Der neue US-Präsident
Joe Biden zieht Kraft aus katholischem Glauben

Joe Biden nach dem Gottesdienst in der Katholische Kirche St. Joseph on the Brandywine.   | Foto: Matt Slocum / AP / picturedesk.com
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Joe Biden, der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, ist der zweite katholische Präsident in der Geschichte der USA. Der SONNTAG geht der Frage nach, wie sein christliches Grundverständnis entstand, ihn prägt und sich politisch zeigt.

Mit dem Demokraten Joe Biden zog am Mittwoch dieser Woche ein Katholik ins Weiße Haus ein. Vorbei die Querelen seines republikanischen Vorgängers Donald Trump mit dem skandalösen Höhepunkt des Sturms auf das Kapitol seiner Anhänger am 6. Jänner. Mit Biden hat die USA einen Präsidenten, der sein christliches Weltbild auch lebt.

Joe Biden
Joe Biden
46. Präsident der USA

Persönliche Schicksalsschläge
In seiner Siegesrede nach der Wahl am 7. November vergangenen Jahres erwähnte Joe Biden das Lied „On Eagle’s Wings“, das der katholische Priester Michael Jones 1976 zu Papier brachte. Es basiert auf Psalm 91 und beschreibt Gott als Beschützer, der die Menschen auf den Schwingen des Adlers erhebt und „dich in seiner Hand trägt“. Biden sang die Hymne während der Austeilung der Kommunion bei der Beisetzung Beaus, der 2015 einem Gehirntumor erlag; schon das zweite Kind, das der damalige Stellvertreter Barack Obamas zu Grabe tragen musste.

Halt im Glauben
Zu Beginn seiner politischen Laufbahn, wenige Tage nach seiner Wahl zum mit 29 Jahren jüngsten US-Senator in der Geschichte, kam 1971 seine einjährige Tochter Naomi zusammen mit Bidens erster Frau auf der Rückfahrt vom Holen des Weihnachtsbaums bei einem Unfall ums Leben. Freunde überredeten ihn, nicht aufzugeben. Doch was ihn damals, wie während des eigenen Ringens mit einem Aneurysma oder seinen politischen Niederlagen erhalten hat, war nach eigenem Zeugnis sein Glaube.

Biden hat seine Wurzeln in Scranton im US-Bundesstaat Pennsylvania, wo „Joey“ als Kind irischer Einwanderer aufwuchs. Dort und später im benachbarten Delaware erlebte er den Katholizismus in der Nachbarschaft, den Schulen und Kirchen, die er besuchte.

Ein enger Freund von Joe Biden ist der Jesuit Leo O’Donovan, der früher Präsident der renommierten Georgetown University war und die Ansprache bei dessen Amtseinführung auf den Stufen des Kapitols hielt. Biden steht mit beiden Beinen in einer sehr fest verankerten Katholizität, die sich auch in einem regelmäßigen Messbesuch niederschlägt. Er trägt seinen Rosenkranz sichtbar am Handgelenk, zitiert auch aus der Heiligen Schrift.

„Bei Trump war es ein politischer symbolischer Messianismus, in den er sich selbst getaucht hat, bei Biden ist es eine Konstante in seinem Leben“, sagt der Salzburger Theologe und Religionswissenschaftler Andreas G. Weiß, er absolvierte einige Forschungsaufenthalte in den USA.

Andreas G. Weiß
Andreas G. Weiß
ist Religionswissenschaftler und stellvertretender Direktor des Salzburger Bildungswerks

Richtungsentscheidung
Katholiken haben Biden laut Nachwahl-Untersuchungen mit nur 52 zu 48 Prozent Trump vorgezogen. „Man sieht der religionspolitische Diskurs hat sich in den USA verändert“, analysiert Weiß. So würden viele katholische Anhänger des abgewählten Präsidenten Trump, Bidens Glauben wegen dessen Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen, „Homo-Ehe“ und anderen kulturellen Streitthemen infrage stellen.

Knapp 28 Prozent der 330 Millionen US-Amerikaner „sind heute religiös nicht mehr gebunden“, weißt Andreas G. Weiß hin, das bedeute aber nicht, „dass diese nicht mehr gläubig sind, aber sie funktionieren in ihrem Wahlverhalten völlig anders, als institutionell gebundene Christen. Da stehen die Demokraten Bidens auch vor einer Richtungsentscheidung“.

Gesellschaftliche Polarisierung
Religionswissenschaftler Andreas G. Weiß, der stellvertretender Direktor des Salzburger Bildungswerks ist, sagt zur Religiosität Bidens: „Er hat nie ein großes Aufsehen darum gemacht, aber während seiner gesamten politischen Laufbahn seinen katholischen Glauben praktisch sehr aktiv gelebt. Er hat auch nur sehr wenige Gottesdienste verpasst“.

Vor sechs Jahrzehnten zog mit John F. Kennedy der erste Katholik in das Weiße Haus ein, aber so Weiß: „Kennedy war bemüht Religiosität und Politik voneinander zu trennen.“ Heute sei, so Weiß „die katholische Kirche in den USA fragmentiert, „sie polarisiert zwischen einem liberalen und einem konservativen Flügel“. Zwischen diesen Richtungen befinde sich der neue Präsident Biden zum Beispiel beim heiklen Thema Abtreibung. „Eine Frage, die in den letzten Jahrzehnten zu einem Brennpunkt in der religionspolitischen Landschaft der USA geworden ist, so Weiß.

Neue Allianz zwischen Washington und Rom

Papst Franziskus und Joe Biden haben bereits miteinander telefoniert. Beide wollen sich bei den Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammenspannen.

Andreas G. Weiß, Mitglied der „American Academy of Religion“, in seiner Einschätzung: „Beim Klimawandel gibt es sicher frappierende Parallelen von Biden und Papst Franziskus. Es ist zu erwarten, dass Biden vor allem jene Entscheidungen, die Vorgänger Trump auch im Alleingang und vorschnell gemacht hat, also den Ausstieg aus der WHO, jenen aus dem Pariser Klimabündnis, sehr schnell rückgängig machen wird“.

Die ersten Personalentscheidungen Bidens zeigten, „dass er in Sachen Diversität die Regierungsämter vorantreiben wird. Das ist auch für die Katholiken in den USA etwas völlig Neues“, so Weiß.

Dazu passt auch eine Entscheidung von Papst Franziskus vom vergangenen Herbst. Mit Wilton Gregory wurde der erste schwarze Erzbischof von Washington in den Rang eines Kardinals erhoben.

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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