24. Sonntag im Jahreskreis |13. September 2020
Kommentar

Liebe zählt nicht

Wenn ein Mensch an einem anderen schuldig wird oder ihm Leid zufügt, dann ist die natürliche Reaktion das Verlangen nach Rache und Vergeltung. Das Problem dabei ist nur: Der erlittene Schmerz wird dadurch nicht ausgelöscht, denn die zerstörerische Tat kann ja nicht rückgängig gemacht werden, er wird vielmehr verdoppelt. Auch wenn der Täter dafür büßt, bleibt der andere im Zustand des Zorns und Hasses verhaftet, sodass die Zukunft beider lebenslänglich schwer beeinträchtigt ist. Es ist oft erlebbar, dass jemand nie über eine Verletzung hinwegkommt, weil er unfähig ist zu verzeihen. Er bleibt gnadenlos darin gefangen und wird in seiner Verbitterung andere Menschen verletzen.
Wie ist ein Ausweg aus diesem schrecklichen Teufelskreis möglich? Mit unseren naturgegebenen Ressourcen können wir uns daraus nicht befreien. Doch größer als die Natur ist die Gnade. Sie bringt die göttliche Wirklichkeit ins Spiel, die ja auch im Kern des Menschen zugegen und am Wirken ist. Sie befähigt ihn zur Liebe und öffnet ihn für das große Geschenk der Vergebung. Weil Gott mit mir Erbarmen hat, kann auch ich anderen Menschen gnädig sein. Und die Schuld, die der König im Gleichnis Jesu seinem Knecht erlässt, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Die zehntausend Talente könnten – auf heutige Verhältnisse umgerechnet – wahrscheinlich ein ganzes Corona-Budget-Loch auffüllen. So großzügig geht Gott mit unserer Schuld um.
Das ist wirklich eine Gnade, eine große Befreiung, es befähigt uns, auch anderen Menschen zu vergeben. Wer liebt, zählt Fehler und Schuld nicht mit. Wer liebt, rechnet nicht ab.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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