Afrikaner gerne den Norden und die Kolonialisierung für ihr Elend verantwortlich machen. Da ist schon etwas Wahres daran. Aber es gibt einen Punkt, an dem man selbst Verantwortung übernehmen muss. Man kann sich nicht auf ewig für seine Situation auf andere ausreden. Eine weitere Gefahr liegt in der Abhängigkeit. Wir freuen uns über Spenden, die kommen. Aber wir sollen nicht abhängig davon werden. Wir sollen uns unserer Stärken bewusst werden und auf eigenen Füßen stehen.

Sie sind nun das zweite Mal in Wernberg. Welche Aufgabe sehen Sie für einen Missionsorden in Österreich?
Sr. Monica-Mary: Unsere Schwestern leisten hier eine sehr gute Arbeit. Einmal sind sie direkt bei den Menschen in den Pfarren, wo sie arbeiten. Aber auch hier im Kloster sind viele Gäste, die den Geist, die Spiritualität des Ordens miterleben können. Was mir auch sehr wichtig ist, das ist die Flüchtlingsarbeit, die hier geleistet wird. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Aber es ist unser Charisma. Mich freut auch sehr, dass der Orden und die Schwestern so gut diözesan eingebunden sind.

Was sind Ihre Wünsche für die nächste Zukunft?
Sr. Monica Mary: Ich wünsche, dass Corona unter Kontrolle kommt, weil wir als Missionsschwestern viel reisen müssen. Vor allem aber: Die Masken, die Abstandsregeln usw. sind gesundheitlich wichtig und richtig. Doch sie signalisieren eine Form von Abgeschiedenheit. Die Distanz greift auf die Seele – und das ist für mich der größte Schaden, den diese Krankheit verursacht.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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