Berufung
Nicht einmal Matratzen

Im „Tonihäusl“, einem leerstehenden Gasthaus in Vorau, fanden Barbara Sicharter und ihre Gefährtinnen 1865 eine erste Heimat für die neu entstandene Gemeinschaft. | Foto: Archiv Marienschwestern
  • Im „Tonihäusl“, einem leerstehenden Gasthaus in Vorau, fanden Barbara Sicharter und ihre Gefährtinnen 1865 eine erste Heimat für die neu entstandene Gemeinschaft.
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Barbara Sicharter gründet – vielen Widerständen zum Trotz – mit gleichgesinnten Frauen eine geistliche Gemeinschaft.

Es ist die Zeit eines religiösen Aufbruchs. Kranke aus aller Welt pilgern nach Lourdes. Das kleine Dorf in den französischen Pyrenäen ist seit den Marienerscheinungen im Jahr 1858 ein Sehnsuchtsort der Heilung. Am Kroneggerhof bei Vorau erkrankt zu dieser Zeit Barbara Sicharter schwer. Während der fünf Monate, die sie ans Bett gefesselt ist, wächst in ihr der Wunsch, ganz für Jesus da zu sein.

So beschreibt sie ihn selbst: „Durch Gebet, Arbeit und Opfer Gott in besonderer Weise zu dienen“. Diese innere Sehnsucht drängt sie, ohne dass sie klare Vorstellungen von einem solchen Leben hätte. Sie denkt weder an die Gründung eines Ordens, noch an den Aufbau einer sozial-karitativen Einrichtung. Ihr geistlicher Begleiter, der Chorherr Karl Englhofer, dem sie ihre Sehnsucht mitteilt, bezeichnet allein den Gedanken eines gemeinsamen geistlichen Lebens von jungen Frauen als „töricht“. Drei Jahre lang reagiert er abweisend auf ihre Ideen.

Barbara fügt sich, lässt aber nicht locker. Zu Beginn des Jahres 1865 stimmt schließlich der Dechant ihrem Vorhaben zu, und Barbara legt ein persönliches Versprechen ab, in dem sie sich ganz Jesus schenkt.
Jetzt geht es auf einmal sehr schnell. Barbara mietet am Markt Vorau das sogenannte „Tonihäusl“ und zieht mit einer Gleichgesinnten, der 26-jährigen Agnes Wasserbauer, dort ein. Ihrem Vater fällt es schwer, dass seine Tochter den Hof verlässt, weil er sich auf sie verlassen konnte. Nur vier Tage später schließen sich zwei weitere junge Frauen, Theresia Feldhofer und Johanna Schöngrundner, den ersten beiden an. Das „Tonihäusl“ war früher ein Gasthaus, steht aber im Moment des Einzugs der mutigen Frauen völlig leer. Sie haben nicht einmal Matratzen.

Auch wenn sich Karl Englhofer zunächst gegen Barbaras Wunsch gesträubt hat, zeigt er sich jetzt als echter Vater der jungen Gemeinschaft. Er, der in seinem Stift die Aufgabe des Novizenmeisters ausübt, erweist sich als solcher auch gegenüber dieser jungen Gemeinschaft. Er gibt ihnen einen Tagesplan aus Gebet und Handarbeit. Sie leben von ihrer Hände Arbeit und von der Vorsehung Gottes. Ihr Leben kennt immer wieder Entbehrungen, aber sie haben die Freude, den Elan und die Kraft des Anfangs und lassen sich nicht entmutigen.
Um einen kirchenrechtlichen Ort innerhalb der Kirche zu haben, empfiehlt ihnen Englhofer, sich dem Dritten Orden des heiligen Franziskus anzuschließen. Nach einem Jahr kristallisiert sich stärker ihre konkrete Mission heraus. Sie nehmen eine unheilbar kranke Frau bei sich auf und pflegen sie 23 Jahre lang, bis zu ihrem Tod. Außerdem besuchen sie Kranke oder ersetzen die kranke Mutter in einer Familie. Ihre Aufgaben sind vielfältig. Überall, wo Not ist, helfen sie; oft können die Menschen sie nicht einmal dafür entlohnen.

Sr. Luzia Bodewig

Seligsprechung
Ein aufwändiges Verfahren

Der Seligsprechungsprozess für Mutter Barbara Sicharter, (1829–1905), sie hatte 1865 die „Kongregation der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis in Vorau“ gegründet, und für Maria Krückl (1918–1945), eine Novizin dieser Ordensgemeinschaft, wurde am 4. Mai 2022 durch Bischof Wilhelm Krautwaschl eröffnet. Dabei wurden Gerichtsvikar Gerhard Hörting als bischöflicher Delegat, der Priester Markus Schöck als Promotor Justitiae und P. Anton Witwer SJ als Diözesanpostulator eingesetzt. Einer historischen Kommission gehören der Vorauer Propst Bernhard Mayrhofer, Sr. Clara Maria Neubauer von den Marienschwestern, der Historiker Norbert Allmer und der Vorauer Stiftsarchivar Stefan Reiter an. Weiters wurden drei Notare ernannt.
Die umfangreichen Untersuchungen werden zunächst auf Diözesanebene geführt. Dabei wird das Leben der Kandidatinnen sorgfältig geprüft, es werden Informationen über deren Leben und Sterben gesammelt, und es müssen ein Wunder oder der Märtyrertod sowie Tugendhaftigkeit und der „Ruf der Heiligkeit“ nachgewiesen werden. Nach Abschluss dieses diözesanen Verfahrens werden die Akten an die vatikanische Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen nach Rom weitergeleitet.

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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