Religionsunterricht
Sternstunden im Schulalltag

Zum Religionsunterricht heute gehören vor allem auch Begegnungen und Gespräche auf Augenhöhe | Foto: contrastwerkstatt – stock.adobe.com
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Katholischer Religionsunterricht heute kann aus verschiedensten Gründen sehr herausfordernd sein, aber wenn er gelingt, kann er ein Kraftfach für alle Beteiligten sein. Es gibt Religionsstunden, an die erinnert man sich ein Leben lang, Sternstunden eben.

Katholischer Religionsunterricht ist heu­te ein weit angelegtes Feld. Da geht es längst nicht nur um Vermittlung von Wissen rund um Religion und Glauben – das erkennt man spätestens beim Lesen der Lehrpläne für die einzelnen Schultypen und Schulstufen. Religionsunterricht kann schwierig sein. Wenn ein Lehrer mit Randstunden zurechtkommen muss, mit müden Schülern oder wenn aufgrund des fehlenden Notendrucks die Aufmerksamkeit der Schüler fehlt. Doch wenn Religionsunterricht gelingt, dann kann er ein Kraftfach für alle Beteiligten sein. Hier ist Raum für beglückende Begegnungen und berührende Stunden, tiefsinnige Gespräche, Zeit zum Nachdenken, zum Reden über Persönliches, über Gott und die Welt. Wenn etwa der Lehrer von einem Schüler lernt, was glauben heißt. Oder wenn ein Kind in seiner seelischen Not getröstet und gestärkt wird.

Wenn der Funke überspringt …

Es gibt Religionsstunden, an die sich Schüler oder Lehrer ein Leben lang erinnern. „Kirche bunt“ hat sich in der Diözese zu solchen „Sternstunden“ umgehört. Für Lehrerinnen und Lehrer sind das oft jene Stunden oder Momente, in denen ihnen persönlich wichtige Anliegen plötzlich zu greifen beginnen, in denen der Funke gleichsam überspringt. Religionslehrerin Eva Teufel beschreibt das so: „Sternstunden sind für mich im Unterricht unter anderem auch jene Stunden, wo wir uns gemeinsam auf etwas einlassen und zum Schluss staunen, was wir miteinander entdeckt und gelernt haben.“ (Siehe Bericht auf Seite 13).

Reden über Gott und die Welt

Das „Theologisieren“ oder „Philosophieren“ mit Kindern und Jugendlichen über das Leben ist in den letzten Jahren am Religionsunterricht immer wichtiger geworden. Auch Manuela Kopper, Religionslehrerin im Gymnasium Horn, betont, dass sich „Sternstunden“ am Religionsunterricht immer wieder aus dem gemeinsamen Nachdenken und Entdecken ergeben. Kopper: „Im Religionsunterricht geht es nicht vorrangig um Leistung, da zählt der Mensch und da kommen Dinge zur Sprache, die in anderen Gegenständen nicht besprochen werden. Da geht es um die Fragen nach dem Sein.“

Genau in diese Kerbe schlägt Lucia Deinhofer, Religionslehrerin am Stiftsgymnasium Seitenstetten. So lädt sie in der 6. Klasse zum Themenschwerpunkt Ethik immer wieder Menschen ein, die aus ihrem Leben erzählen. Zu den regelmäßigen Gästen gehört u. a. ein Mann, der seit einem Unfall querschnittgelähmt ist. Lucia Deinhofer: „Einmal fragte ein Schüler den Mann, ob es sich für ihn noch lohne zu leben. Der Gast bat ihn um etwas Geduld und erzählte aus seinem Leben voll Fülle. Am Ende sagte er zum Schüler und zur ganzen Klasse, dass sich die Frage nun wohl von selbst beantwortet habe und er sagte zu den Schülern: Inves­tiert in euren Charakter.“ Berührt hätten die 16-Jährigen und auch Lucia Deinhofer selbst Tränen in den Augen gehabt.

Religion an städtischer Schule

Thomas Grumbeck unterrichtet an einer Schule in St. Pölten, die Kinder vieler Nationalitäten besuchen; der Islam ist als Religion vorherrschend, immer mehr Kinder sind ohne Bekenntnis. Als römisch-katholischer Religionslehrer ist er froh, wenn eine Religionsgruppe zustande kommt. Der Unterricht in einer Kleingruppe hat viele Vorteile. „Viele Kinder genießen das Zusammenkommen in einer familiären Gruppe“, erzählt Thomas Grumbeck, „hier kommen sie zu Wort, können über ihre Probleme sprechen. Manche blühen richtig auf.“ Nach dem Jesus-Ausspruch „Lasst die Kinder zu mir kommen“ versuche er, ein offenes Ohr für die Anliegen der Kinder zu haben und ihnen zu helfen.

