22. Sonntag: Bernd Kemmerling
Karriere im Dienst Jesu

Die Leiter des Erfolgs ist für Jesus nicht der Weg ins Himmelreich. Er lebt eine andere Karriere vor: den Weg nach unten in Dienstbereitschaft und Solidarität.
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  • Die Leiter des Erfolgs ist für Jesus nicht der Weg ins Himmelreich. Er lebt eine andere Karriere vor: den Weg nach unten in Dienstbereitschaft und Solidarität.
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Über Fürst Otto von Bismarck wird folgende Anekdote erzählt: Als er einmal zu einem Festessen eingeladen war, geriet er aus Versehen an das untere Ende der Tafel. Die Dame des Hauses überschüttete ihn später mit Entschuldigungen. Darauf sagte Bismarck selbstbewusst: „Seien Sie unbesorgt, Gnädigste – wo ich sitze, da ist immer oben!“ So ist unsere Lebenswirklichkeit: Die einen sitzen oben, auf den Ehrenplätzen, oder bilden es sich zumindest ein, und die anderen müssen mit den hinteren Plätzen vorlieb nehmen.

Soll diese gesellschaftliche Ordnung auch in der Gemeinde Jesu gelten? Mit dem Evangelium vom Gastmahl im Haus eines reichen Pharisäers setzt Jesus uns allen einen Stachel ins Fleisch, der uns aufruft: Bei euch aber soll es nicht so sein wie bei allen anderen! Es handelt sich hier wohl um ein Sabbatmahl nach dem Synagogengottesdienst. Jesus ist kein menschenscheuer Typ. Er lässt sich gerne einladen. Er beobachtet seine Tischgenossen, so wie auch sie auf ihn schauen. Ihr Verhalten nimmt er zum Anlass, ihnen eine Lehre zu erteilen und damit zu unterstreichen, wie es im Reich Gottes zugehen sollte.

Unsere Würde empfangen
wir nicht in erster Linie durch das, was wir leisten, sondern durch das, was wir sind:
Kind Gottes, sein Ebenbild.

Der Evangelist Lukas bemerkt wohl Ähnliches bei den Zusammenkünften in den ersten christlichen Gemeinden und erinnert an die Intention Jesu: In der Gemeinde, in der anfanghaft das Reich Gottes verwirklicht werden soll, kommt niemandem ein Ehrenplatz zu. Denn unsere Würde empfangen wir nicht in erster Linie durch das, was wir leisten, sondern durch das, was wir sind: Kind Gottes, sein Ebenbild, von ihm gemacht.

Vor diesem Gott ist darum jeder Mensch – unabhängig von seinem Stand, seiner Rasse, Religion und Bildung – gleichwertig und gleichberechtigt. Als Christen, die wir auf den Namen Jesu von Nazaret getauft sind, sollen wir nicht vergessen, dass er gerade die „Karriere nach unten“ gesucht hat, wie es Bischof Klaus Hemmerle einmal ausdrückte.

Im Abendmahlssaal fasst Jesus in der Fußwaschung noch einmal zusammen, wo er seinen Platz gesehen hat: ganz unten – dienstbereit am Boden. Zeit seines Lebens hat er gerade zu denen den Weg gesucht, die von den Etablierten in die hinterste Reihe, auf den letzten Platz der Gesellschaft verbannt waren, oder sogar von jeglicher Tisch- und damit Lebensgemeinschaft ausgeschlossen waren.

Auch wir sind heute eingeladen, unsere Lebens- und Liebespraxis von den Worten Jesu in Frage stellen zu lassen. Sind wir offen und gastfreundlich für jedermann und jede Frau? Oder suchen wir eher unsere Ruhe mit Gleichgesinnten und Gleichgestellten als geschlossene Gesellschaft? Wie damals gibt es auch heute in unserer Kirche mitunter Konkurrenz um erste Plätze, „Pöstchen“ und Machtstreben. Aber auch heute hat Jesus höchstens Bedauern übrig für Menschen, die seine Nähe suchen, um daraus Gewinn für ihre Selbsterhöhung und Karriere zu ziehen. Der Rang des einzelnen Christen soll sich eben nicht nach seiner Macht, seinem Können und Einfluss, sondern nach seiner Dienstbereitschaft bestimmen.

Ganz unten dem Allerhöchsten begegnen

Groß ist, wer sich für nichts zu schade ist! Eine Karriere im Sinne Jesu, wenn es sie denn überhaupt gibt, macht darum nicht der automatisch, der es schafft, eine besondere Position in der Kirche zu besetzen oder in Amt und Würden eine besondere Farbe tragen zu dürfen. Karriere im Dienst Jesu bemisst sich nach dem Grad der Liebe, die man im Herzen trägt und die einen Menschen ehrlich drängt, sich den anderen, besonders denen „unten“, zuzuneigen und ihnen im Namen Jesu Kraft, Wertschätzung und Mut zuzusprechen.

Die Millionen von Menschen, die wirklich ganz unten sind, würden sich freuen, wenn wir sie so in Gebet und gelebter Solidarität in den Blick nehmen würden. Lassen wir also als Christen unsere Liebe weiter wachsen, gerade nach unten, in die Tiefe. Dort werden wir auf wunderbare Weise dem Allerhöchsten begegnen.
Bernd Kemmerling (KNA)

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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