Rot-Kreuz-Kommandant Gerry Foitik
Ein Mann, der gegen das Virus kämpft

Gerry Foitik: „Das Kontakttagebuch der Stopp Corona-App hilft, die Infektionskette rasch zu unterbrechen. “ Im Bild mit WKÖ-Präsident Harald Mahrer, Bildungsminister Heinz Faßmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz. | Foto: Georges Schneider/picturedesk.com
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  • Gerry Foitik: „Das Kontakttagebuch der Stopp Corona-App hilft, die Infektionskette rasch zu unterbrechen. “ Im Bild mit WKÖ-Präsident Harald Mahrer, Bildungsminister Heinz Faßmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz.
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Gerry Foitik ist Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes. Derzeit ist er permanent im Einsatz, um den Krisenstab der Bundesregierung bei der Bewältigung der Coronakrise zu unterstützen. Im SONNTAG-Interview spricht er u.a. darüber, wie sich unser Leben seit Beginn der Krise verändert hat und warum die vieldiskutierte „Anti-Corona-App“ wichtig ist.

Seit sechs Wochen herrscht in Österreich Ausnahmezustand. Die Coronavirus-Pandemie hat unser tägliches Leben verändert. Homeoffice, Homeschooling, Kontaktverbote, Einschränkungen des Glaubens­lebens. Schrittweise werden die verhängten Maßnahmen nun gelockert. Aber bis zur vollständigen Normalität ist es noch ein langer Weg.

Die Digitalisierung hat in dieser Zeit für viele das Leben verändert. Videokonferenzen statt Meetings und die Verwendung von Apps gehören nun zum Lebens- und Berufsalltag. Apps via Smartphone sollen in der aktuellen Coronakrise eines jener Instrumente sein, die bei der Eindämmung der Pandemie helfen sollen. Zahlreiche Wissenschaftler arbeiten europaweit an einem Standard, der eine grenzüberschreitende Anwendung von Corona-Apps ermöglichen soll.

Zwei Punkte sind wesentlich: Einerseits soll die Nutzung der App freiwillig sein, und sie soll dem Prinzip des „Tracing“ folgen. Im Gegensatz zum „Tracking“ halten die Handys dabei fest, wem der Nutzer oder die Nutzerin nahe kommt, auch in der Schlange im Supermarkt. Sie zeichnen aber nicht auf, wo sich der Nutzer befindet. Im Fall einer Infektion werden Personen gewarnt, die in der Kontaktkette des Betroffenen aufscheinen – ohne dass die persönlichen Daten weitergegeben werden.

In Österreich hat das Rote Kreuz die „Stopp Corona“-App vorgestellt, das Geld dafür kommt von der Uniqa-Stiftung. Bereits Hunderttausende Personen haben die App installiert. Auf Freiwilligkeit des App-Einsatzes setzt das Rote Kreuz. Ihr Initiator Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, hat sich in einer Einsatzpause Zeit für ein Interview mit dem SONNTAG genommen.

Was bringt die „Stopp Corona App“, wenn sie nur auf freiwilliger Basis läuft?
Gerry Foitik: Kontaktmanagement ist eines der wenigen Gegenmittel, die wir haben, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Genau das macht die Stopp Corona-App, die mit einem Kontakttagebuch hilft, die Infektionskette rasch zu unterbrechen. Freiwilligkeit unter hohem Datenschutz ist dabei unser Anspruch. Wir sind überzeugt, dass viele Menschen die App nutzen, um ihre Familie, Freunde und Arbeitskollegen zu schützen. Je mehr Menschen die Stopp Corona-App nutzen, desto wirksamer wird sie.

Hätten Sie je geglaubt, dass so etwas wie die Coronakrise auf uns hereinbricht? Hat man so ein Krisenszenario in Österreich schon einmal simuliert?
Als Einsatzorganisation ist das Rote Kreuz auf verschiedene Katastrophen vorbereitet. Wir üben regelmäßig den Ernstfall, führen Szenarienplanungen für Hochwasser, Erdbeben und auch Pandemien durch. Deshalb haben wir bereits im Jänner die Ereignisse in China genau beobachtet und unseren Einsatz vorbereitet. Dass die Coronapandemie diese Dimension annehmen wird, hat uns aber doch überrascht.

