Ein besonderes Fastentuch
Aus der Dunkelheit ins Licht

Im Jahr 2013 schuf der Künstler Valentin Oman das Fastentuch für die  Pfarrkirche in Bad   Eisenkappel. Wer oder was ist der Mensch? lautet die Frage. | Foto: Foto: Monika Suntinger
  • Im Jahr 2013 schuf der Künstler Valentin Oman das Fastentuch für die Pfarrkirche in Bad Eisenkappel. Wer oder was ist der Mensch? lautet die Frage.
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Seit zehn Jahren verhüllt das Fastentuch von Valentin Oman den Altar in der Pfarrkirche Bad Eisenkappel in der südlichsten Pfarr-gemeinde Österreichs.

von Josef Till

In zahlreichen Orten werden ab dem Aschermittwoch Fastentücher in den Kirchen aufgehängt, für die entweder kunstgeschichtliches Interesse oder ein Bedürfnis nach einem Glaubenszeugnis im Bild besteht. Seit dem Mittelalter zählt dies zu den bedeutendsten Bräuchen in der Fastenzeit. Das anmutige Fastentuch in der Pfarrkirche St. Michael von Bad Eisenkappel/Železna Kapla feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen und verhüllt während der 40 Tage andauernden Fastenzeit vollkommen den Altarraum. Das Fastentuch entwickelte sich aus dem jüdischen Tempelvorhang, der in allen vier Evangelien beim Sterben Jesu am Kreuz erwähnt wird. Im Mittelalter wurden Szenen aus dem Alten und Neuen Testament auf den Fastentüchern gezeigt und der Altarraum meist vollkommen verhüllt, so dass die Gläubigen nicht am Gottesdienst teilnehmen konnten; stattdessen sollte die analphabetische Bevölkerung Inhalte der Bibel mithilfe von Bildern kennenlernen.
Zu den bekannten Fastentüchern in Kärnten zählen jene von Gurk aus dem 15. Jahrhundert, Haimburg/Vovbre und Millstatt aus dem 16. Jahrhundert, Sternberg/Strmec und St. Stefan am Krappfeld aus dem 17. Jahrhundert, das von Karl Bauer geschaffene in Klagenfurt-St. Peter aus dem 20. und das von Valentin Oman gestaltete Fastentuch mit den Motiven des Piraner Kreuzwegs in Latschach/Loče aus dem 21. Jahrhundert.

Ecce homo – Seht der Mensch

Die Atmosphäre der Kirche St. Michael in Eisenkappel/Železna Kapla bestimmen die goldgelb und ultramarinblau erstrahlenden Kirchenfenster von Valentin Oman, die abhängig vom Tageslicht und der Jahreszeit sowie von der sich verändernden Sonneneinstrahlung die Farbgebung des Kircheninnenraumes bestimmen. In der Mitte der Fenster steht eine menschliche Figur, die vom griechischen Buchstaben Taw, der dem lateinischen „T“ entspricht, eingegrenzt wird. Diese Taw als geheimnisvolles Kreuzzeichen ist der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabetes und gilt als Symbol des Endes. Im Kreuz endet das Leben auf Erden und beginnt das Transzendentale im Himmel. Geschichte ist Erinnerung, Anteilnahme, Beziehung und Empfindung von Zugehörigkeit. Die Geschichte verweist auf den Menschen in seiner Begrenzung und Vergänglichkeit, in seiner Selbstverwirklichung und seiner Selbstvernichtung, auf einen Menschen, der Geist besitzt, und einen, der Gewalt einsetzt.

