NS-Zeit
Krakau – wo Oskar Schindler zum Helden wurde

Kirchliche Bauten prägen das Stadtbild Krakaus. Im Vordergrund die Königliche Basilika und Erzkathedrale der Heiligen Stanislaus und Wenzel  am Wawelhügel. Die Kathedrale hat eine tausendjährige Geschichte und gilt als polnisches Nationalheiligum. Sie diente als Ort der Krönung und Eheschließung der polnischen Monarchen sowie als Grabstätte der meisten Könige Polens und der Bischöfe und Erzbischöfe Krakaus. | Foto: Public Domain
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  • Kirchliche Bauten prägen das Stadtbild Krakaus. Im Vordergrund die Königliche Basilika und Erzkathedrale der Heiligen Stanislaus und Wenzel am Wawelhügel. Die Kathedrale hat eine tausendjährige Geschichte und gilt als polnisches Nationalheiligum. Sie diente als Ort der Krönung und Eheschließung der polnischen Monarchen sowie als Grabstätte der meisten Könige Polens und der Bischöfe und Erzbischöfe Krakaus.
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Krakau, das „Paris an der Weichsel“ und einst Hauptstadt Polens, blickt auf eine große und wechselvolle Geschichte zurück und besticht Besucher auch heute noch mit seiner reichhaltigen Architektur. Ein Haus im Stadtteil Podgorze gehört für viele Krakau-Besucher zum Muss. Dort befindet sich die ehemalige Fabrik von Oskar Schindler, der rund 1.200 Juden vor der Ermordung durch die Nazis rettete.

Einst war Krakau Hauptstadt des Königreichs Polen, bis Sigismund III. Wasa 1596 seine Residenz nach Warschau verlegte, weil dies seinen Interessensgebieten näher lag – aber insgeheim ist Krakau bis heute die Hauptstadt geblieben. Nicht ohne Grund wird Krakau auch „Paris an der Weichsel“ genannt. Eine reichhaltige Architektur auf dem Wawelhügel und in der Altstadt, mit einzigartigen, original erhaltenen historischen Gebäuden gibt Zeugnis seiner großen Vergangenheit. Am anderen Weichselufer, im Stadtteil Podgorze, aber findet sich ein ganz anderes historisches Gebäude, das von beherzter Menschlichkeit in einer Zeit schlimms­ter Unmenschlichkeit zeugt: Oskar Schindlers Fabrik.

Gräueltaten und Heldentaten in einer wunderschönen alten Stadt

Ursprünglich war ab 1494 das jüdische Viertel in Krakau eine kleine jüdische Siedlung im Stadtteil Kazimierz. Dort war das religiöse und kulturelle Zentrum der Juden, wo die erste Synagoge und die erste hebräische Druckerei Polens entstanden. Im Krakauer Stadtteil Podgorze errichteten 1941 die Nazis das Ghetto – ein jüdisches Sammellager, in das bis zum 20. März 1941 zwecks besserer Kontrolle alle jüdischen Bewohner Krakaus umzuziehen hatten. „Ghetto“ kommt aus dem Italienischen und bedeutet „abgetrenntes Wohngebiet“, sollte also den Eindruck einer Wohnsiedlung vermitteln. Bevor 15.000 Juden hineingepfercht wurden, lebten im Stadtteil Podgorze etwa 3.000 Menschen. Vom Ghetto aus wurden die Juden in Konzentrationslager verbracht, Vernichtungslager, die einem Todesurteil entsprachen. Nächst Krakau gab es das KZ Auschwitz-Birkenau und das KZ Plaszow. Bis 1940 war Plaszow ein Arbeitslager mit 2.000 meist polnischen Gefangenen, in das nun auch arbeits­taugliche Juden verbracht wurden. In Plaszow wütete Amon Göth, von den Gefangenen „der Schlächter von Plaszow“ genannt. Im Oktober 1942 begann die Ermordung der Juden im Ghetto und die Verschleppung in die KZ Auschwitz und Plaszow.

Oskar Schindler war eine schillernde Figur, er führte ein unruhiges Leben – beruflich, politisch und privat. Geboren wurde er am 28. April 1908 in Svitavy, damals Zwittau, in Mähren, das ab 1804 Kronland des österreichischen Kaiserreichs war. In den Amtsstuben hingen die Kaiserporträts und Deutsch war die Amtssprache. Erst 1918 wurde Mähren Teil der neu entstandenen Tschechoslowakei.

Die Familie Schindler legte Wert auf ihre deutsch-österreichischen Wurzeln. Der Vater war Landmaschinenfabrikant und Sohn Oskar bildete sich zum Ingenieur für Maschinenbau aus. Mit 19 Jahren heiratete er die ein Jahr ältere Emilie Pelzl, die Tochter eines wohlhabenden Landwirts. Während der Weltwirtschaftskrise arbeitete Oskar an verschiedenen Stellen und bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war er vier Jahre lang getarnt in einem technischen Betrieb in Brünn in der deutschen Spionageabwehr tätig. 1939 trat er der NSDAP bei. Nach Verrat seiner Agententätigkeit wurde er von der tschechischen Polizei verhaftet und wegen Hochverrats zum Tod verurteilt, dem er nur durch die „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ durch die Nazis entging.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen pachtete er in Krakau eine stillgelegte jüdische Metallpress- und Emaillierfabrik und stellte billige polnische Arbeitskräfte ein. Die DEF (Deutsche Emaillewarenfabrik) produzierte Geschirr für die Wehrmacht, nach drei Jahren ersteigerte Schindler die Fabrik. Ursprünglich um das schnelle Geld zu machen, änderte sich seine geistige Einstellung, als er mit der gezielten Vernichtungspolitik der Nazis konfrontiert wurde. Mit dem Vorschussvertrauen seiner Agentenzeit konnte er intensive Beziehungen zu hohen Beamten, zur Wehrmacht und zu SS-Offizieren aufbauen. Koch- und Essgeschirr als kriegswichtiges Gerät zu lancieren, die guten Beziehungen und die laufend hohen Bestechungen von KZ-Schergen erlaubten Schindler, in der DEF immer mehr jüdische Arbeiter zu beschäftigen. Es gelang ihm sogar, zwecks „Vereinfachung der Arbeitsabläufe“ die Bewilligung für ihre Verlegung vom KZ Plaszow in ein hauseigenes KZ-Außenlager zu erreichen, von dem die Arbeiter abends nicht ins KZ zurückmussten.

