Caritas Kinderkampagne
Armenien: Die Not der Kinder schreit zum Himmel

Foto: Caritas
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Armenien ist Schwerpunktland der Caritas-Kinder-Kampagne 2021. Vor allem die Region Bergkarabach ist durch die Corona-Pandemie, aber auch durch den Krieg mit Aserbaidschan besonders hart getroffen. Das Leid der Kinder ist unermesslich.
von Anna-Maria Bergmann-Müller

Homeschooling, Homeoffice, Haushalt, Familienalltag, Ausgangssperren ... Die Corona-Pandemie stellt uns vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Unser aller Leben ist ganz schön aus den Fugen geraten. Für viele ist die Situation belastend, für einige sogar existenzbedrohend. So ist es bei uns. Schauplatzwechsel: 18 Menschen in einer Drei-Zimmer-Wohnung, acht davon sind Kinder. Grigor ist neun Jahre alt. Vor einem Jahr ging er zur Schule und spielte mit Freunden. Dann kam Corona. Dann kam der Krieg. Bis zu diesem Zeitpunkt lebte er mit seiner alleinerziehenden Mutter in der Region Bergkarabach in Armenien.
Grigor versteckte sich gemeinsam mit seiner Mutter in einem kleinen Schuppen, als die Bomben auf seine Heimatstadt Stepanakert fielen. „Ich hatte Angst, aber ich musste ruhig bleiben, mutig sein“, erzählt er später. Seine Mutter floh mit ihm nach Gyumri im sichereren Norden Armeniens, wo sie Unterschlupf bei einer Tante bekamen. Sie mussten alles zurücklassen. Grigor wird vielleicht nie mehr zur Schule gehen, nie mehr seine Freunde treffen. Denn sein Heimatdorf wurde total zerstört. Grigor und seine Familie bekommen so wie auch ca. 1.000 Familien, die auf der Flucht sind, Unterstützung von der Caritas.
„Die Not der Kinder schreit zum Himmel“, sagte im Rahmen einer digitalen Pressereise nach Armenien Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich. Durch kriegerische Auseinandersetzungen, durch Naturkatastrophen und jetzt auch noch massiv verstärkt durch die Corona-Pandemie sind weltweit zwischen 86 und 117 Millionen Kinder von Armut mit all ihren Folgen betroffen. Denn: Der coronabedingte ökonomische Abschwung wird sich besonders schwer auf die armutsbetroffene Bevölkerung, die keine Reserven hat, auswirken.
Negativer Dominoeffekt
Kinderarmut ist eine weltweite Herausforderung, die langfristige Auswirkungen auf zukünftige Gesellschaften hat. Laut eines Berichtes von UNHCR werden bis zur Hälfte aller Kinder auf der Flucht nicht in den Unterricht zurückkehren. Wenn Kinder wie Grigor nicht mehr in die Schule gehen können, dann hat das einen negativen Domino-Effekt. Die Schule ist für Kinder in Krisengebieten nicht nur ein Ort des Bildungserwerbes. Die Schule ist oft der einzige Ort, wo Kinder sich anderen Menschen anvertrauen können. Zu Hause sind sie oft seelischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt. Das Mittagessen in der Schule ist meist die einzige warme Mahlzeit am Tag. All das fällt jetzt coronabedingt weg. Die wirtschaftliche Not zwingt die Eltern zu verheerenden Maßnahmen. So werden etwa Mädchen wieder zwangsverheiratet. Sie werden Opfer von Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Auf der Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen werden Kinder verletzt oder getötet, sie werden von ihren Eltern und Verwandten getrennt oder als Kindersoldaten rekrutiert.
Covid-19-Bildungsoffensive
„Es braucht dringend eine weltweite Covid-19-Bildungsoffensive, damit Kinder trotz Konflikten, Krisen und Katastrophen lernen können“, lautet deshalb der Appell des Caritas-Präsidenten Michael Landau.
Katastrophen bringen das Leben von Kindern durcheinander, sie verlieren den Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen und Strukturen wie Gesundheitsversorgung, Schutz und Bildung. Ihre emotionalen Bedürfnisse werden oft miss-achtet, was katastrophale Langzeitfolgen mit sich bringt. Die Caritas hilft im Rahmen ihrer großangelegten Kinderkampagne u. a. auch in Armenien. Die Projekte, die in enger Kooperation mit der Caritas vor Ort umgesetzt werden, reichen von einer Unterstützung für Kindergartenkinder, Tageszentren, einem Therapiezentrum für Kinder mit Beeinträchtigung über eine inklusive Bäckerei bis zu Heizkostenzuschüssen.
„Emils kleine Sonne“
Für die armenische Programmdirektorin der Caritas, Anahit Gevorgyan, geht es darum, die laufenden Projekte auch unter schwierigen Bedingungen aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht aus den Augen zu verlieren. So auch das Zentrum für Kinder mit Behinderungen. Es ist ein ganz besonderes Projekt und heißt „Emils kleine Sonne“. Hier werden 100 Kinder mit Behinderungen gefördert.
Mitten im Stadtzentrum von Gyumri liegt die inklusive Bäckerei Aregak, sie ist eine Außenstelle des Therapiezentrums. Beide Einrichtungen mussten aufgrund von Covid-19 geschlossen werden. Am 1. April 2020 startete die Bäckerei mit der Kampagne „#OurDailyBread“, einer Spendeninitiative, bei der internationale Spender Brot der Aregak Bäckerei für bedürftige Menschen in Gyumri „kaufen“ und spenden konnten. Somit konnte das Aregak-Team Brot und Gebäck an bedürftige Gemeindemitglieder austeilen.
Minus 30 Grad im Winter
Zurück zu Grigor. In der Drei-Zimmer-Wohnung ist es jetzt sehr, sehr kalt. Minus 30 Grad sind keine Seltenheit. In den kommenden Monaten wird die Caritas den Menschen vor Ort auch ganz konkret mit Miet- und Heizkosten helfen, den harten Winter zu überstehen.
Das Projekt „Corona-Nothilfemaßnahmen“ sorgte für kurzfristige und niederschwellige Hilfe. Lebensmittel und dringend benötigte Hygieneartikel wurden an 242 sozial benachteiligte Familien verteilt.
In der nächsten „Sonntag“-Ausgabe berichten wir im Rahmen der Kinderkampagne über Schwerpunktprojekte der Caritas in Kärnten.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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