29. Sonntag im Jahreskreis | 18.Oktober 2020
Meditation

Persönliche Beziehung

Der christliche Gott zeigt sich nicht in Büchern oder Philosophien, sondern als Mensch. Er will zu jedem Menschen eine ganz individuelle Beziehung aufbauen, so wie auch Menschen zu anderen Menschen eine je unterschiedliche Beziehung haben. Man kann nicht die ganze Menschheit lieben, sondern immer nur einzelne Menschen und jeden auf andere Weise.
Wenn dieser Gott mit jedem Menschen in eine je individuelle Beziehung eintreten will, tut er das nicht ungebeten. Er will eingeladen und gebeten werden. Er ist immer da, so wie die Sonne immer scheint, auch wenn wir sie nicht sehen; aber man muss sich ihm zuwenden. Daher kommt das Wort Gebet: jemanden darum bitten zu kommen.
Gott drängt sich nicht auf. „Wollt auch ihr weggehen?“ (Joh 6,67) fragt Jesus seine Jünger, nachdem ihn viele verlassen haben. Er lebt keine Herrschaftsattitüde, sondern es ist ein stilles Werben um jeden Einzelnen. Es ist wie ein Liebeswerben eines Liebenden um seine Geliebte. Fast könnte man sagen, Gott pirsche sich leise an den Menschen an, wie ein Mann seiner Frau näherkommen möchte oder umgekehrt. Er wartet, bis sie antwortet und sich ihm zuwendet. Er kommt nicht aufdringlich und mit lautem Geschrei auf den Menschen zu und überfällt ihn, sondern er erscheint ganz still, fein und charmant.
Er nähert sich dem Menschen auf eine feinfühlige und vornehme Art und Weise, still und leise. Er spricht leise, so dass man ihn leicht überhören kann. Daher muss der Mensch schweigen und hören lernen und seine Sinne schulen für diesen ganz besonderem Klang.
Gott verhält sich wie ein höflicher Gast, der nur zum Fest kommt, wenn er eingeladen wird. Er wartet, bis der Mensch antwortet und ihm die Tür öffnet. Sonst tritt er nicht ein. „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). So muss sich der Mensch öffnen und aufmachen, und dies gleich in einem doppelten Sinn: sich für Gott öffnen und die Tür aufmachen sowie aufbrechen und sich aufmachen auf einen neuen Weg und in eine neue Beziehung. Diese Beziehung ist nicht vereinnahmend, sondern freilassend, nicht manipulativ und unterdrückend, sondern führt behutsam in den Eigenstand und in die Freiheit.

aus: matthias beck, gott finden. wie geht das?, verlag styria

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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