Gedanken zum Evangelium: 12. Sonntag im Jahreskreis
Wenn es heute bei uns stürmt

Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?  | Foto: istockphoto /  Darren Baker
  • Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?
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Die Geschichte vom Seesturm ereignet sich jeden Tag.Sie erzählt von einem folgenschweren Perspektivenwechsel.

Es könnte ja auch sein, dass sich diese Geschichte heute ereignet. Nicht in einem Boot und nicht am See Genesareth. In einer Pfarrgemeinderatssitzung oder beim Treffen einer Bibelrunde. Alles Menschen, denen Glaube und Kirche wichtig sind. Aber dann gibt es Situationen, da wird es ganz stürmisch.

Wie es wohl weitergeht mit unserer Pfarre. Wie wenig Leute jetzt nach Corona in der Kirche sind. Die Jungen fehlen ganz. Und die Schulden für das neue Kirchendach werden uns auch noch zehn Jahre begleiten. Da gibt es eine Gruppe engagierter Pfarrleute die sich abrackern, aber wer soll sich für die Pfarrgemeinderatswahl nächsten März noch finden?

Und schon sind wir mitten im Sturm. Niemand braucht etwas zu erfinden: alles stimmt. Die Stimmung ist am Tiefpunkt. Jesus schläft seelenruhig. „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“ das kann auch in so einer Situation ein Schrei aus tiefster Seele sein. Dieses kurze Gebet ist tatsächlich der Wendepunkt in der Geschichte. Auf das Wort Jesu hin legt sich der Wind und es tritt eine völlige Stille ein. Was hier passiert ist ein grundlegender Perspektivenwechsel. Am Anfang sind die Jünger mit ihrer Aufmerksamkeit beim Problem: beim Sturm, bei den vielen Defiziterfahrungen, die es heute gibt.

„Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen“ – mit diesem Schrei wendet sich der Blick in eine andere Richtung. Immer noch ist der Sturm, sind die Probleme das Thema, aber die Aufmerksamkeit ist jetzt bei Jesus, wenn auch begleitet vom heftigen Vorwurf, dass er in dieser höchst bedrohlichen Situation einfach schläft. Ja, tatsächlich ist es schwer auszuhalten, dass er es auch heute zulässt, dass in den Pfarren, in der Kirche so vieles den Bach runtergeht.

Jesus selbst ist aber anscheinend so gar nicht in dieser Problemtrance gefangen. Sein Schlafen ist für mich ein starkes Zeichen, dass er in einem Frieden und in einem Vertrauen geborgen ist, dass sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt.

Mit diesem Gebetsschrei „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen“ stellen die Jünger den Kontakt zu Jesus wieder her, er gerät wieder in den Blick. Es gibt genug Situationen in unserer Diözese und in unserer Kirche, wo ich auch keine (schnelle) Lösung weiß. Aber zugleich kenne ich diese Erfahrung des Perspektivenwechsels: Bei uns war zu Fronleichnam trotz der Abstände noch genug Platz in der Kirche – und in mir schwingt das alte Lied „Deinem Heiland, deinem Lehrer“ nach – und ich gehe weg getröstet, dass der Jesus, den ich in der Monstranz zum Segen vor die Kirche getragen habe, vor allem mich trägt – und gar nicht nur in der Kirche.

Einen Tag davor habe ich Philipp Michalitsch getroffen. Manche haben das Pfingstvideo aus dem Dom mit ihm, dem christlichen Rapper, den Mitgliedern des Staatsopernballetts und Konstantin Reymaier auf der Domorgel gesehen. Fremd und faszinierend, Kirche ganz lebendig.

(Der SONNTAG berichtete:dersonntag.at/pfingsten2021)

Perspektivenwechsel. Und der Wind legte sich.

Evangeliumskommentar als PDF
Autor:

Markus Beranek aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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