Vor den Vorhang
Ende und Anfang
- Der Sternenhimmel über Anger bei Weiz zeigt auch den Abendstern, der besonders hell erstrahlt (gr. Bild). Licht in der Finsternis: Sternenkind-Gedenken in der Friedensgrotte in St. Ruprecht an der Raab (kl. Bild).
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Sternenkinder. Seit 20 Jahren gibt es in der Steiermark Sammelbestattungen für Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind.
Wer Kordula erzählen hört, spürt ihren Schmerz. Am 22. Jänner jährt sich der Tag, an dem sie ihre Tochter Klara zur Welt gebracht hat – und kurz darauf beerdigt. In einem weißen Sarg, der nicht viel größer ist, als ein Neugeborenes. Verzweiflung, Wut, vor allem aber: tiefe Trauer über den Verlust des Kindes, dessen Lebensende mit seinem Lebensanfang zusammenfiel.
Da sein, wenn die Hoffnung stirbt. Von Eltern, die vom Schicksal unbarmherzig hart getroffen wurden, könnte Beate Reiß (siehe „Vorgestellt“, S. 4) erzählen. Die Diplomierte Sozialberaterin tut es aber nicht. Stattdessen begleitet sie seit drei Jahrzehnten Menschen, denen Schlimmes widerfahren ist.
Seit zwölf Jahren ist die gebürtige Vorauerin im Hospizverein Steiermark tätig und koordiniert dort die Plattform Wenn Lebensanfang und Lebensende zusammenfallen. Neben den Einzelberatungen, die sie mit ehrenamtlichen, gut in der Trauerarbeit ausgebildeten und sensibilisierten HospizbegleiterInnen anbietet, ist Beate Reiß vor allem für etwas bekannt, das Sternenkind-Eltern in der Steiermark seit 20 Jahren in Anspruch nehmen können: die Bestattung ihres geliebten Kindes gemeinsam mit anderen Betroffenen.
20 Jahre Sammelbestattung. Im Jahr 2002 bringt das Steiermärkische Leichenbestattungsgesetz für Eltern von Kindern, die vor, während oder unmittelbar nach der Geburt gestorben sind, eine Novelle. Sternenkinder müssen nun ab der 13. Schwangerschaftswoche bestattet werden. Dabei entscheiden die Familien selbst, ob das verstorbene Baby einzeln oder im Rahmen einer Sammelbestattung beigesetzt wird. Allein in Graz und Judenburg gibt es dafür acht Termine pro Jahr, weitere Verabschiedungen finden auch in Mürzzuschlag statt (siehe Kasten rechts).
Vorbereitend auf eine gemeinsame Bestattung werden die Kinder aus den Einzugsgebieten Graz und Umgebung, Ost-, Süd- und Weststeiermark in die Pathologie des LKH Graz überstellt. Verstorbene Kinder aus der Obersteiermark werden in die Pathologie in Judenburg gebracht. Den Sammelsarg holt die Bestattung quartalsweise ab und führt ihn der Kremation zu.
Gemeinsam und interkonfessionell. Die Beisetzung der Urne erfolgt im Rahmen einer Gedenkfeier, die Evangelische und Katholische Kirche in Zusammenarbeit mit Hebammen, KrankenhausseelsorgerInnen, Bestattungen und der Hospizplattform Wenn Lebensanfang und Lebensende zusammenfallen gestalten.
Immer wieder nehmen auch Eltern an den Gedenkfeiern teil, die ihr Kind zwar selbst bestattet haben, denen es aber Trost spendet, mit anderen Eltern stillgeborener Kinder zu gedenken, weiß Beate Reiß.
Auf einer der Verabschiedungsfeiern sei ihr einmal eine deutlich ältere Frau aufgefallen, erzählt sie. „Wissen Sie, mein Kind ist schon vor über 20 Jahren gestorben, aber damals gab es noch keine Möglichkeit zur Bestattung“, hört Beate Reiß. Sternenkind-Mutter bleibt man ein Leben lang; im Kreise Gleichbetroffener Abschied nehmen zu können – das könne heilvoll sein, sagt sie.
