Ostersonntag:Bischof Alois Schwarz
Ostern - das Fest der Berührungen

Der Auferstandene begegnet Maria von Magdala. Das Gemälde von Tizian (um 1488-1576) „Noli me tangere“ (berühre mich nicht) befindet sich in der National Gallery in London.   | Foto: Via The York Project/Wikimedia Commons
  • Der Auferstandene begegnet Maria von Magdala. Das Gemälde von Tizian (um 1488-1576) „Noli me tangere“ (berühre mich nicht) befindet sich in der National Gallery in London.
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Wir Christinnen und Christen leben aus dem Verständnis, dass Ostern das Weiterleben Jesu nach seinem Tod bedeutet. Wir glauben daran, dass auch wir einmal mit Christus auferstehen werden. In der ersten Lesung vom Ostersonntag hören wir: „Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen“ (Apg 10,40) und weiter heißt es: „Dieser ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten“ (Apg 10,42b).

Mit dem Tod Jesu entsteht eine noch nie zuvor dagewesene, neue Wirklichkeit: Das Leben nach dem Tod. Bis zum Zeitpunkt des Todes Jesu ist es für die Menschen nachvollziehbar, was geschehen war: Freilich kündigte sich bereits im Leben Jesu an, dass sein Leben etwas ganz Besonderes, etwas ganz Anderes in sich barg. Vom Kind in der Krippe zur Begegnung mit den Schriftgelehrten im Tempel, weiter zu den vielen Begegnungen mit Menschen, in denen er geheilt, Leben gerettet, Hunger gestillt, Ausgegrenzte eingegliedert und vieles mehr bewirkt hatte, um schließlich aus einem großen Unrecht heraus seinen Tod am Kreuz erleiden musste. Bis zum Karfreitag auf Golgotha können wir mit unserem Verstand Jesu Leben nachvollziehen.

Wahrnehmungswechsel

Mit dem Tod Jesu und seiner Auferstehung braucht es auch einen Wahrnehmungswechsel. Das irdische Leben Jesu bis zu seinem Tod ist für uns gläubige Menschen mit dem Verstand begreifbar. Der Ostersonntag jedoch ist für viele Menschen auch heute noch unfassbar. Im Brief an die Gemeinde in Kolossä gibt uns Paulus den Schlüssel dazu: „Richet euren Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das Irdische!“ (Kol 3,2 ).
Um die Auferstehung Jesu in Ansätzen wahrnehmen zu können, spüren wir auch in uns den Wechsel in der Wahrnehmung und zwar von der real sichtbaren hin zur transzendenten, der für unsere Augen nicht wahrnehmbaren Welt. Oder anders gesagt: Ostern wird nicht mit den physischen Augen und Ohren des Körpers, sondern mit den Sinnen des Herzens wahrgenommen. Ostern ist das Fest der unfassbaren, der unbegreifbaren, emotionalen Berührungen.
Vermutlich ist es deshalb auch eine Frau, die diesen Wechsel als erste vollziehen durfte und den Männern, den Jüngern Jesu, davon berichten konnte. Sie durfte als erste lernen, was jetzt nach dem Tod anders geworden ist, denn: „Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest“ (Joh 20,17a).

Der Tod hat zwar die physische Begegnung zwischen Jesus und Maria von Magdala verändert, nicht aber die Herzensverbindung. Das Weiterleben nach dem Tod bedeutet das Loslassen der bisherigen Begegnungserfahrungen. Maria muss das erst lernen, denn in dem Moment, als Jesus sie beim Namen nennt, war alles so vertraut, wie zuvor: „Jesus sagte zu ihr: Maria!“ (Joh 20,16)

Seit Jesu Tod wissen und
glauben wir: Es gibt ein
Leben nach dem Tod.

Maria von Magdala lernt hier zu glauben, ganz neu darf sie das Unbegreifbare, das Unfassbare entdecken. Das gelingt ihr, weil ihr Herz voll ist von Liebe für den Herrn. Ihre Liebe zu Jesus macht dies möglich. Maria spürt aber auch die Liebe, die ihr Jesus entgegenbringt. Es ist die Liebe des Herzens, mit der Jesus und Maria von Magdala einander begegnen. In dieser Begegnung konnte der Tod besiegt werden, weil die irdische Zuneigung verwandelt wurde in eine Zuneigung, die über den Tod hinaus das Leben schenkt. Seit Jesu Tod wissen und glauben wir: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Um jedoch diese Tatsache erleben zu können, braucht es die Sprache des Herzens.

Maria von Magdala wurde zu dieser Erfahrung als erste auserwählt, jedoch nicht, um diese Erfahrung für sich zu behalten, sondern um sie mit den Jüngern Jesu zu teilen. „Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte“ (Joh 20,18). Maria von Magdala war die Überbringerin dieser bahnbrechenden, noch nie zuvor dagewesenen Erfahrung. Jetzt durften die Männer, von ihrer Fähigkeit Gott zu schauen, lernen. Nicht allen gelang dies gleich gut. Wir denken hier an Thomas, dem Jesus selbst noch einmal begegnen musste, damit er das unfassbare Geschehen glauben konnte.

Wir Christinnen und Christen heute haben das Leben Jesu nicht miterlebt und dennoch glauben wir. Mit den Sinnen des Herzens zu leben, ermöglicht uns diesen Glauben. Unsere Welt braucht – mehr denn je – Menschen, die diese Fähigkeit der Maria von Magdala verinnerlicht haben und ihre Erfahrungen weitergeben, denn dann kann das Fest der Auferstehung – Ostern – auch heute noch lebendig werden.
Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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