Ist diese Herausforderung mit etwas vergleichbar, das Sie im Roten Kreuz in der Vergangenheit gefordert hat?
Ich bin jetzt seit mehr als 30 Jahren beim Roten Kreuz. So ein Einsatz ist noch nie da gewesen. Die ganze Welt ist betroffen. ­Wir alle sind auch selbst betroffen. Selbst die älteren Generationen haben so eine Pandemie noch nicht erlebt.

Wie läuft die Arbeit im Krisenstab ab? Was ist dabei die Rolle des Roten Kreuzes?

Als Einsatzorganisation verfügt das Rote Kreuz über eine langjährige Erfahrung im Katastrophenmanagement. Wie auch andere unabhängige Experten ist das Rote Kreuz im Krisenstab vertreten. Unsere Aufgabe ist es, die Regierung in dieser schwierigen Situation zu beraten, damit die richtigen Entscheidungen getroffen werden können. Im Stab werden die wichtigsten Informationen gebündelt, die Lage ständig neu beurteilt, operative Entscheidungen getroffen, Strategien erstellt, um Österreich gut durch diese Situation zu bringen.

Österreich ist im internationalen Vergleich mit den jeweils gesetzten Maßnahmen meistens Vorreiter. Warum gelingt das?
Zum einen, weil Österreich relativ früh Maßnahmen setzen musste – auch wegen der geographischen Nähe zu Italien, zum anderen haben wir es gemeinsam durch die breite Mitwirkung aller Menschen in Österreich geschafft, die Ausbreitung deutlich zu verlangsamen. Da müssen wir jetzt dran bleiben.

Sind die gesetzten Maßnahmen gerechtfertigt für das erreichte Ergebnis?
Dadurch, dass wir es geschafft haben, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, haben wir alle zahlreichen Menschen in Österreich das Leben gerettet. Das sagt eigentlich alles. Aber wir müssen auch die sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Kosten dieser Maßnahmen im Auge haben und es mit den Maßnahmen nicht übertreiben. Das ist ein schwieriger Balanceakt, vor allem auch, weil es eine deutliche Zeitverzögerung zwischen Aktion und Erfolg gibt.

Was wird in einem Jahr anders sein? Was ist dann geblieben von der Coronakrise?
Unser Leben ist seit der Coronapandemie in vielen Bereichen anders als zuvor. Vor einem Jahr hätte niemand geglaubt, dass wir Abstand halten und Mundnasenschutz tragen. Die Auswirkungen werden uns noch lange begleiten. Was mich positiv stimmt, ist die unglaubliche Solidarität, die wir aktuell erleben – wenn wir es schaffen diese Hilfsbereitschaft beizubehalten, können wir viel schaffen. In einem Jahr werden wir uns daran gewöhnt haben, aber – mit heutigem Wissen – die Krise noch nicht überstanden haben.

Wird die Gesellschaft bescheidener durch diese Krise?
Ich denke, die jetzige Situation macht bewusst, was wirklich wichtig ist. Für mich sind das meine Familie und Gesundheit – so geht es sicher vielen Menschen.

Sind wir in Zukunft besser auf solche Ereignisse vorbereitet?

Man lernt mit jedem Einsatz. Es ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte, dass die Welt und Österreich von einer Pandemie dieser Dimension betroffen ist. Die Erfahrungen und Learnings, die wir daraus ziehen, werden uns in Zukunft sicher helfen.

Finden Sie zwischendurch Zeit, um von der täglichen Challenge Abstand zu gewinnen?

Kaum. Ich hatte seit Mitte Februar keinen einzigen Tag, an dem ich mich nicht mit dem aktuellen Einsatz beschäftigt habe. Zu Ostern hatte ich aber zwei Tage, an denen ich zumindest nur stundenweise gearbeitet habe. Aber mir geht es da nicht anders als vielen anderen Menschen in Österreich, die entweder daran arbeiten, die Auswirkungen der Erkrankung gering zu halten oder sich um ihre eigene Zukunft oder die von Familienmitgliedern sorgen. Diese Menschen sind es, die mich täglich neu motivieren, Energie zu investieren und Perspektiven zu eröffnen.

Gerry Foitik: „Das Kontakttagebuch der Stopp Corona-App hilft, die Infektionskette rasch zu unterbrechen. “ Im Bild mit WKÖ-Präsident Harald Mahrer, Bildungsminister Heinz Faßmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz. | Foto: Georges Schneider/picturedesk.com
Foto: HANS PUNZ/APA/picturedesk.com
Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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