Fest der Heiligen Familie | 26. Dezember 2021
Meditation

Foto: sailboatcruising.com

Ein innerer Halt

Eine gute Religiosität sollte dem Menschen inneren Halt und Vertrauen geben: einen Ort der Ruhe, an dem er sich ausruhen kann. Es geht um einen sicheren Anker in mir selbst, dem ich vertrauen kann und der mich hält. Dieser Anker kann eine Art Kompass sein, der die Richtung des weiteren Weges zeigt und bei Entscheidungen hilft. Der innere Ort könnte ein Ort der Freude und des Friedens sein, ein innerer Raum im Menschen, der durch äußere Räume der Stille sowie durch Meditation, Betrachtung und Gebet, aber auch durch Musik, Kunst und Literatur gepflegt werden kann.
Dieser innere Raum wird oft überlagert von biographischen Prägungen, ungelösten Konflikten, Verdrängungen, Ängsten oder Sorgen. Auch die ungelösten Konflikte der vorangegangenen Generationen können darauf liegen wie ein Felsbrocken. Eine gute Religiosität sollte helfen – aus dem Vertrauen heraus –, diese Lasten anzuschauen und langsam abzubauen. Dies kann also vertrauensvoll geschehen, ohne dabei in Schuldvorwürfen stecken zu bleiben.
Das Nächste, was eine gute Religiosität leisten sollte, ist eine gelungene Selbstannahme des Menschen. Die Annahme meiner selbst oder die Selbstannahme sind andere Worte für Selbstliebe. Diese ist etwas ganz Anderes als die Selbstverliebtheit im Sinne des Narzissmus. Dieser ist oft Ausdruck innerer Unsicherheit, bei der der Mensch „an sich selbst hängen“ bleibt. Die Selbstliebe hingegen ist Ausdruck eines guten Eigenstandes aufgrund einer festen inneren Anbindung. Sie erlaubt es dem Menschen, seine guten Seiten und Stärken, aber auch seine Schwächen und Schattenseiten anzuschauen. Aus einem solchen Eigenstand heraus kann er sich seinen Schwächen stellen, sie annehmen und sie verwandeln lassen. Er muss sie nicht ständig verdrängen aus Angst, nicht gut genug zu sein und den anderen sowie sich selbst nicht zu genügen. Er kann dadurch befreit werden von dem ständigen Rechtfertigungsdruck, etwas leisten zu müssen, um anderen zu gefallen, und „groß und stark“ sein zu müssen. In der Schwäche bin ich stark, schreibt Paulus.
Eine gute Religiosität sollte dem Einzelnen das Gefühl des „Nicht-gut-genug-Seins“ nehmen. Jeder ist vor Gott gut genug, er muss nichts leisten. Was nicht heißt, dass man sich im Leben nicht auch anstrengen sollte, um Fehler zu vermeiden, in der Liebe zu wachsen und gute Leistungen zu bringen.

Aus: Matthias Beck, gott finden. Wie geht das? Styria Verlag 2020

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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