Wohnkonzepte
Gemeinsam leben statt einsam

Jung und Alt plaudern in der Gemeinschaftsküche. | Foto: w30

Helga Raytarowski zog in der Pension in das Wohnprojekt „Gemeinschaftlich Wohnen – die Zukunft“ in Waidhofen an der Ybbs. Und fand dort eine Gemeinschaft von Jung bis Alt.

Ein Leben inmitten verschiedener Generationen – das war das Ziel von Helga Raytarowski, als sie im Internet nach gemeinschaftlichen Wohnprojekten suchte. Sie lebte zu dieser Zeit in ihrer Heimat Norddeutschland, gemeinsam mit ihrem Ehemann. In Deutschland suchen Wohnprojekte meist nach jüngeren Bewohnerinnen und Bewohnern. Als sich Helga daraufhin auch nach Österreich orientierte, wurde die 67-Jährige fündig: Nämlich beim Wohnprojekt „Gemeinschaftlich Wohnen – die Zukunft“ (GeWoZu) in Waidhofen/Ybbs.

Eine Wohnung sei damals noch frei gewesen, erinnert sich Helga. Bevorzugt an über 60-Jährige zu vergeben. Sofort meldete sich die Frau bei den Gründern von „GeWoZu“, Jakob und Verena Anger. Nach einem ersten Kennenlernen via Skype packten Helga und ihr damaliger Ehemann zusammen und zogen im September 2021 in das große Haus ein. Das Wohnhaus beherbergt 20 Erwachsene und 13 Kinder. Gründer Jakob Angerer entwickelte 2017 mit seiner Ehefrau die Idee, ein Haus mit anderen Familien zu bauen. Gemeinsam mit vier Familien plante er den Bau und gründete den Verein „GeWoZu“. Im Juli 2021 zogen die ersten Bewohnerinnen und Bewohner ein. Jede Familie bzw. jeder Bewohner und jede Bewohnerin hat eine eigene Wohnung. Zusätzlich dazu gibt es Räume, die gemeinschaftlich genutzt werden: Etwa die große Küche, die Waschküche, einen Co-Working-Space und einen Raum mit einer großen Badewanne.

„Unterstützen uns gegenseitig“

Helga und ihr Ehemann lebten sich schnell ein: Die gemeinschaftlichen Aufgaben werden in Teams aufgeteilt. Helga gehört zum Team Garten und kümmert sich mit den anderen aus der Gruppe um die große Grünfläche um das Haus. Seit einem halben Jahr lebt sie getrennt von ihrem Ehemann und alleine in der Wohnung. Das gemeinschaftliche Wohnen sorge dafür, dass sie sich weniger einsam fühlt als in einer herkömmlichen Wohnung, ist sich Helga sicher: „Wir sind ein Stück weit wie eine Großfamilie. Wir haben das gemeinsame Haus und gemeinsame Interessen. Wir unterstützen uns gegenseitig und fragen nach. Gerade in meiner Krisenzeit gab es einige stärkende Gespräche. Und trotzdem drängt sich niemand auf. Es ist eine dezente Anteilnahme.“ Das Zusammenleben der unterschiedlichen Generationen empfindet Helga als bereichernd: „Ich habe von Anfang an die Atmosphäre als sehr dynamisch, aber auch als sehr respektvoll empfunden. Ich wollte bewusst in ein Mehr-Generationen-Haus ziehen.“

Gemeinschaft und Ruhe

Helga Raytarowski ist mit 67 Jahren die älteste Bewohnerin im gemeinschaftlichen Haus in Waidhofen/Ybbs. Nur ein paar Jahre jünger ist Monika, die seit Anfang an im Haus lebt. Sie hat sich für die Wohnung entschieden, da sie im Alter nicht allein leben möchte. Helga bereut die Entscheidung, von Deutschland nach Österreich in ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu ziehen, nicht: Sie arbeitet einige Stunden und engagiert sich ehrenamtlich. Ihre beiden erwachsenen Kinder besuchen sie regelmäßig. Die Mischung aus Gemeinschaft und Ruhe in den eigenen vier Wänden empfindet sie als „sehr schön“. Daniela Rittmannsberger

Das „ORTE Architekturnetzwerk NÖ“ organisiert eine kostenfreie Bauvisite des von „w30“ geplanten Hauses am Samstag, 20. April, von 10 bis 11.30 Uhr. Treffpunkt: Sergius Pauser-Straße 19, 3340 Waidhofen. Anmeldung unter office@orte-noe.at.


Gemeinschaftliches Wohnen in Waidhofen an der Ybbs

2017 gründeten Jakob und Verena Anger das Projekt GeWoZu (Gemeinschaftlich Wohnen – die Zukunft), um mit Gleichgesinnten ihre Vision von einem gemeinschaftlichen Leben umzusetzen. Am Rand von Waidhofen an der Ybbs fand sich ein Grundstück mit 2.622 m² Fläche auf einem sehr steilen Hang, das ortsansässige Büro „w30“ wurde mit der Planung des Baus beauftragt. Das Anforderungsprofil: Ein Holzbau mit hohem Eigenleistungsanteil, zwölf Wohnungen voller Licht und Luft, außerdem eine Vielfalt an Gemeinschaftsflächen.
Herausgekommen ist ein Wohnhaus für zwölf Parteien, das privaten Wohnraum (inklusive eigener Küche) mit gemeinschaftlich genutzten Flächen wie Gemeinschaftsküche, Gästezimmer, Dachterrasse, Garderobe, Spielzimmer, Büro oder Werkstatt kombiniert. Hinter dem Haus befindet sich ein großer Garten und ein Kinderspielplatz.

Die Bewohnerinnen und Bewohner sind in einem Verein organisiert. Dabei sind junge und nicht mehr ganz junge Familien, Pärchen und Singles. Sie haben unterschiedliche Lebensstile und sind in ihrem Wunsch vereint, miteinander und ressourcenschonend zu leben. Wer hier wohnt, zahlt eine moderate Miete an den Verein.
Der Verein lädt ein zu einem Tag der offenen Tür am 6. April: eine Gelegenheit, das Projekt kennen zu lernen – für sich selbst oder als Inspiration für ähnliche gemeinschaftliche Wohnprojekte. Anmeldung unter kontakt@gewozu.at.

Autor:

Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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