6. Sonntag: Oliver Becker
Nachfolge Jesu: Hoffnungslose Situation

Die Sixtinische Kapelle mit Michelangelos Schöpfungsgeschichte – die Erschaffung Adams.  | Foto: Rrose Selavy- stock.adobe.com
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Unrein! Unrein!“ – so musste zur Zeit Jesu ein Aussätziger vor sich selbst ausrufen, um die Menschen auf Abstand zu halten. In diesem Sinne war es eine Form von Selbstverwünschung, denn damit war unweigerlich die Trennung und die Absonderung von den Mitmenschen verbunden. Ein solcher Mensch, war ausgegrenzt und vom Leben abgeschnitten. Angesichts der noch nicht lange zurückliegenden Zeit der Corona-Pandemie können wir uns ein wenig in die Lage eines solchen Menschen hineinversetzen. Wie schmerzhaft kann es doch sein, wenn man von der menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen ist.

„Unrein! Unrein!“ – dies war nicht nur eine hygienische Vorsichtsmaßnahme, um das ganze Volk vor einer drohenden Ansteckung zu schützen. Vielmehr hatte es auch eine kultische, religiöse Bedeutung. Der Aussätzige war nach dem Gesetz Moses auch von Gott getrennt. So war es nur zu verständlich, dass die „Reinen“ darauf bedacht waren, die „Unreinen“ ja nicht an sich heran kommen zu lassen. Es ging darum, jede Berührung zu vermeiden, um nicht selbst „unrein“ zu werden.

Umso erstaunlicher ist das heutige Evangelium. Ein Aussätziger durchbricht das Tabu und entflieht aus der Quarantäne. Der Leidensdruck ist zu groß geworden und so läuft er auf Jesus zu. Vielleicht hat er es ja schon früher gewagt, aber wahrscheinlich sind die Menschen vor Schreck einfach geflüchtet. Auch wir stehen angesichts der „Ausgegrenzten“ unserer Zeit immer wieder vor dieser Wahl: Solidarität oder Rückzug? Lassen wir uns von der Not berühren oder nicht? Jesus läuft nicht davon. Er lässt den Mann an sich herankommen und lässt sich auf ihn ein, denn „Jesus hatte Mitleid mit ihm“.

Ein Gott des Lebens

„Mitleid“ im biblischen Sinne ist mehr als nur ein frommes Mitgefühl. Es bedeutet, bis ins Innerste hinein erschüttert zu sein von der Lebenssituation des Gegenübers. Eine Erschütterung, die nicht beim Gefühl stehen bleibt, sondern zur helfenden Tat drängt. „Jesus streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein!“ Ja, Gott will es, denn er ist ein Gott des Lebens und der Beziehung. Gott überbrückt in Jesus die Kluft zwischen sich und dem Ausgestoßenen. Gott streckt die Hand aus nach dem Menschen – so wie es das berühmte Deckenfresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom beschreibt.

Rückkehr ins Leben

Und diese Berührung Gottes kann nicht ohne Folgen bleiben. Der Aussätzige erlangt seine körperliche und geistliche Gesundheit zurück. Er kehrt wieder ins Leben zurück – mitten hinein in die Gemeinschaft mit den Menschen und mit Gott!

Und was können wir als Kirche von diesem Evangelium lernen? Jesus handelt nicht gesetzwidrig aber auch nicht gesetzlich. Sein Blick ist nicht auf das Gesetz fixiert, sondern auf die Not des konkreten Menschen. So dürfen auch wir nicht vergessen, dass wir einen Auftrag zur „Seel-Sorge“ und nicht zur „Kirchen-Sorge“ haben.
In der Nachfolge Jesu gilt es vor allem, „Situationen der Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen, auch wenn der Preis vielleicht darin besteht, dass man sich dann nicht mehr sehen lassen kann“. Oder wie es Papst Franziskus ausdrückt: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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