Erzählung
Mutter Courage mit Happy End

Foto: Josef Reisinger

Die Geschichte passierte zwar schon vor über 60 Jahren. Sie handelt von einer Mutter mit Courage. Im Gegensatz zum Drama von Bertolt Brecht endete sie jedoch positiv. Die Story: Der erst sechsjährige Hubert schwingt sich wieder einmal heimlich auf das Fahrrad seines Vaters und fährt die Dorfstraße entlang. Pech für ihn, weil gerade in dieser Minute eine Streife der Gendarmerie auftaucht.
Anstatt einer Abmahnung samt Belehrung nehmen die gestrengen Beamten dem Buben sogleich das Fahrrad ab und eskortieren ihn zum nahen Elternhaus. „Oh, mein Gott, was hat denn der Bub wohl angestellt?“, ist der erste Gedanke der besorgten Mutter. Die um vier Jahre ältere Schwester läuft gleich heulend davon, weil sie glaubt, die Männer würden das Brüderlein gleich mitnehmen. Schroff wollen die Gendarmen sofort eine saftige Strafe kassieren. Die Mutter erklärt aber: „Ich hab kein Geld daheim und mein Mann arbeitet in Deutschland.“ Die Beamten unwirsch: „Dann gibt es halt eine Anzeige.“
Und eine solche Strafverfügung über hundert Schilling flattert auch bald ins Haus. Nun aber, liebe Leserin, lieber Leser, kommt die Mutter Courage ins Spiel. Die 37-jährige Mutter packt nämlich ihre vier Kinder und fährt mit dem Postautobus zur 20 km entfernten Bezirkshauptmannschaft. Dort erwartet der zuständige Beamte ein Gemisch aus Weinen und Flehen, um einen Strafnachlass zu erwirken. Doch es kommt ganz anders. Die gute Frau erklärt mit fester Stimme: „Ich habe schon erklärt, dass wir kein Geld haben, deshalb könnt ihr mich, wie angedroht, 24 Stunden einsperren.“
Beim nächsten Satz bleibt dem Beamten förmlich die Luft weg, weil die resolute Bäuerin in breitem Mostviertlerisch droht: „Oba ihr miasst in der Zeit meine Kinder, unser trogete Kuah und de bockige Goaß versorgen.“
Wie’s ausging? Der Strafrechtsreferent eilte völlig aufgelöst zum Bezirkshauptmann. Der holte sich in dieser delikaten Angelegenheit wiederum Rat bei einem Hofrat der Landesregierung in Wien. Und bald hieß es von Amts wegen per Fernschreiben: „Der Akt ist zu schlie­ßen.“ Deshalb der Titel: „Mutter Courage mit Happy End.“
Franz Gloser, Scheibbs

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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