Nachtarbeit am Heiligen Abend
Alles schläft, einsam wachen ...

Unterwegs mit dem Canisibus. Sabrina Bellido Gonzalez (links): „Keiner muss mit leerem Magen schlafen gehen.“ | Foto: Canisibus
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  • Unterwegs mit dem Canisibus. Sabrina Bellido Gonzalez (links): „Keiner muss mit leerem Magen schlafen gehen.“
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Das Christentum ist eine Nacht-Religion. In der Heiligen Nacht am 24. Dezember und besonders in der Osternacht werden die größten Geheimnisse des christlichen Glaubens festlich gefeiert.

Während viele bereits schlafen oder in die Mette gehen, tun andere in diesen Nächten ihren Dienst – ob beim Canisibus der Caritas, bei der Telefonseelsorge oder Ordensfrauen, die „einfach beten“. Der SONNTAG hat mit diesen leidenschaftlichen „Nachtarbeiterinnen“ gesprochen.

Heuer werde ich das sechste Mal in Folge mit dem Canisibus der Caritas am Heiligen Abend unterwegs sein“, erzählt Sabrina Bellido Gonzalez dem SONNTAG. „Mein allererstes Mal beim Canisibus hat an einem 24. Dezember gestartet, dazu entschieden habe ich mich, da ich noch ein anderes Projekt in Afrika unterstütze, aber damals keine Zeit hatte, hinzufliegen“, sagt sie. „Mein Gedanke war: Ich könnte ja auch vor Ort helfen. Warum immer in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah.“ Ihre Vorstellung, Essen zu verteilen, war schon sehr konkret: „Und ich war sehr froh, einen Platz beim Canisibus bekommen zu haben, da die Caritas ja auch sehr viele andere Projekte unterstützt“, betont Sabrina.

Dieser Freiwilligen-Dienst am Heiligen Abend ist ihr sehr wichtig. „Ich finde, dass es an Weihnachten um Nächstenliebe gehen sollte und nicht nur um Geschenke und Konsum“, meint Sabrina: „Zu wissen, dass zumindest keiner mit leerem Magen schlafen gehen muss, ist einfach ein schönes Gefühl, welches mir auch Freude bereitet. An Weihnachten sind die Menschen generell sehr emotional und auch deshalb ist es wichtig, immer ein paar warme Worte für sie zu haben oder einfach nur zuzuhören.“

Warum sie überhaupt mit dem Canisibus durch Wien fährt? „Es hat mir so gut gefallen, dass ich hängengeblieben bin und Dienstag-Abend ein Fixpunkt in meinem Leben geworden ist. Es ist ein guter Ausgleich zu meinem Beruf“, betont Sabrina: „Ich bin selbstständig und führe ein Kosmetik-Institut. In meinem Beruf habe ich immer mit sehr angenehmen Dingen zu tun. Es ist eine sehr erfüllende Arbeit und ich habe sehr entzückende, wertschätzende Kunden.“

Ihr Credo der Nächenstenliebe: „Die Energie, die ich in meinem Beruf gewinne, nutze ich, um etwas davon weiterzugeben, an Menschen, die es manchmal einfach mehr brauchen.Ich glaube fest daran, dass das Leben ein Geben und Nehmen ist.“

Der Dienst der Telefonseelsorge

Die Telefonseelsorge hat ein offenes Ohr für Nöte – auch in der Heiligen Nacht. | Foto: Telefonseelsorge
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Auch Antonia Keßelring kennt die Mystik des Dienstes am Heiligen Abend. „Ich hatte zweimal am Heiligen Abend Dienst, einmal in der Nacht vorher, am 23. Dezember, und einmal in der Nacht von Christtag auf Stefani“, erzählt die Leiterin der Telefonseelsorge Wien dem SONNTAG.

Der Grund ist denkbar einfach: „In der Zeit um Weihnachten herum sind viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihren Familien – da entstehen immer wieder Lücken im Dienstplan“, sagt Keßelring. Der Dienst am Heiligen Abend ist ihr sehr wichtig. „Weihnachten feiern wir, wie es am Anfang des Johannesevangeliums heißt: Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. In diesem Sinne ist unser Dienst eigentlich immer weihnachtlich“, sagt Keßelring: „Menschen, in denen es innen dunkel ist, rufen bei uns an – die meisten in der Nacht, wenn es auch draußen dunkel ist.