Dasein und Mitaushalten. Seit der ersten Sammelbestattung in der Steiermark am 13. Jänner 2006 in Graz wurden 2360 Kinder in gemeinsamen Verabschiedungen beigesetzt. Wie viele Sternenkinder es gibt, kann niemand sagen. Vermutet wird, dass 15 bis 20 Prozent aller Schwangeren zwischen der fünften und der zehnten Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden. Mit fortschreitender Schwangerschaft verringert sich die Wahrscheinlichkeit eines Spontan-Aborts; nach der 16. Schwangerschaftswoche sinkt das Fehlgeburtsrisiko auf unter fünf Prozent.
Eine Stille Geburt verändert das Leben der betreffenden Väter und Mütter. Neben Eltern leiden oft auch Angehörige und ringen um Worte. Einige scheuen sich, ihr Beileid der Familie auszusprechen. Auf die Frage, was ihr geholfen habe in ihrer Trauer, antwortet Sternenkind-Mama Kordula: „Wenn jemand für mich da ist und die Trauer mit mir aushält.“ Die Frage, wie es ihr gehe, könne sie auch heute, ein knappes Jahr nach der Geburt, noch nicht beantworten. Hospizbegleiterin Beate Reiß betont, wie wichtig es sei, den Betroffenen Zeit zu geben. „Zeit zum Begreifen, zum Willkommenheißen und Verabschieden, Zeit für Entscheidungen“. Was Eltern stillgeborener Kinder auch brauchen würden, sind Wertschätzung und Achtung. Dazu gehört etwa, nach dem Namen des Kindes zu fragen oder nach gemeinsamen Erlebnissen.
Erwartet werden. Sterne sind Wegweiser, denken Menschen seit Jahrtausenden. Die Himmelskörper haben manch Kundigem, der sie zu lesen wusste, den Heimweg zu Wasser oder Land gewiesen. Auch heute – aller Lichtverschmutzung zum Trotz – verbreiten die Himmelslichter Freude, Hoffnung, Trost. Vielleicht haben gerade diese beiden Aufgaben – zu trösten und das Ausleuchten eines neuen Weges – zum Ausdruck „Sternenkind“ geführt.
Für Sternenkind-Mama Kordula und ihren Mann jährt sich die Stille Geburt der Tochter bald zum ersten Mal. Klaras Ankunft wurde zu einem Abschied. Nicht nur, sagt Kordula. Denn manchmal komme zu Trauer, Schmerz und Fassungslosigkeit ein Gefühl großer Geborgenheit hinzu, das ihr Vertrauen schenkt: „Wenn es für mich einst Zeit zu gehen ist, dann weiß ich: Klara ist dort. Sie wird mich willkommenheißen.“
Anna Maria Steiner
Stillgeborene Kinder – Sammelbestattungen 2026
Graz (Urnenfriedhof, Zeremoniensaal)
Alte Poststraße 343–345, 8020 Graz
dienstags, 15 Uhr, am:
20. Jänner, 21. April, 21. Juli,
20. Oktober 2026
Die Urne ist ab 14.30 Uhr aufgebahrt und wird anschließend in der Gedenkstätte (Urnenfriedhof, neuer Teil) beigesetzt.
Judenburg (Friedhof, Zeremonienhalle)
Friedhofgasse 14, 8750 Judenburg
(Tel. 03572/82235)
mittwochs, 15 Uhr, am:
11. März, 10. Juni, 9. September,
9. Dezember 2026
Die Urne ist bereits vor 15 Uhr aufgebahrt.
Mürzzuschlag (Friedhof)
nfos und Termine: Tel. 0664/88416506
simone.hainz@gmx.net
Willkommen sind auch all jene Menschen, die ein so früh verstorbenes Kind aus einem früheren Lebensabschnitt, das sie vielleicht nicht bestatten konnten, betrauern.
Infos: DSA Beate Reiß (0676/92 64 225)
◉ plattform@hospiz-stmk.at
Weitere Veranstaltungen und aktuelle Termine: hospiz-stmk.at/termine
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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