Interview mit Edith Habsburg-Lothringen
„Das Alter ist ein Geschenk, weil es nicht selbstverständlich ist“

Edith Habsburg und Kirche bunt-Chefredakteurin Sonja Planitzer | Foto: Leopold Schlager
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Papst Franziskus hat für die katholische Kirche den „Welttag für Großeltern und ältere Menschen“ eingerichtet, der jedes Jahr am vierten Sonntag im Juli begangen werden soll und heuer am 25. Juli zum ersten Mal stattfindet. „Kirche bunt“ sprach aus diesem Anlass mit Edith Habsburg-Lothringen, Vorsitzende der Seniorenpastoral in der Diözese St. Pölten.

Kirche bunt: Papst Franziskus hat für die katholische Kirchen einen kirchlichen „Welttag der Großeltern und Senioren“ eingerichtet, der heuer das erste Mal begangen wird. Wie wichtig ist so ein Tag für die Senioren?

Edith Habsburg-Lothringen:
Der Tag ist ein wichtiges Zeichen, aber es kommt vor allem darauf an, was wir aus diesem Tag in unseren Diözesen und Pfarren machen und wie wir das weitertransportieren. Ich denke, dass der Papst mit diesem Tag ein Zeichen setzen will, dass ältere Menschen die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen.

Haben Sie das Gefühl, dass es heute in unserer Gesellschaft keine oder wenig Wertschätzung für ältere Menschen gibt – oder dass diese abnimmt?

Habsburg-Lothringen: Ich glaube, man kann das nicht so verallgemeinern. Ich bemerke, dass das manchmal herrlich und gut läuft – auch was den Zusammenhalt zwischen den Generationen betrifft. Ich denke da an moderne Projekte, wo Alt und Jung zusammenwohnen, wie z. B. in Ulmerfeld – da leben Senioren und junge Familien zusammen. Ich finde, das sind Ansätze, die von der öffentlichen Hand sehr gut angegangen werden und diese sind wichtig und richtig. Wir persönlich haben das Glück, dass einer unserer Söhne das Haus übernommen hat und wir leben jetzt Jung und Alt unter einem Dach und wir sind wirklich glücklich und selig damit.

Was braucht es, damit Jung und Alt gut miteinander leben können? Gibt es da ein Rezept?

Habsburg-Lothringen:
Gegenseitige Achtung, Respekt voreinander und Rücksichtnahme aufeinander, das scheint mir schon sehr wichtig. Und wichtig erscheint mir auch, dass jeder seinen eigenen Wohnbereich hat. Ich denke da an eine Tante von mir, die gesagt hat: ,In einem Haushalt, wo Alt und Jung zusammenleben, muss bis zum letzten Kochlöffel alles getrennt sein.‘ Wir haben das jetzt aber nicht so strikt getrennt, aber es funktioniert trotzdem wunderbar. Ich denke, dass es auch wichtig ist, dass man als ältere Generation nicht überall dreinreden und mitreden darf. Man ist gut beraten, wenn man sich da etwas zurückhält. Ich weiß aber auch, dass es viele Fälle gibt, wo die älteren Leute von den Jungen einfach nicht gut behandelt werden. Ich kenne z. B. eine Bäuerin, die von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die Stube gehen durfte. Es braucht also ganz bestimmt den guten Willen von beiden Seiten.

Ist das Alter ein Geschenk?

Habsburg-Lothringen: Ich finde schon, dass es ein Geschenk ist, weil es nicht selbstverständlich ist, dass wir alt werden, es gibt viele Menschen die jung sterben müssen. Jeder erlebt das Alter natürlich auf seine ganz individuelle Weise, die einen sind gesund und aktiv, die anderen krank und/oder einsam. Aber grundsätzlich können wir uns schon fragen: Wie gehe ich mit dem Alter um? Lebe ich das auch so, dass das Alter ein Geschenk sein kann? Sehe ich – trotz allem – die guten Seiten des Alters? Es geht ja eine Botschaft von mir selber aus, denn wenn man nur grantig ist und immer nur klagt, dann werden sich Junge denken: ,Ich möchte nicht alt werden!‘ Mein Mann und ich haben uns das Alter auch anders vorgestellt, als es jetzt ist. Karl sitzt jetzt im Rollstuhl und braucht praktisch rund um die Uhr Betreuung. Das sind schon Herausforderungen, die da auf einen zukommen und die man bewältigen muss.