Auch in der VS Kapelln muss der Religionslehrer oft Überzeugungsarbeit leisten, weil immer mehr Eltern wenig oder keinen Bezug zum Glauben und zur Kirche haben. Er akzeptiere natürlich die Ansichten der Eltern; dennoch sei der Religionsunterricht eine Chance, von Gott und Jesus zu hören – was im späteren Leben ein Anker sein oder Orientierung geben könne, gerade in schwierigen Lebenssituationen. Zudem sei das soziale Lernen im Religionsunterricht sehr wichtig für die Kinder. „Für mich ist Religionsunterricht daher mehr und weiterführender als reiner Ethikunterricht“, sagt Thomas Grumbeck.

„Kirche bunt“ will die vielfältigen positiven Erfahrungen, die Lehrerinnen/Lehrer und Schülerinnen/Schüler im Religionsunterricht machen, vor den Vorhang holen: Bis zum Advent wird jede Woche jemand von seiner bzw. ihrer persönlichen Sternstunde erzählen. ph/sop



Bischof Alois Schwarz erinnert sich

Bischof Dr. Alois Schwarz erinnert sich nicht nur gerne an seinen eigenen Religionsunterricht in der Schule zurück, sondern auch an die Zeit, als er selber Religion unterrichtete. Zurückblickend sagt er: „Der Religionsunterricht war einer meiner Lieblingsgegenstände in der Schule. Ich habe in Religion auch maturiert. Ich hatte immer Priester als Religionslehrer und die waren für mich sehr lebensnah – und sicher auch durch ihr Vorbild eine Motivation, dass ich Priester geworden bin.

Als Kaplan habe ich in Gloggnitz die dritten und vierten Klassen der Hauptschule unterrichtet und auch zwei Klassen des Polytechnischen Lehrgangs. Das war zeitweise sehr herausfordernd. Schwierige und widerständige Schüler sind mir nach ihrer Schulzeit dann auch immer wieder sehr dankbar und offen begegnet – als ob wir immer die besten Freunde gewesen wären. Und bei manchen Schülern und Schülerinnen durfte ich dann später auch die Trauung für sie feiern.“

Eine Sternstunde zum Loblied Marias

Eva Teufel, Religionslehrerin an der VS Öhling und VS Brandströmstraße in Amstetten, erzählt von einer „Sternstunde“ im Religionsunterricht.

In einer 3. VS-Klasse wollte ich kurz vor Weihnachten das Loblied Mariens bei Elisabeth, das Magnifikat, durchnehmen. Ich hatte vor, dass sich jedes Kind aus dem Text, den ich vereinfacht hatte, ein Wort sucht, ein Bild dazu malt und sich eine Bewegung ausdenkt. Das Wort und die Bewegung werden von jedem Kind vorgezeigt und die anderen wiederholen beides.

Diese Runde war sehr intensiv und die Kinder meinten, einzelne Worte reichen nicht, sie würden gern den Text nachspielen. In der nächsten Stunde bildeten daraufhin drei bis vier Kinder eine Gruppe, suchten sich einen Satz aus dem Loblied aus und versuchten, ihn pantomimisch dazustellen. Ich staunte, wie kreativ die Kinder wurden. Dicke Polster verwandelten Kinder in satte Menschen; der Apfelkorb wurde den Hungrigen gereicht, am Boden Liegenden wurde aufgeholfen, andere wurden von einem Sessel gestoßen. Als sich die Kinder gegenseitig ihre Szenen vorspielten, waren ihre ersten Gedanken, dass es schön ist, dass Gott auf der Seite der Schwachen und Armen ist. Einige erzählten, wo sie selbst schon erlebt hatten, unter den Verlierern oder Außenseitern zu sein.

Was ist mit den Mächtigen und Reichen?

Aber dann kam von einer Schülerin die Frage, ob es denn nicht gemein ist, wenn Gott die Starken und Mächtigen nicht mag. Ich gab die Frage an die Kinder weiter und einige meinten: „Das gehört den Reichen eh, dass sie niemand mag.“ Daraufhin sagte ein anderes: „Aber wir sind ja auch reich.“
Das ergab eine große Diskussion: Die Kinder überlegten, ob man selbst als Mächtiger oder Reicher lieb oder böse sein kann. „Eigentlich soll jeder lieb zu den anderen sein, egal wer er ist.“ Und dann sagte ein Kind: „Ich glaube, Gott mag sowieso alle. Aber vielleicht merken das reiche und mächtige Menschen nicht, weil sie immer an ihr Geld denken müssen. Da muss es Gott ihnen vielleicht anders zeigen, dass er sie mag und dass sie auch wie er sein sollen.“

Mich hat diese Diskussion der neunjährigen Kinder sehr berührt, weil sie in ihrem Alter schon erfahren haben, wie groß die Liebe Gottes ist und auf welch unterschiedliche Weise wir Menschen das erfahren können.

Buchtipp

Renate Bauinger, Silvia Habringer-Hagleiter und Maria Trenda von der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz haben Erzählungen aus dem Religionsunterricht gesammelt: Lehrer und Schüler verschiedener Konfessionen und Religionen kommen in ihrem Buch zu Wort und berichten über Schönes, Trauriges, Lustiges und Interessantes aus ihrem konkret erlebten Religionsunterricht. Erschienen ist Sternstunden Religionsunterricht im Verlag Anton Pustet 2020, 96 Seiten, Preis 19 Euro.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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