Hilfe unter großem Risiko

Mit seiner Frau Emilie sorgte er unter großem Risiko für ihren menschenwürdigen Lebensunterhalt und eine anständige Behandlung. Er freundete sich mit Amon Göth an, erhandelte auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel, verbuchte durch hohe Bestechungen Erfolge bei Verhandlungen mit den Nazis, gab jüdische Akademiker und Kinder als „qualifizierte Metallarbeiter“ aus und fälschte jede Menge Dokumente. Durch die Produktion von Granatenhülsen in der DEF erlangte er die Anerkennung als Rüstungsbetrieb. Trotzdem wurde er von der Gestapo mehrmals verdächtigt und verhaftet.

1943 reiste er heimlich nach Budapest, um der Zionistenorganisation „Joint“ und ungarischen Juden die verzweifelte Lage der polnischen Juden zu schildern und Hilfsmöglichkeiten anzuregen. 1944 erhielt er aus Berlin für seine Fabrik den Räumungsbefehl. Statt sich mit seinem Millionenvermögen abzusetzen, erreichte er die Genehmigung für seine kriegswichtige Produktion in Brünnlitz, in der Nähe seines Geburtsortes Zwittau. Für die Deportation musste er eine Liste über seine Arbeiter, 1.100 Männer und Frauen, erstellen, die er durch Namen von KZ-Gefangenen zusätzlich ergänzte. Wer auf dieser lebensrettenden Liste stand, konnte dem Tod – anders als die anderen 20.000 Juden im Vernichtungslager Plaszow – entkommen. Wegen weiterer Nazi-Schikanen wurden die Aufgelisteten über das KZ Auschwitz und das KZ Groß-Rosen geleitet, bis Schindler erreichte, dass sie endlich in Brünnlitz ankamen. Den Aufbau eines neuen Fabriksgebäudes, ein neues Lager, dessen Unterhalt und die Versorgung der Arbeiter mit allem Lebensnotwendigen musste Schindler aus eigenem Geld finanzieren. Bis zum Kriegsende blieben die „Schindler-Juden“ in Brünnlitz.

Nach Kriegsende floh Oskar Schindler im November 1945 aus der nunmehrigen Tschechoslowakei nach Regensburg, wo er bis Mai 1950 lebte. Dann ging er mit seiner Frau nach Argentinien. Seine verschiedenen beruflichen Einstiegsversuche scheiterten und endeten im Bankrott. Privat hatte er immer zahlreiche Affären. Mit seiner Frau Emilie, die alle Aktivitäten ihres Mannes stets aktiv mittrug, hatte er sich auseinandergelebt. Während er 1957 allein nach West-Deutschland heimkehrte, blieb sie in Argentinien zurück. Er lebte fortan in ärmlichen Verhältnissen und wurde 1961 von überlebenden Juden finanziell unterstützt und nach Jerusalem eingeladen – insgesamt war er sieben Mal dort. 1962 ehrte ihn die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechten unter den Völkern“. 1966 erhielt er das deutsche Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, 1967 wurde ihm der Martin-Buber-Friedenspreis verliehen und 1968 der Päpstliche Silvesterorden.

Auf seinen Wunsch hin wurde er nach seinem Tod am 9. Oktober 1974 in Jerusalem im katholischen Franziskanerfriedhof am Berg Zion begraben. Schindlers Grab wird von Juden aus aller Welt in dankbarer Erinnerung besucht. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er ab 1993 durch Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ erst richtig bekannt.

Ein Lichtstrahl im finstersten Grauen

Im ehemaligen dreistöckigen Verwaltungsgebäude von Schindlers DEF hat die Stadt Krakau ein historisches Museum eingerichtet, das 2010 eröffnet wurde. Es zeigt vor allem das Leben der Juden im Ghetto Podgorze und im KZ Plaszow, aber auch das Alltagsleben von jüdischen und nichtjüdischen Polen in der Nazi-Zeit. Die Dauerausstellung „Krakau unter der deutschen Besatzung von 1939 bis 1945“ veranschaulicht in einem größeren Zusammenhang anhand einer reichen Sammlung von Fotos, Dokumenten und Bildern chronologisch die Nazi-Zeit und die Geschichte der Stadt, so wie sie auch Schindler begegnet ist. In labyrinthartig engen Gängen der Fabrik und über lange Treppen kommt für den heutigen Besucher auch an diesem Ort der Rettung ein bedrückendes Gefühl auf – das sich vor dem originalen Schreibtisch Schindlers aufhellt: Hier hat er seine rettende Liste erstellt. Real begreifbar wird sie vor einer großen Bilderwand mit den Fotos der geretteten Juden – nicht wie sie leider an anderen Gedenkstätten nur von ermordeten Opfern möglich sind. Schindlers Ausspruch: „So lange du Menschen retten kannst, hat das Leben einen Sinn“ wird hier verständlich. Schindlers Leben ist ein Teil davon: ein Lichtstrahl im finstersten Grauen. Traude Walek-Doby

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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