Fastentuch als Meditationsbild

Mit der Gewalt kam Valentin Oman im Alter von sieben Jahren in Berührung, als er Zeuge der Deportation seiner slowenischen Nachbarn in St. Stefan-Finkenstein/Šteben-Bekštanj wurde. Von diesem Leiden seiner Nachbarn war er das ganze Leben geprägt. Das künstlerische Werk Omans kreist deshalb um die Frage, wer oder was der Mensch ist. Mit den Fenstern der Pfarrkirche Bad Eisenkappel korrespondiert in der Fastenzeit das einzigartige Fastentuch, so dass der Innenraum der spätgotischen Kirche eine ganz andere Wirkung bekommt. Dieses wurde vom damals 78-jährigen Valentin Oman als raumbeherrschendes Meditationsbild in der Größenordnung von acht mal vier Metern in Digitaldruck geschaffen.
Es greift die alte Tradition der Fastentücher mit seiner Verhüllungsfunktion auf. Von der Decke bis zum Boden wird der gesamte Altarraum der spätgotischen Pfarrkirche verhüllt. Der Fastenzeit entsprechend wollte man die Herrlichkeit des göttlichen Wesens hinter die gepeinigte und leidende menschliche Natur zurücktreten lassen. Es verbirgt den spätbarocken Hauptaltar zur Gänze. Vor dem Fastentuch befinden sich der schlichte Volksaltar, das Ambo und die eleganten und transparenten Sitze aus Eisen, so dass die Gemeinde eine Eucharistiefeier aktiv mitfeiern kann. Der Boden im Altarraum erinnert an das Ei als Auferstehungs- und Fruchtbarkeitssymbol. Der Künstler lässt den Blick des Betrachters/der Betrachterin zunächst zum Boden wandern, wo es ganz dunkel ist, danach wandert der Blick langsam am Fastentuch ins Anthrazite und Dunkelblaue nach oben ins Gelb-Goldene und dominierende Rot der menschlichen Gestalt bis zum goldig gelben Taw und darüber ins transzendente Blau.

Überwindung von Leid

Die Betrachtenden sollen sich vom Dunkel ins Licht hinauf tasten. Der Ausnahmekünstler Oman nannte sein Fastentuch dreisprachig „Ex tenebris ad lucem“ – „Aus der Dunkelheit ins Licht“ – „Iz teme v luč“. Intendiert wird, dass sich der Mensch von der irdischen Verfinsterung, vom Leid, dem Elend, der Not, von der Unsicherheit des Glaubens allmählich dem göttlichen Sein, der Überwindung des Leids, dem Auferweckungswunder zubewegt. Von der verworrenen und dunklen Vergangenheit des Einzelnen, des Ortes und seiner Umgebung sowie der gesamten Welt sollte sich der/die Betrachtende in der Gegenwart zu einer hell aufleuchtenden Zukunft durchringen. Valentin Oman zeigt den Menschen in seiner Endlichkeit und Fragilität, in seinem Unvollkommensein und seiner Zerbrechlichkeit, als einen, der sich auf dem Weg befindet und den Sinn sucht. Das Wesen des Menschen zeigt sich darin, dass er über sich hinaus gehen will. Die goldgelbe Farbe im Taw und das transzendente Blau versinnbildlichen die Ewigkeit. Die längliche, fragmentarische, unscharfe, verwundete Gestalt fordert die Betrachtenden auf, über das Leid im Alltag, die Schmerzen des Menschen und Jesu Leid nachzudenken. Der Künstler öffnet die Betrachtenden für das Geheimnis des Seins und der Mystik. Omans Meditation geht über das Nachdenken über den Tod hinaus. Er ist ein Künstler, der dem Wesen der Dinge auf den Grund geht. Oman ist einer, der existenzielle Fragen stellt; sein Werk hat spirituelle Kraft.

Tipp: Fastentücher in Kärnten 

In rund der Hälfte aller Kärntner Pfarren finden sich künstlerisch gestaltete Fastentücher, die in der Zeit vor Ostern die Altäre verhüllen. 20 davon stammen aus der Zeit von 1458 bis 1700 und gelten wahrlich als historische Fastentücher. Seit dem Mittelalter haben sie sich immer wieder gewandelt und sind zu treuen Wegbegleitern der Menschen in Kärnten geworden.In einem kürzlich neu erschienenen 80 Seiten starken „Reiseführer“ durch Geschichte und Tradition der Fastentücher in Kärnten beschreiben Roland Stadler und Monika Suntinger vom Referat für Tourismusseelsorge auch die Fastentücher von Valentin Oman.
Bei jedem Tuch findet sich darüber hinaus ein QR-Code, mit welchem einfach und direkt weitere Bilder und Details im Internet erschlossen werden. Ein chronologisches Register und zahlreiche Abbildungen runden diese Broschüre ab.
Erhältlich im Bischöflichen Seelsorgeamt – Behelfsdienst, Tarviser Straße 30, 9020 Klagenfurt; www.kath-kirche-kaernten.at/behelfsdienst; Tel.: 0463/5877-2135, E-Mail: behelfsdienst@kath-kirche-kaernten.at;
Onlinebestellungen unter https://shop.kath-kirche-kaernten.at

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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