Kann man sich auf das Alter vorbereiten?

Habsburg-Lothringen:
Das ist eine wichtige Frage und da versuchen auch wir als Seniorenpastoral die Menschen mit verschiedenen Angeboten, wie z. B. Tagungen oder Vorträgen zum Thema Älterwerden und Alt-Sein, zu informieren. Es ist sehr schwer, die Menschen dafür zu interessieren. Wir sollten uns aber tatsächlich schon frühzeitig mit diesen Themen befassen und über wichtige Fragen nachdenken, z. B. wie möchte ich alt werden oder was ich im Alter noch tun will. Wichtig ist auch, dass man mit seinen Kindern früh genug darüber spricht. Man muss sich vor Augen halten, dass es auf dem Weg ins Alter von einem Tag auf den anderen anders sein kann. Es gibt große Herausforderungen im Alter, wo man schauen muss, wie man das schafft und damit zurecht kommt. Es gilt auch vieles zu lernen, z. B. das Loslassen – das lerne ich gerade wieder einmal und das ist wirklich nicht einfach, wenn man sein Leben lang das Heft in der Hand hatte!

Auch bei Weltpriestern erlebe ich, dass sie im Alter oft sehr einsam sind. Deswegen ein Appell an diese Personengruppe: Setzt euch früh genug mit dem Älterwerden auseinander. Überlegt rechtzeitig: Wo, wie, mit wem werde ich leben. Ebenso ein Appell an die Verantwortlichen, diesem Thema einen Platz in der Priesterausbildung zu geben.

Das Reden mit der jungen Generation ist oft gerade das Schwierige, weil die meisten Eltern sagen: Ich will die Kinder nicht belasten!

Habsburg-Lothringen: Ja, und das ist falsch, weil man nicht alles alleine regeln kann und auch nicht soll! Es ist schwer, wenn man erkennt, dass man nicht mehr alles allein schafft und dass man Hilfe braucht. Deshalb ist das Gespräch mit den Jungen so wichtig und ich sehe auch, dass es die Kinder eher belastet, wenn es mit den Eltern kein Gespräch und keine – ich sag einmal – Abmachung gibt. Ich weiß aber auch, dass es Fälle gibt, wo die Alten allein gelassen werden, wo sich die Kinder um Mutter oder Vater nicht mehr kümmern.

Das ist ein Aufruf an die jüngere Generation, mit wachsamen Augen durch die Welt zu gehen und zu fragen: Mutter und Vater, was braucht ihr?

Habsburg-Lothringen: Das ist für mich – nicht nur in Bezug auf die Familie – die große Frage: Wie kann ich, wenn ich sehe, dass jemand Hilfe braucht, mich aufmachen und zu denen hingehen und Hilfe anbieten, oder einfach einmal da sein? Ich war lange im Pfarrgemeinderat – in Sindelburg (Wallsee) und in Seitenstetten –, aber dieses Schauen, wer braucht Hilfe, das haben wir eigentlich nicht gelebt. Da müssen wir noch viel lernen – in den Familien, aber auch in den Pfarren. Wir dürfen Menschen in unserer Pfarre – egal, ob alt oder jung –, die Hilfe brauchen, nicht allein lassen.

Großeltern waren immer auch Träger des Glaubens in der Familie. Hat sich das verändert?

Habsburg-Lothringen: Ich denke, wo Großeltern gläubig sind, wird das sicher noch so sein, dass sie ihren Glauben vorleben: Dass sie vor den Kindern beten oder den Gottesdienst besuchen… Ob sie damit ihre Enkelkinder erreichen, ist dann noch einmal eine andere Frage. Aber es stimmt: Es gibt heute schon viele Großeltern, die nicht mehr im Glauben verankert sind, und die können den Glauben dann auch nicht so weitergeben. Und das ist mit Sorge zu betrachten, wenn Eltern und Großeltern keinen Bezug mehr zum Glauben haben. Ich weiß aus Berichten von Lehrern, dass viele Kinder in der ersten Volksschulklasse nicht einmal mehr ein Kreuzzeichen machen können, geschweige denn ein Gebet sprechen.