Wir hören ihnen zu und gehen mit ihnen in die Dunkelheit hinein, so lange, bis wir ein Licht finden. Das ist in jedem Dienst ein weihnachtliches Wunder.“

Und doch gibt es schwere Momente in dieser Heiligen Nacht, weiß Keßelring: „Ich nenne es: Das Weihnachtsungeheuer beißt zu! Was das ganze Jahr über wehtut, tut in dieser Nacht besonders weh. Alle Schattenseiten eines Lebens, alle Trauer, alle Bitternis, alte Schmerzen werden in dieser Nacht riesengroß. Es ist die Zeit der unerfüllten Sehnsüchte. Ich muss immer an den Buchtitel von Joachim Meyerhoff denken: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“

Es ist eine gewisse Anspannung in dieser Heiligen Nacht. „Denn es passieren auch in der Heiligen Nacht furchtbare Dinge: Ein junger Mann erfuhr von seiner Frau unter dem Christbaum, dass sie ihn schon seit zwei Jahren mit seinem besten Freund betrog“, erzählt Keßelring: „Eine Frau wachte in den frühen Morgenstunden des Christtags neben ihrem Mann auf und merkte, dass er im Schlaf verstorben war.“

Trotzdem prägt immer das Prinzip Hoffnung die Arbeit der Telefonseelsorge. „Die meisten rufen aber an, weil sie einsam oder zutiefst in Konflikte mit den engsten Angehörigen verstrickt sind“, erzählt Keßelring. Wo da die Freude der Heiligen Nacht bleibt, die die Engel den Hirten auf den Feldern von Bethlehem verkündet haben? „Der tiefe, vibrierende Klang der Pummerin um Mitternacht. Sie erinnert mich daran, dass ich nie allein bin, immer getragen von diesem großen unauslotbaren Geheimnis, das ich Gott nenne“, sagt Keßelring: „In der Telefonseelsorge begegne ich der ungeschönten Wirklichkeit dieser Stadt, wie sie ist. Das berührt mich jedes Mal aufs Neue.

Wir sind das Nachtgesicht der Kirche, wir lauschen Tag und Nacht in die dunkle Stadt hinein. Wir haben für jeden Menschen ein Ohr. Ich sage wir, weil ich zwar alleine am Telefon sitze, aber mich von einem großen Team von 160 Menschen getragen fühle.

Wir sind ganz unterschiedlich, aber uns verbindet dieser Wunsch, aufrichtig mitfühlend und einladend für die Menschen dieser Stadt da zu sein.“

Die betenden und wachenden Ordensfrauen

Der Dienst des Gebetes. Die Kleinen Schwestern vom Lamm beten fast die ganze Heilige Nacht hindurch. | Foto: Kleine Schwestern vom Lamm
  • Der Dienst des Gebetes. Die Kleinen Schwestern vom Lamm beten fast die ganze Heilige Nacht hindurch.
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Fast zeitgleich mit dem Canisibus und der Telefonseelsorge beginnen die „Kleinen Schwestern vom Lamm“ im zwanzigsten Bezirk in Wien in ihrer Klosterkirche mit ihrem intensiven Gebets-Dienst in der Heiligen Nacht. „Wir beten mehrere Stunden. Wir beginnen mit der Heiligen Messe am Vorabend und feiern dann die Christmette um 23 Uhr“, erzählt Kleine Schwester Petra dem SONNTAG.

„Nach Mitternacht betrachten wir das Geheimnis der Menschwerdung Gottes in einer Vigil, dem offiziellen Nachtgebet der Kirche, mit wunderschönen Texten von Kirchenvätern und vielen Gesängen. In den frühen Morgenstunden laufen wir bei der Hirtenmesse mit den Hirten zur Krippe.“

Was den Ordensfrauen dieses Gebet in der Heiligen Nacht bedeutet? „Das ganze Jahr über beten wir immer wieder vor großen Festen in der Nacht. Wir tragen die ganze Welt im Gebet zum Herrn“, erläutert Sr. Petra: „In der Nacht zu beten ist etwas Besonderes – und gerade in dieser Heiligen Nacht ist es ein großes Geschenk. Wir sind sehr gerne mit den Armen und in dieser Nacht versammeln wir uns um DEN Armen und beten IHN an, der für uns in einer Krippe zur Welt gekommen ist, der mitten unter uns Menschen sein will.“

Sr. Petra erklärt das Besondere des Heiligen Abends. Ist doch die Heilige Nacht eine der großen Nächte des liturgischen Feierns der katholischen Kirche. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, dieses Wort aus dem Johannes-Evangelium wird in dieser Nacht konkret. Wir feiern ein großes Geheimnis. Gott ist Mensch geworden“, sagt Sr. Petra: „Wache auf, Mensch, für dich wurde Gott Mensch.

So ruft uns der heilige Augustinus zu. Für dich, sage ich, wurde Gott Mensch. Für alle Ewigkeit wärest du tot, wäre er nicht in der Zeit geboren worden.“

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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