Msgr. Anton Brunner
Haftseelsorge: Pionierarbeit durch NS-Opfer

Der Emmersdorfer KBW-Leiter Johann Pittl (2. v. l.) und Referent Stefan Eminger (4. v. l.) mit Angehörigen von Anton Brunner und Bildungswerk-Mitarbeitern beim Vortrag über das Verhältnis Kirche und Nationalsozialismus. | Foto: Wolfgang Zarl
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Das Kath. Bildungswerk (KBW) der Pfarre Emmersdorf erinnerte mit einem hochkarätigen Vortrag an das Leben und Wirken von Msgr. Anton Brunner, der von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. KBW-Leiter Johann Pittl lud dazu Stefan Eminger, Leiter des Referates Zeitgeschichte im NÖ Landesarchiv, ein.

„Mit Msgr. Hofrat Anton Brunner, 1923 geboren und im Emmersdorfer Ortsteil Grimsing aufgewachsen, hat unsere Pfarre einen bekannten Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime“, erinnerte Pittl beim Vortrag, an dem auch Angehörige Brunners teilnahmen. Historiker Eminger zeichnete dessen Widerstandsweg nach: Auf dem Schulweg nach Krems verbreitete er Flugblätter gegen den Nationalsozialismus, was ihm kurzweilig ein Schulverbot für ganz Niederösterreich einbrachte, wobei er einige Zeit von den Englischen Fräulein in St. Pölten unterrichtet wurde. Später kam er nach Wien, wo er wieder Anschluss an den NS-Widerstand knüpfte, doch die Gruppe flog auf.

Brunner wurde 1942 als „Vorbestrafter“ zum Tode verurteilt und saß sieben Monate in der Todeszelle. Auf Initiative des damaligen Bischofs Michael Memelauer bekam Brunner einen Privatanwalt und der Prozess wurde neu aufgerollt, mit dem Ergebnis der Begnadigung 1943. Sein Leben endete also nicht – wie bei vielen anderen – durch die NS-Henker. Diese Todesangst und -gefahr hat ihn geprägt.

Der „Brunner Toni“ – wie er im Donau-Ort Emmersdorf liebevoll genannt wurde – empfing 1950 die Priesterweihe und wirkte 30 Jahre als Gefängnisseelsorger in Krems-Stein. Nach seiner Pensionierung war er Priester in der
Filialstation Rehberg, 1999 starb er.

Sieben Monate in NS-Todeszelle

Einer, der mit „Toni“ neun Jahre zusammengearbeitet hat, war der damalige Gefangenenseel­sorger Karl Rottenschlager, bekannter Gründer der Emmaus-Gemeinschaft St. Pölten, die sich um Haftentlassene kümmert. Rottenschlager: „Anton Brunner hat mir in den oft tiefgründigen Gesprächen bis spätnachts von den Geräuschen erzählt, wie Mitgefangene um 4 Uhr früh von den NS-Beamten aus den Todeszellen geholt wurden.“ Das habe Brunner psychisch natürlich immer belastet, aber auch für seine spätere Tätigkeit besonders sensibilisiert.

„Im Gefängnis Krems-Stein hat Brunner Pionierarbeit geleistet“, erzählt Rottenschlager, der mit Emmaus vieles für ehemalige Häftlinge und Menschen am Rande leistete. Brunner habe oft den Kontakt zu Offizieren der Haftanstalt gesucht und dadurch „Unmögliches erreicht“. Sowohl in der Pastoral- als auch in der Sozialarbeit habe Brunner viel erreicht, gerade in einer Zeit, in der es begleitende Dienste in heutiger Form – wie Psychologen oder Vorbereitung auf die Haftentlassung – noch nicht gegeben hat. Die Zeit war gewiss nicht leicht, gab es doch in den 1970er-Jahren immer wieder Geiselnahmen in Gefängnissen. Umso mutiger waren die vielen Vieraugengespräche, die Rottenschlager und Brunner mit Haftinsassen führten. Aber sie wollten den Schwächs­ten der Gesellschaft helfen.

„Du bist geliebt“

Kernbotschaft Brunners an die Gefangenen sei gewesen: „Du bist von Gott geliebt!“ Zum Beispiel sollte bei gut vorbereiteten Weihnachtsfeiern die große Barmherzigkeit Jesu spürbar werden. Manchen ermöglichte Brunner die Aus­übung von Hobbys oder speziellen Fähigkeiten. Kürzlich besuchte Rottenschlager etwa einen Ikonenmaler in der Haft, dessen Weg zur Kunst noch durch den Gefängnis­priester geebnet wurde. Auch die Weihnachtspackerl­aktion der Kath. Frauenbewegung für Gefangene wurde in der Ära Brunner etabliert.

Brunner verhalf vielen Langzeitinhaftierten und von der Gesellschaft Ausgestoßenen nach dem Gefängnis durch sein kirchliches Netzwerk in Pfarren und Stiften im Diözesangebiet sowie in Wien zu einem würdevollen Lebensabend, zu Arbeit und zu einer Wohnung. Das erinnert an das Emmaus-Wirken heute. Die Liebe zu den Gescheiterten bedeutete für Brunner auch, einen Heilungs- und Versöhnungsprozess in Gang zu setzen, wobei er die Gefangenen mit der Schuldfrage konfrontierte, denn viele Gefangene hätten sich dieser Frage nie gestellt. „Toni war eine starke Persönlichkeit, dessen Wirken bis heute in der Gefangenenseel­sorge Früchte trägt“, bilanziert Rottenschlager.

Weitere Beispiele für NS-Widerstand

In Emmersdorf brachte Eminger weitere Beispiele für kirchlichen Widerstand in der NS-Zeit, von den Bischöfen gibt es dafür kaum Belege, von Ortspfarrern und Laienchristen schon. Besonders hob er die Silvesterpredigt von Bischof Memelauer 1941 hervor, in der dieser klar gegen die NS-Euthanasie mit den Worten „Vor unserem Herrgott gibt es kein unwertes Leben“ Stellung bezogen hatte. Großes Echo oder Konsequenzen hätten diese Worte nicht gefunden, so Eminger. „Brückenbauer“ – darunter Priester – versuchten in den 1930er-Jahren einen Ausgleich zwischen Nazis und der Kirche zu schaffen, dies wurde aber bald nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland illusorisch. Selbst Kardinal Theodor Innitzer, der für die Angliederung war – was Papst Pius XI. entsetzt habe – wurde bald bedroht. Generell sei die Kirche zu stark in der Bevölkerung verankert gewesen, als dass man sie komplett hätte verbieten können, so Eminger. Die Kirche sei die einzige große Organisation gewesen, die in der NS-Zeit erhalten geblieben ist – wenngleich sie neben den Eisenbahnern die meisten Opfer einer Berufsgruppe zu beklagen hatte, so Eminger. Es habe zwar viele Kollaborateure gegeben, aber eben auch mutige christliche Gegner – wie Anton Brunner.

Der Emmersdorfer KBW-Leiter Johann Pittl (2. v. l.) und Referent Stefan Eminger (4. v. l.) mit Angehörigen von Anton Brunner und Bildungswerk-Mitarbeitern beim Vortrag über das Verhältnis Kirche und Nationalsozialismus. | Foto: Wolfgang Zarl
Msgr. Anton Brunner
Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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