28. Sonntag: Pfarrer Martin Römer
„Unsichtbare“ an das Licht holen

Menschen, die in der Gesellschaft ignoriert werden und „unsichtbar“ sind, können in der Emmausgemeinschaft San Miguel Topi­lejo ihre Würde wiederentdecken – dazu gehört auch das traditionelle Schlagen der mit Süßigkeiten gefüllten PappmacheFigur „Piñata“.
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  • Menschen, die in der Gesellschaft ignoriert werden und „unsichtbar“ sind, können in der Emmausgemeinschaft San Miguel Topi­lejo ihre Würde wiederentdecken – dazu gehört auch das traditionelle Schlagen der mit Süßigkeiten gefüllten PappmacheFigur „Piñata“.
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Der Text aus dem Lukasevangelium erzählt von einer Begegnung Jesu mit zehn Leprakranken. Die Lepra ist heute weithin unter Kontrolle, nicht so der Aussatz, wie diese ansteckende und lange Zeit unheilbare Infektionskrankheit auch genannt wird, und der auch eine soziale Bedeutung hat.

Die vom Aussatz befallenen Menschen mussten ihre Familie verlassen und außerhalb der Städte und Siedlungen leben, sie waren von der Gesellschaft ausgesetzt und abgesondert.

In diesem Sinn gibt es auch heute zu viele vom sozialen Aussatz befallene Menschen. Die Emmausgemeinschaft San Miguel Topilejo im Süden der Hauptstadt Mexico Ciudad gleicht einem Heim für Aussätzige, in dem diese aufge­gebenen Menschen eine neue Gemeinschaft finden, so wie auch die zehn Aussätzigen aus dem Evangelium zu einer Gemeinschaft von Leidensgenossen zusammenge­funden haben.

Drei Beispiele

Der etwa 22-jährige Luis, der sein Dasein auf der Straße fristete und deutlich vom Drogenkonsum gezeichnet ist, wurde infolge eines Krampfanfalls in ein öffentliches Krankenhaus gebracht. Nach der Entlassung wurde eine Sozialarbeiterin des Spitals damit beauftragt, eine Organisation ausfindig zu machen, in der der Patient weiterhin betreut werden kann. So wurde Luis, der aufgrund seiner Behinderung kaum in der Lage ist zu sprechen und dessen tatsächlicher Name unbekannt ist, da keine Dokumente von ihm vorhanden sind, in die Emmausgemeinschaft aufgenommen.

Die blinde Candelaria wohnte allein in einer Hütte aus Wellblech und Plastikplanen. Es waren keine Familienmitglieder bekannt, die sich um sie annehmen könnten. Eine Mitarbeiterin der Pfarrcaritas besuchte sie des Öfteren und bat für die 91-jährige Frau um einen Platz in der Emmausgemeinschaft.

Vor mittlerweile elf Jahren kam der damals 13-jährige Uriel, der taubstumm ist und am Down-Syndrom und an Epilepsie leidet, in die Emmausgemeinschaft. Er wurde von einer Sozialarbeiterin des öffentlichen Familienamts allein in einer Hütte von Hunden und Katzen umgeben aufgefunden.

Aussätzige und „Unsichtbare“

Das sind nur drei von heute über 50 Gästen, die in der Emmausgemeinschaft ihr neues
Zuhause gefunden haben: Flüchtlinge, Blinde, Taubstumme, Epileptiker, körperlich Behinderte, Patienten mit psychologischen und psychiat­rischen Erkrankungen.

Wie die zehn Aussätzigen des Sonntagsevangeliums haben sie nur eines gemeinsam: aufgrund eines Handicaps oder eines Leidens werden sie von der Gesellschaft ignoriert. Sie sind die „Unsichtbaren“ des Gemeingefüges. Vor einigen Jahren wurde in Mexiko eine kleine staatliche Alters- und Behindertenrente etabliert. Doch die Mehrzahl der Gäste der Emmausgemeinschaft kann ihren Anspruch darauf nicht geltend machen, da sie keine Geburtsurkunde und keinen Identitätsausweis haben. Name, Geburtsdatum, Geburtsort: „Unbekannt“. Und damit sind sie „unsichtbar“. Niemand kümmert sich um sie, weder staatliche noch gemeinnützige Strukturen. Sie haben keine Lobby und auch als Werbeträger für Spendenakquisition erscheinen sie nicht besonders geeignet.
Und so wurden auch die zehn Aussätzigen, die allein ihr gemeinsames tragisches Schicksal verband, verdrängt und verjagt, wo sie es wagten, aus der Unsichtbarkeit herauszutreten.

„Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“

„Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“, wagten sie von weitem Jesus zuzurufen. Und Jesus „sah“ sie und sprach zu ihnen: „Geht, zeigt euch den Priestern!“ Die Priester fungierten als Gesundheitsbehörde und ihre Aufgabe war es, die Heilung amtlich zu bescheinigen. Jesus ermutigte die Aussätzigen, sich als Teil der Gesellschaft wahrzunehmen und ihre eigene Würde zu verteidigen.

In der Emmausgemeinschaft San Miguel Topi­lejo erhalten die Gäste nicht bloß ein Dach über dem Kopf, die täglichen Mahlzeiten, gesundheitliche und psychiatrische Betreuung, sondern in erster Linie sollen sie ihre Würde wieder entdecken können und in der Gemeinschaft eine neue Familie finden, nachdem sie ihre Herkunftsfamilie verloren haben oder von ihr verlassen worden sind.

„Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war … Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm.“ Bei ihm hat die Pädagogik Jesu ihr Ziel erreicht: Er wurde nicht nur von seinem körperlichen Aussatz geheilt, sondern er ließ sich von Jesus zu einem neuen, zu einem dankbaren Menschen verwandeln. Er hat das Geheimnis der Heilung und des Heils Jesu erfahren und es dankbar angenommen.
Ich bete zu Jesus darum, dass es in der Emmausgemeinschaft nicht nur einer ist, der das Heilsangebot Gottes dankbar annehmen kann und bei dem die Gnade Gottes sichtbar wird!

Menschen, die in der Gesellschaft ignoriert werden und „unsichtbar“ sind, können in der Emmausgemeinschaft San Miguel Topi­lejo ihre Würde wiederentdecken – dazu gehört auch das traditionelle Schlagen der mit Süßigkeiten gefüllten PappmacheFigur „Piñata“.
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Pfarrer Martin Römer | Foto: zVg
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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