Ein ganz anderes Thema: Der Verfassungsgerichtshof erlaubte Beihilfe zum Suizid und bis zum Jahresende soll der Gesetzgeber den assis­tierten Suizid in ein Gesetz gießen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Habsburg-Lothringen:
Ich finde es entsetzlich, dass wir als Menschen, die ihr Leben von Gott geschenkt bekommen haben, darüber nachdenken: Wie kann ich dieses Leben beenden? Es ist wichtig, dass ich mich nicht nur auf mich selber konzentriere, sondern dem Du hinwende und dass jedem klar ist: Jeder Mensch ist wertvoll. Kein Mensch hat das Recht, einen Menschen so weit zu bringen, dass der sagt: „Ich brauch mein Leben nicht mehr!“ Und ich würde mir schon wünschen, dass die Kirche hier mit lauter Stimme auftritt.

Trägt der Glaube im Alter?

Habsburg-Lothringen: Wenn ich im Glauben beheimatet bin, dann kann er tragen – davon bin ich fest überzeugt. Es gibt schon Situationen, wo man sagt: Wenn ich nicht meinen Glauben gehabt hätte, weiß ich nicht, ob ich das überstanden hätte. Es geht für mich auch um die Frage: Wie lebe ich den Glauben, wie halte ich ihn lebendig? Papst Franziskus ist es ja ganz wichtig, dass die Menschen beten, er ermahnt uns immer wieder dazu. Im Gebet kann ich meine Verbindung zu Gott aufbauen, festigen. Wenn ich nicht mehr mit Gott rede, spüre ich selber, wie arm mein spirituelles Leben ist.

1. Welttag für Ältere und Großeltern

Am 25. Juli begeht die katholische Kirche erstmals den „Welttag für Großeltern und Ältere“. Das Motto für den Tag lautet „Ich bin mit dir alle Tage“, damit soll die Nähe des Herrn und der Kirche im Leben eines jeden älteren Menschen zum Ausdruck gebracht werden, heißt es aus dem Vatikan. Das Motto sei aber auch eine Zusage der Nähe, „die sich Jung und Alt gegenseitig geben können“. Das zielt darauf, dass der Welttag nach dem Willen des Papstes das Gespräch zwischen den Generationen stärker in Gang bringen soll. Nach Wunsch des Papstes soll dieser Tag ein Fest werden, bei dem „Omas und Opas, Enkel, Jung und Alt miteinander nach so einem schwierigen Jahr feiern“. Den vierten Sonntag im Juli hat man deshalb gewählt, weil er dem Namenstag der biblisch nicht belegten Großeltern Jesu mütterlicherseits, Anna und Joachim, am nächsten liegt: dem 26. Juli.

Die Initiative für mehr Generationen-Kontakte ist Teil des von Franziskus initiierten Amoris-laetitia-Familienjahres, das am 19. März begann. Dieses wiederum soll fünf Jahre nach Erscheinen des gleichnamigen Papst-Schreibens zum Thema noch einmal dessen wesentliche Anliegen bewusst machen. Eines davon ist das Miteinander der Generationen.

Papst Franziskus liegen alte Menschen, vor allem auch Großeltern, besonders am Herzen. Immer wieder erwähnt der Sohn italienischer Auswanderer, wie groß der Einfluss seiner eigene Großmutter Rosa auf ihn war. Die Mutter seines Vaters prägte die Glau­bens­erfahrungen und Frömmigkeit des jungen Jorge Bergoglio. „Kinder, das letzte Hemd hat keine Taschen“, zitierte er die Großmutter in einer seiner ersten Predigten als Papst. Ihr Testament bewahrt er in seinem Brevier auf. „Ich lese es oft: Es ist für mich wie ein Gebet“, gestand der Papst einmal.

Man habe sich in der Pandemie daran gewöhnt, allein zu leben, sich nicht zu umarmen, gar andere als Bedrohung für die eigene Gesundheit zu sehen. Jetzt aber, so die Vision des Mehrgenerationen-Tages, holen junge Menschen alte Menschen aus Isolation und Einsamkeit, Alte geben Jungen nach Monaten des „Online-Lebens“ wieder Orientierung und Mut.

Wie das konkret geschehen soll und kann, sei Sache der Diözesen, Gemeinden, Familien und Nachbarschaften. Einen Hinweis gibt das poetisch formulierte Motto: „Möge jeder Großvater, jede Großmutter, jeder ältere Mensch – vor allem jene unter uns, die besonders einsam sind – den Besuch eines Engels erhalten!“ Insofern wäre der Aktionstag für Großeltern und andere alte Menschen ein Tag der offenen Türen.

Autor:

Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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