5. Sonntag der Osterzeit | 15. Mai 2022
Meditation

Ausschnitt aus Deckengemälde, Minoritensaal, Graz. | Foto: Neuhold

Kennst du Maria?

Maria, wer bist du?
Seit ich denken kann, höre ich schwierige, große und wenig gebräuchliche Worte, wenn Menschen von dir sprechen und zu dir beten. Gebenedeite. Glorreiche. Gottesmutter. Mittlerin. Fürsprecherin. Je mehr ich höre, desto weniger kann ich mir darunter vorstellen. Maria, ich kann mir dich nicht vorstellen.

Maria, wer bist du?
Greife ich zur Bibel, um dort mehr zu erfahren, bleibe ich zurück mit kargen Sätzen, einigen Erwähnungen. Du kommst wenig zu Wort in diesen Büchern, die uns von Gott und Gottes Sohn und der Geschichte mit den Menschen erzählen. Gottes Mutter. Ja, die war auch da. Wichtig. Außergewöhnlich. Still. Maria, ich kann dich nicht hören.

Maria, wer bist du?
Nehme ich Texte aus der Tradition oder wissenschaftliche Bücher zur Hand, um dich, Maria, kennen zu lernen, werden die Ausdrücke nicht minder schwierig. Unbefleckt empfangen. Gottesgebärerin. Immerwährende Jungfrau. Ich werde nicht schlau daraus. Maria, wer bist du?

Maria, du bist …
… die Fremde, die mir an Straßenecken begegnet. Auf Säulen wartet. Von Gemälden strahlt. Auf Altäre hat man dich gestellt. In weite Ferne gerückt. Die Erde liegt dir zu Füßen. Der Schlange zertrittst du barfuß mutig den Kopf. Dein Körper wurde unzählbare Male in Statuen gegossen, geschnitzt … und doch wirst du mir nicht greifbarer.

Maria, du bist …
… für mich die große Unbekannte in der göttlichen Gleichung. Der menschliche Part in übermenschlichem Geschehen. Die Frau, eher fast noch ein Mädchen, die Gott fragt. Eine Schwangere, eine Mutter, eine Ikone. Blau ist deine Farbe.

Maria, du bist …
… die mit dem Schwert im Herzen zu Füßen deines gekreuzigten Sohnes. Das Schwert ist der Schmerz einer Mutter, die ihren Sohn sterben sieht. Ein Schmerz, der sich so vielfach wiederholt. Der Schmerz der Mutter des krebskranken Kindes im Krankenhaus. Der Mutter des Unfallopfers. Der Soldatenmutter. Bist du es, Maria?

Katharina Grager

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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